# taz.de -- Denkmalschützer schlägt Alarm: Weltkulturerbe verrottet | |
> Goslar lässt seine wertvolle Altstadt verfallen. Diesen Vorwurf erhebt | |
> ein Bericht der Denkmalorganisation World Heritage Watch. Die Stadt wehrt | |
> sich. | |
Bild: Nicht immer in so gutem Zustand wie hier: alte Fachwerkhäuser in Goslar | |
GÖTTINGEN taz | Die hübsche Altstadt der 50.000-Einwohner-Kommune Goslar am | |
Nordrand des Harzes gehört seit 1992 zum Weltkulturerbe der Unesco. Mehr | |
als 1.500 Fachwerkbauten auf fast 120 Hektar umfasst der Stadtkern, die | |
ältesten davon stammen aus dem 15. Jahrhundert. Der Wohlstand vieler Bürger | |
war damals dem Bergbau im Harz zu verdanken, der im Mittelalter seine erste | |
Blütezeit erlebte. | |
Im elften Jahrhundert war [1][Goslar] Sitz von Kaisern des Heiligen | |
Römischen Reichs. In diesem Jahr feiert Goslar seit 1.100stes Bestehen – | |
und ausgerechnet jetzt fällt ein Schatten auf die Stadt und ihr schmuckes | |
Fachwerk. | |
In einem in dieser Woche veröffentlichten Bericht kritisiert World Heritage | |
Watch den Umgang von Politik und Verwaltung mit der Altstadt. Sie sei über | |
Jahrzehnte vernachlässigt und „größtenteils sich selbst überlassen“ wor… | |
sagt der Berliner Architekt Henning Frase, der den Report im Auftrag der | |
Denkmalschutzorganisation verfasst hat. | |
Es gibt davon eine Kurz- und eine Langfassung: Die Kurzfassung des | |
„Berichts über ein institutionelles Versagen“ umfasst 32 Seiten und ist mit | |
„1100 Jahre Goslar: Ein [2][Welterbe zerfällt]“ überschrieben. Die 116 | |
Seiten starke Originalstudie benennt Goslar als ehemalige kaiserliche | |
freie Reichs- und Hansestadt und schmückt sie mit den Attributen „geliebt, | |
missachtet und verfallen“. | |
## Kaum investiert | |
Bis auf das kürzlich wiedereröffnete Alte Rathaus, dessen Bau bereits im | |
15. Jahrhundert begann und einige wenige weitere Gebäude hätten die | |
Verantwortlichen kaum in den Erhalt des historischen Stadtkerns investiert, | |
lautet die Kritik. In dem Gebiet seien geschätzt etwa 180 Gebäude in einem | |
baulich schlechten Zustand. Hinzu kämen rund 200 bis 300 Gebäude mit einem | |
größeren Sanierungsstau. In der sogenannten Unterstadt gebe es sogar bei | |
mehr als 80 Prozent der alten Häuser Sanierungsbedarf. | |
Die Eigentümer würden die Fördermittel dafür nicht abrufen, bemängelt | |
Frase. Rettungsprogramme für historisch wertvolle Gebäude oder die | |
Vermittlung von Gebäuden an geeignete Kaufinteressenten gebe es ebenfalls | |
nicht. Wo noch Sanierungen möglich seien, führe dies im Nachgang zu immens | |
hohen Folgekosten, um den Sanierungsstau aufzuarbeiten: „In vielen Fällen | |
kann nur noch Schlimmeres verhindert, aber der ursprüngliche Zustand in | |
Gänze nicht mehr gerettet werden.“ | |
Besonders auffallend sei der schlechte Zustand von Kleindenkmälern, deren | |
Erhaltung unterblieb und zum teilweisen Abriss führte, schreibt der | |
Architekt weiter. „Das seit zirka 1840 vor dem Rathaus liegende | |
strahlenförmige Granitpflaster fehlt in Teilen vor dem Gebäude seit zwölf | |
Jahren.“ Für die Feier zum 1.100-jährigen Bestehen der Stadt seien keine | |
Anstrengungen unternommen worden, es wieder herzustellen. | |
Etliche Wege und Hauseingänge seien zudem nicht einheitlich und zum | |
Stadtbild passend gestaltet. Auch Grünflächen und alte Baumbestände würden | |
nicht ausreichend geschützt und gepflegt. Durch das jahrelange Unterlassen | |
notwendiger Reparaturen gebe es bereits teilweise irreparable Verluste von | |
historischer Bausubstanz, konstatiert Frase. | |
Die World Heritage Watch fordert in dem Bericht „unverzüglich einen | |
umfassenden und durchfinanzierten Sanierungsplan für die Altstadt“, der den | |
[3][hohen Anforderungen an eine Welterbestätte] gerecht werde. Die | |
Finanzierung und personelle Ausstattung der zuständigen Stellen müsse | |
gesichert, die Sanierung der Altstadt „Chefsache“ werden. Zu prüfen sei | |
insbesondere, ob die Ausstattung an finanziellen Mitteln, Fachkompetenz und | |
Anzahl der Mitarbeiter der zuständigen Abteilungen ausreichend sei. | |
Die Stadt Goslar verwahrt sich gegen die Kritik. Die Verwaltung habe erst | |
nach Veröffentlichung des Reports von den Vorwürfen erfahren, schrieb | |
Stadtsprecherin Vanessa Nöhr der taz. „Die Motivation für diesen in Teilen | |
unsachlichen Bericht erschließt sich uns nicht.“ Dass es Gebäude mit | |
Sanierungsbedarf gebe, lasse sich zwar nicht bestreiten. Allerdings würden | |
in dem Bericht private und öffentliche Gebäude vermischt und Maßnahmen | |
angemahnt, die bereits abgeschlossen, in Arbeit oder öffentlich angekündigt | |
seien. | |
Dass Goslar in den vergangenen Jahren mithilfe von Fördermitteln etliche | |
Sanierungsmaßnahmen vorgenommen habe, bleibe unerwähnt. Der Verfasser des | |
Berichts sei hier „leider nicht auf dem aktuellen Stand“ und nenne | |
entsprechend falsche Fakten. „Wir werden den Bericht Herrn Frases jetzt | |
erst einmal ausführlich prüfen, um im Detail auf die Vorwürfe eingehen zu | |
können“, kündigte Nöhr an. | |
6 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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