| # taz.de -- Gegen Kommerz im Fußball: Fans kaufen Stadionnamen | |
| > Um nicht irgendwann missmutig in der Irgendwas-Arena sitzen zu müssen, | |
| > erwerben Anhänger von Eintracht Braunschweig den alten Stadionnamen. | |
| Bild: Ein Rauch sagt mehr als tausend Worte: Braunschweiger Fans geben sich ent… | |
| Wer sich 2010 per Onlinenavigation an das ehrwürdige Stadion im Hamburger | |
| Volkspark heranzoomte, erlebte Wunderliches: Je nachdem, welcher | |
| Vergrößerungsgrad gewählt wurde, war auf der Karte entweder „HSH Nordbank | |
| Arena“ oder „Imtech Arena“ zu lesen. In jenem Jahr war mal wieder ein | |
| Namenswechsel vollzogen worden und offenbar noch nicht in allen Tiefen der | |
| Datenwelt angekommen. | |
| Inzwischen darf die Arena wieder ihren alten Namen „Volksparkstadion“ | |
| tragen, aber nur [1][auf Gnade von Investor] Klaus-Michael Kühne, der die | |
| Namensrechte besitzt und es jederzeit in „Ich bin der mit den Autos und | |
| nicht der mit dem Senf“-Stadion umbenennen lassen könnte. | |
| Auf den guten Willen anderer möchten sich die Fans von Eintracht | |
| Braunschweig nicht verlassen. Dort hat bislang die Volkswagen Financial | |
| Services AG dafür bezahlt, dass am Namen des Eintracht-Stadions nicht | |
| gerüttelt wird. Das will sie nun aber nicht mehr und die Stadt schreibt die | |
| Namensrechte neu aus – müsste sie zwar nicht, aber die Marktgesetze zwingen | |
| sie dazu, sagen Stadt und Verein. | |
| ## Crowdfunding zur Namensrettung | |
| Damit das 100-jährige Jubiläum des Stadions im kommenden Jahr wirklich in | |
| Eintracht gefeiert werden kann, hat sich ein Bündnis gebildet, das mit | |
| einer [2][Crowdfunding-Aktion] 300.000 Euro zur Namensrettung einnehmen | |
| will. „Wir, das sind Fans und Sponsoren, Ultras und hauptamtliche | |
| Mitarbeiter. Unser Ziel: dass unsere Heimat weiter Eintracht-Stadion heißt. | |
| Denn dieser Name gehört zu unserer Identität wie der Standort an der | |
| Hamburger Straße“, heißt es im Spendenaufruf. | |
| Die Fans können symbolische Anteilscheine erwerben, die sich in | |
| Leistungsumfang und Preis unterscheiden. Für den kleinen Geldbeutel gibt es | |
| das 1923er Paket – benannt nach dem Jahr der Einweihung – für 19,23 Euro im | |
| Jahr. Die teuerste der fünf Kategorien kostet 6.700 Euro im Jahr. | |
| Dafür gibt es den personalisierten Anteilschein nicht als schnödes PDF zum | |
| Ausdrucken, sondern im hochwertigen Eichenrahmen. Plus Foto mit der | |
| gesamten Mannschaft, Abendessen mit ein paar Spielern sowie einen Spielball | |
| und das Recht zur Logonutzung. | |
| ## Löwen machen Kehrtwende | |
| Fünfzig Jahre nachdem Eintracht Braunschweig als erster Bundesligaklub mit | |
| Trikotwerbung auflief, könnten die „Löwen“ also [3][wieder | |
| Marketinggeschichte] schreiben. Allerdings in umgekehrter Zielrichtung: | |
| Damals machten sie das Hirschgeweih-Logo des örtlichen | |
| Kräuterschnapsherstellers sogar zu ihrem Vereinslogo, um das Werbeverbot | |
| des DFB zu umgehen. Der DFB als Gralshüter werbefreier Zonen – auch das gab | |
| es mal. | |
| Ganz neu ist die Idee eines Crowdfundings für die Stadiontradition nicht. | |
| 2017 wollte in Nürnberg eine Bank 800.000 Euro einsammeln, um die dortige | |
| Arena, die auch schon mal easycredit-Stadion oder Grundig-Stadion hieß, in | |
| Max-Morlock-Stadion umzubenennen. Das Funding-Ziel wurde zwar um mehr als | |
| die Hälfte verfehlt, die Bank legte aber auf die von ihrer Seite | |
| versprochenen 2,4 Millionen Euro den Fehlbetrag noch drauf. | |
| Falls die Kampagne erfolgreich ist, sind Nachahmungseffekte nicht | |
| ausgeschlossen. Im Bremer Weserstadion würden sich die Fans möglicherweise | |
| auch gern wieder auf den Support ihrer Mannschaft konzentrieren, statt vor | |
| jedem Spiel aus Protest die Loge des Namensbesitzers Wohninvest mit | |
| Transparenten zu verhängen. | |
| 28 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Hamburger-SV-und-sein-Sponsor/!5405785 | |
| [2] https://stadion.eintracht.com/ | |
| [3] /Wie-der-Kommerzfussball-erfunden-wurde/!5802371 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Lorenzen | |
| ## TAGS | |
| Fankultur | |
| Eintracht Braunschweig | |
| Kommerzialisierung | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Fußball | |
| Klaus-Michael Kühne | |
| Panini | |
| Werder Bremen | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Braunschweigs Saisonstart gegen den HSV: Viel Applaus für eine Niederlage | |
| Mit Eintracht Braunschweig bekommt die Zweite Fußball-Bundesliga der Männer | |
| einen Farbtupfer in der neuen Saison. Am Ende gewann aber doch der HSV. | |
| Debatte um Hamburger Opernhaus: Mäzene schenken Pläne | |
| Klaus-Michael Kühne mag Hamburges Opernhaus nicht leiden und will darum ein | |
| neues … nein, nicht schenken! Aber irgendwie planen. Der Senat winkt ab. | |
| Kein Panini-Album zur EM 2024: Ciao, geliebter Kommerz | |
| Zur nächsten Fußball-EM der Männer wird es kein Panini-Album mehr geben. Es | |
| endet eine Ära, in der Klebebildchen zu Alltagsgeschichte wurden. | |
| Wie der Kommerzfußball erfunden wurde: Speckflagge und harte Drinks | |
| Vor 50 Jahren begannen Werder, der HSV und Braunschweig, den Fußball zu | |
| kommerzialisieren. Heute ist keiner der Kommerz-Pioniere noch in der 1. | |
| Liga. | |
| Anhaltende Kritik an Fußballbverbänden: Geht es der Uefa etwa ums Geschäft? | |
| Jetzt bezichtigt auch Altkanzler Gerhard Schröder die Uefa der | |
| Geschäftemacherei. Er scheint da einem ganz großen Ding auf der Spur zu | |
| sein. |