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# taz.de -- Verkehrsexperte über CO2-Bilanz der Bahn: „Gegen zerstörerische…
> Die Bahn hat Nachholbedarf beim Klimaschutz, kritisiert Verkehrsexperte
> Winfried Wolf. Mehr Hochgeschwindigkeitstrassen seien der falsche Ansatz.
Bild: Beton-Bahn-Alarm zwischen Stuttgart und Ulm: Deutschlands dritthöchste E…
taz: Herr Wolf, an diesem Wochenende treffen sich Bahnkritiker in Stuttgart
zum [1][alternativen Bahn-Kongress Klima-Bahn]. Ist die Bahn etwa gar nicht
so klimafreundlich, wie man denkt?
Winfried Wolf: Nein. Die Bahn – genauer: der Konzern Deutsche Bahn AG – ist
nicht per se klimafreundlich. Die Bahn stößt auch CO2 aus. Vor allem diese
Beton-Bahn, also die Bahn mit vielen Tunneln, Brücken, Großprojekten und
Geschwindigkeiten um 300 km/h, ist nicht weit entfernt von der
CO2-Belastung eines voll besetzten Autos. Deswegen sprechen wir uns für
einen vorsichtigen Ausbau der Bahn und gegen viele zerstörerische
Großprojekte aus. Das Stichwort ist Takt statt Tempo.
Wer sind „wir“, und was bedeutet Takt statt Tempo?
Wir sind verschiedene bundesweite Bahn-Initiativen, die sich gegen die
Beton-Bahn zur Wehr setzen. Gastgeber ist das Aktionsbündnis gegen
Stuttgart 21. Ich schätze, dass noch ein Dutzend weitere Initiativen
vertreten sind – wie [2][Prellbock Altona], die gegen die Verlegung des
Bahnhofs Hamburg-Altona kämpfen. Takt statt Tempo bedeutet, dass die Bahn
nicht nach ihrer Höchstgeschwindigkeit beurteilt werden sollte, sondern
danach, ob sie pünktlich ist, ob man einen Sitzplatz bekommt und ob das
Ticket erschwinglich ist.
Was sind die Gründe für die schlechte Klimabilanz der Bahn?
Die Bahn behauptet zwar, dass sie im [3][Fernverkehr mit 100 Prozent
Ökostrom] fährt. Der Gesamtanteil von Ökostrom auf den elektrifizierten
Strecken beläuft sich aber auf lediglich 61 Prozent. Hinzu kommt, dass
überhaupt nur 60 Prozent der Strecken elektrifiziert sind. Auf den
restlichen Strecken fahren Diesellokomotiven. Außerdem sind manche Strecken
nur teilelektrifiziert. Auf denen muss dann trotzdem ein Dieselzug fahren,
nur weil ein kurzes Stück keine Hochspannungsleitung besitzt.
Wie wirken sich die Prestigeprojekte aus?
Früher war die Klimadebatte kein Thema. Damals haben wir gegen Stuttgart 21
gekämpft, weil es eine sinnlose Verkleinerung des Bahnhofs darstellt und im
Brandfall ein großes Risiko birgt. Wegen des Klimanotstands beschäftigen
wir uns nun aber auch mit den CO2-Kosten solcher Projekte. Allein der für
den Bau benötigte Beton und Stahl setzt 1,9 Millionen Tonnen des
Treibhausgases frei. Zusätzlich ist der Energieverbrauch in einer
eingleisigen Tunnelröhre zwei- bis dreimal so hoch wie über der Erde.
Klimatechnisch sind Tunnelprojekte nur im Ausnahmefall zu vertreten. Die
Deutsche Bahn hat aber seit 1985 doppelt so viele Tunnelkilometer gebaut
wie in den 150 Jahren zuvor.
Aber braucht die Bahn nicht eine gute Infrastruktur?
Das schon. Aber nicht einen unterirdischen Bahnhof, der nur halb so viele
Gleise hat wie der alte und gravierende Brandschutzmängel aufweist, sondern
Bahnhöfe auch in den kleinen Städten und Dörfern, anstatt der vernagelten
und verpissten Gebäude.
Wie kann die Bahn besser werden?
Also zunächst einmal bräuchte die Bahn Leute an der Spitze, die selbst
begeisterte Bahnfahrer sind. So wie der ehemalige Vorsitzende der Schweizer
Bundesbahnen, Benedikt Weibel. Der hat alle Dienstwagen mit der Begründung
abgeschafft, dass seine Mitarbeiter auch mit der Bahn zu fahren haben. Dann
sollte die Bahn 100 Prozent elektrisch fahren, wie in der Schweiz. Die Bahn
muss außerdem attraktiver werden und die Leute von der Straße auf die
Schiene holen. Viele der ehemaligen Strecken müssen wieder reaktiviert
werden, um den Weg zum nächsten Bahnhof zu verkürzen. In den vergangenen
zwanzig Jahren wurde auch die Zahl der Weichen halbiert. Das ist, als würde
man die Hälfte der Autobahnkreuze wegnehmen. Die müssen wieder her.
[4][In Österreich gibt es ein Klimaticket], das für alle Fahrten gilt. Wäre
das auch ein Modell für Deutschland?
Ja. Die Bahn braucht ein Ticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel.
Wie könnte es mit Stuttgart 21 weitergehen?
In den verschiedenen Stadien des Baus gab es von uns immer wieder
Vorschläge, wie man die bestehenden Bauten am besten anders nutzen kann.
Aktuell am vielversprechendsten wäre eine Nutzung der Tunnel für die
Logistik der Stadt, um Waren durch die Tunnels zu Kaufhäusern
transportieren. Eine Inbetriebnahme als Eisenbahntunnel wäre
unwirtschaftlich, weil die fortlaufenden Sanierungen auf Dauer mehr Geld
verschlingen würde, als der Bahnhof einbringt. Im schlimmsten Fall kann es
zum Totalschaden kommen, da die Tunnel zum Teil durch Anhydrit-Gestein
führen. Ein Mineral, das sich bei Zutritt von Wasser ausdehnt und so den
Tunnel anheben kann. Hinzu kommen die bereits erwähnten Brandschutzmängel.
Eine Kompromisslösung könnte ein Kombi-Bahnhof sein: Zwei Röhren könnten
als Erweiterung zum bestehenden Bahnhof für den Fernverkehr dienen.
Mittlerweile ist nämlich auch den Politikern klar geworden, dass der
[5][Stuttgart 21-Bahnhof] viel zu klein wäre: Was wir zwölf Jahre lang
gesagt haben.
13 May 2022
## LINKS
[1] https://klimabahn-initiative.de/wp-content/uploads/2022/04/Klimazeitung_web…
[2] /Archiv-Suche/!5780518&s=prellbock+altona&SuchRahmen=Print/
[3] /Die-Bahn-im-Klimacheck/!5779380
[4] /Bahninitiativen-fordern-Klimaticket/!5841753
[5] /Betrugsverdacht-bei-Grossprojekt/!5816027
## AUTOREN
Denis Pscheidl
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