# taz.de -- Hamburgs Bürgermeister mag keine Tram: Wo Hamburg ist, ist der For… | |
> Keine Großstadt baut Straßenbahnen noch in ihr Zentrum, meint Peter | |
> Tschentscher (SPD). Wie wahr, das machen höchstens noch rückständige | |
> Städtchen! | |
Bild: Eine Tram für Hamburg? Niemals, meint Peter Tschentscher | |
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher verteufelt die [1][Straßenbahn] | |
als „altmodische Stahlungetüme“. Keine Großstadt baue sie heute noch in i… | |
Zentrum. Die taz hat sich umgeschaut: | |
## Paris | |
Zugeben: Unsere Freund:innen westlich des Rheins hatten mal eine wahre | |
Weltmetropole. Paris, mon amour! Doch seien wir ehrlich, es ist eine Stadt | |
im Niedergang: Banlieues voller Kriminalität, dauerstreikende Gelbwesten | |
und die Zieleinfahrt der Tour de France auf den Champs Élysées kommt doch | |
kaum an den wunderbaren Hamburger Eintagesklassiker Cyclassics heran: Der | |
endet schließlich auf der schönsten Einkaufsmeile der Welt! Ein völliger | |
Irrweg also, dass die Stadt nun auch noch vermehrt diese schlimmen | |
Stahlungetüme nutzen will. Schon ästhetisch ist festzuhalten: Seit dem Tod | |
unseres Hamburger Jungs Karl Lagerfeld ist Paris auf dem absteigenden Ast. | |
## Los Angeles | |
Was freut sich gerade unsere Hamburger Stadtmarketingabteilung einen ab, | |
dass Hollywood dank der Online-Marketing-Rockstar-Messe zu Gast ist. | |
Quentin Tarantino, Ashton Kutcher – die erste Riege direkt aus Los Angeles | |
eingeflogen: Wir in Hamburg, Tor zur Welt, dürfen die wahren Weltstars | |
begrüßen! Aber die wären ja kaum hier, hätten sie es bei sich zu Hause | |
besonders schön. Die freuen sich doch, mit dem Auto durch unsere schöne | |
Hafenstadt kutschiert zu werden statt die nervige Straßenbahn mit dem Pöbel | |
nehmen zu müssen. Seien wir ehrlich: Das hat mit moderner Freiheit nix mehr | |
zu tun! | |
## Jiaxing | |
Das sind ja da drüben in China auch alles Kommunisten. Wirklich sehr | |
altmodisch, sehr 20. Jahrhundert! Und viele ihrer Städte, bei deren Name | |
der gemeine Hamburger ja nicht einmal eine Ahnung hat, wie er sie | |
aussprechen soll, sind keine Metropolen. Punkt! Da kann Jiaxing auch rund | |
1,2 Millionen Einwohner:innen haben, das ist höchstens ein regionales | |
Oberzentrum. So ein bisschen wie Neumünster. Trotzdem ist deren Plan, ein | |
7-Linien-Netz aufzubauen, doch kein Vorbild. Als Hamburger Bürgermeister | |
spielt man da in einer anderen Liga – wir haben ja schließlich mit Shanghai | |
eine Städtepartnerstadt. Wie bitte, dort wurden in den letzten Jahren auch | |
wieder neue Tram-Linien eröffnet? | |
## Rio de Janeiro | |
Eine Stadt, die wegen ihrer vielen Favelas (Grüße an Ex-Innensenator Ronald | |
Barnabas Schill!) nicht einmal weiß, wie viele Einwohner:innen sie nun | |
genau hat, ist wirklich altmodisch. Gut, an der Copacabana hat neulich das | |
Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft stattgefunden. Ach, und die | |
Olympischen Spiele fanden da auch kürzlich statt? Aber was heißt das schon | |
– Hamburg ist ja trotz gefloppter Olympia-Bewerbung noch am Puls der Zeit. | |
Rios mickrige drei Straßenbahnlinien dagegen, die in den vergangenen Jahren | |
fertiggestellt wurden, sind nun wirklich nicht zeitgemäß. Was? Die wollen | |
ihr Netz nun sogar noch ausbauen? Mitten in der Stadt? Gott, ist das | |
rückständig! | |
## Aarhus | |
Ja, was war das früher mal eine schöne Stadt! Unsere lieben Nachbarn im | |
Norden hatten da eine echte Perle. Und jetzt: Verschandelt durch diese | |
hässlichen Stahlmonster, die surrend durch die Gegend düsen. Zum Glück muss | |
sich eine Millionenstadt wie Hamburg nicht mit diesem kleinen dänischen | |
Städtchen vergleichen, das aus einer losen Ansammlung heruntergekommener | |
Fachwerkhäuser besteht. In der Hansestadt wurden die zum Glück nahezu alle | |
abgerissen, um mondäne Glasbauten zu errichten. Wo der Fortschritt ist, da | |
ist Hamburg! Aber als Mahnung darf Aarhus dann doch dienen: Bekanntermaßen | |
sind die Skandinavier ja in allen Lebensbereichen rückständiger. Die | |
glauben ja auch, dass im Fahrradverkehr die Mobilitätszukunft der Stadt | |
liege. Wirklich putzig, diese von faulen Erasmus-Studierenden belagerte | |
Stadt. | |
## Wien | |
Unter Genoss:innen will man ja nicht schlecht übereinander reden: Als | |
Hansestadt unter dauerhafter sozialdemokratischer Kontrolle sollte schon | |
etwas Zurückhaltung gegenüber dem roten Wien an den Tag gelegt werden. Aber | |
mal im Ernst: Die glauben in Wien ja immer noch, sie wären Weltmetropole | |
wie zu jenen Zeiten, als Kaiserin Sissi noch Anmut und Ausstrahlung der | |
K.-u.-K.-Monarchie verkörperte. Nun wollen die ihr ungalantes und reizloses | |
bestehendes Straßenbahnsystem auch noch massiv ausbauen im Laufe dieses | |
Jahrzehnts. Und das nicht nur hinein in die neuen Stadtteile, sondern auch | |
noch zwischen den bestehenden Siedlungen! Das ist doch genauso bekloppt wie | |
deren sozialer Wohnungsbau! Solche Spinnereien kommen einem Hamburgischen | |
Bürgermeister nicht ins Haus – vor allem nicht einem aufrechten, wahrhaften | |
Sozialdemokraten! Was sollen die ehrbaren Kaufleute von einem solchen | |
Stadtoberhaupt halten? | |
19 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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