# taz.de -- Nato-Beitritt von Schweden und Finnland: Die Türkei will den beste… | |
> Präsident Erdoğan stellt Forderungen für den Nato-Beitritt der beiden | |
> skandinavischen Länder. Dabei stehen seine eigenen Interessen im | |
> Mittelpunkt. | |
Bild: In Szene gesetzt: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Parl… | |
ISTANBUL taz | Es war ein sehr gutes Gespräch“, sagte ein grinsender Mevlüt | |
Çavuşoğlu in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nach einem Treffen mit | |
seinem amerikanischen Kollegen Antony Blinken in New York. Blinken habe | |
viel Verständnis für die türkischen Sicherheitsprobleme gezeigt. | |
Fast zeitgleich zu dem Treffen zwischen dem türkischen und dem | |
amerikanischen Außenminister telefonierten auch der türkische | |
Sicherheitsberater İbrahim Kalın und US-Sicherheitsberater Jake Sullivan | |
miteinander. Auch der sagte anschließend, man solle den türkischen | |
Forderungen entgegenkommen. | |
Mit den Gesprächen in den USA ist der Reigen eröffnet worden, um | |
auszuloten, welche Forderungen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan | |
durchsetzen kann, damit die Türkei einem Nato-Beitritt der beiden | |
skandinavischen Länder Schweden und Finnland zustimmt. | |
Da ein [1][Beitritt] ohne türkische Zustimmung nicht möglich ist, versucht | |
Erdoğan nun so viele eigene Anliegen wie möglich durchzusetzen. Zunächst | |
einmal sollen Sanktionen der USA, die diese wegen des Kaufs des russischen | |
Raketenabwehrsystems S-400 durch Erdoğan verhängt hatten, möglichst wieder | |
aufgehoben werden. Die USA hatten die Türkei deswegen aus dem Programm für | |
ihr modernstes Kampfflugzeug F-35 hinausgeworfen, was Erdoğan gerne | |
rückgängig machen würde. | |
Ersatzweise soll der Kongress wenigstens der Lieferung modernisierter F-16 | |
Kampfflugzeuge zustimmen, die bis jetzt das Rückgrat der türkischen | |
Luftwaffe ausmachen. Auf der Rüstungsebene fordert die Türkei auch die | |
Aufhebung von Embargos, die Deutschland und andere europäische Länder nach | |
dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien verhängt hatten. | |
Auslieferung von „30 Exilanten“ | |
Während bei diesen Punkten ein Entgegenkommen möglich scheint, wird es bei | |
der sogenannten Terrorfrage sehr schwierig. So wie die USA und europäische | |
Nato-Länder seinerzeit der Türkei vorwarfen, sie würde die Terroristen des | |
[2][„Islamischen Staates“ (IS)] insgeheim unterstützen, wirft die Türkei | |
den USA und diversen europäischen Ländern seit Langem vor, sie in ihrem | |
Kampf gegen die kurdischen „PKK-Terroristen“ nicht ernst zu nehmen, sondern | |
im Gegenteil indirekt auch noch der PKK unter die Arme zu greifen. | |
In Syrien hatte sich die US-Armee im Kampf gegen den IS in erster Linie der | |
kurdischen YPG-Miliz als Bodentruppe bedient, die enge ideologische | |
Beziehungen zur [3][PKK] unterhält. US-Präsident Trump hatte die | |
Unterstützung der YPG schon einmal auf Drängen Erdoğans heruntergefahren, | |
von Biden erwartet Erdoğan nun die Einstellung der Waffenlieferungen an die | |
YPG. | |
Schweden, das jetzt der Nato beitreten will, war lange ein bevorzugtes | |
Exilland für PKK-Kader und andere politisch verfolgte Kurden. Erdoğan wirft | |
der schwedischen Regierung deshalb vor, insgesamt mit den Kurden zu | |
sympathisieren. Er will nun schriftliche Zusagen über die Auslieferung von | |
rund 30 Exilanten, darunter neben kurdischen Aktivisten auch wegen des | |
Putschversuchs verurteilte Mitglieder der [4][Gülen-Sekte] von Schweden | |
erreichen. | |
Beide skandinavischen Länder signalisierten erst einmal grundsätzliche | |
Gesprächsbereitschaft, doch Erdoğan will die Verhandlungen lieber über die | |
USA als direkt mit Stockholm und Helsinki führen. Eine angekündigte | |
Verhandlungsdelegation beider Länder lud er wieder aus. | |
Alle diese Aktionen dienen natürlich auch dazu, dem russischen Präsidenten | |
Putin zu signalisieren, dass die Türkei auch zukünftig als Moderator für | |
mögliche Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland ein geeigneter | |
Partner ist. Nach wie vor beteiligt sich Erdoğan ja nicht an den Sanktionen | |
gegen Russland und hofft stattdessen auf viele russische Touristen in | |
diesem Sommer. Russisches Geld belebt schon jetzt den türkischen | |
Immobilienmarkt. | |
19 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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