# taz.de -- Klage gegen AKW-Abrissgenehmigung: Atompolitik kommt ohne Prozess w… | |
> Im Streit um den Abriss des AKW Unterweser einigen sich Kläger, Politik | |
> und der Atomkonzern auf einen Kompromiss – weil eine Klage unbearbeitet | |
> ist. | |
Bild: Die Anti-AKW-Kämpfer*innen von der Bürgerinitiative „Arbeitskreis Wes… | |
RODENKIRCHEN taz | Die Atomkraftgegner*innen in der Wesermarsch ziehen | |
ihre seit 2018 laufende Klage gegen die Abrissgenehmigung des | |
abgeschalteten Atommeilers Esenshamm an der Unterweser zurück. | |
Der Grund: Sie haben sich mit dem Betreiberkonzern PreussenElektra und dem | |
niedersächsischen Umweltministerium auf einen Kompromiss geeinigt. Und zwar | |
deshalb, weil auch nach vier Jahren nicht absehbar war, wann das | |
Oberverwaltungsgericht in Lüneburg überhaupt einmal über ihre Klage | |
verhandeln würde. Also hat nun mit Hilfe einer Güterichterin ein | |
Mediationsverfahren stattgefunden. Dem Ergebnis dieser Verhandlungen | |
stimmen der Kläger Paul Bremer und die Bürgerinitiative (BI) | |
[1][„Arbeitskreis Wesermarsch“], die ihn unterstützt, nun zu – damit aber | |
wird die Klage hinfällig. | |
Der Atommeiler an der Unterweser wurde 1978 in Betrieb genommen und nach | |
der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 abgeschaltet. Bis dahin hielt er | |
einen „Weltrekord“, wie [2][PreussenElektra] stolz verkündet: 305 | |
Milliarden Kilowattstunden Strom wurden hier produziert. So viel hatte bis | |
dahin kein anderer Atommeiler auf der Welt jemals erzeugt. Die Kosten für | |
den Rückbau belaufen sich auf schätzungsweise 1,2 Milliarden Euro. Der | |
Abriss des Kraftwerks soll erst 2032 beginnen, obwohl die Genehmigung zum | |
schrittweisen Abbau schon 2018 erteilt wurde. | |
Und genau gegen die haben die Atomkraftgegner*innen schon damals Klage | |
eingereicht. Zwar ist das Kraftwerk mit seiner Abschaltung vom Radar der | |
öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden – „doch viele Probleme | |
beginnen erst jetzt“, sagt Paul Bremer: „Der Rückbau ist eine potentielle | |
Gefahr. Viele Schadstoffe werden dann frei.“ | |
## Viel strahlender Abfall | |
Insgesamt hat die Bürgerinitiative [3][20 Punkte] aufgelistet, mit denen | |
sie bei der Rückbaugenehmigung nicht einverstanden war. Dabei geht es unter | |
anderem um kontaminierten Bauschutt und Schadstoffe, die in die Umwelt | |
gelangen. Allein aus dem besonders strahlungssensiblen Bereich des AKW | |
fallen bei dessen Abbau 193.000 Tonnen Abfall an, zwei Prozent davon sind | |
radioaktiv und müssen bis zu einer Endlagerung in einem Zwischenlager | |
aufbewahrt werden. In Esenshamm sind laut der BI zurzeit 40 Castoren | |
eingelagert. Jeder davon enthalte etwa so viel Strahlung wie sechs | |
Hiroshima- und sechs Nagasaki-Atombomben zusammen. | |
Nun hat sich PreussenElektra verpflichtet, deutlich niedrigere Grenzwerte | |
für radioaktive Stoffe einzuhalten. Sei liegen um 46 beziehungsweise 71 | |
Prozent unter dem, was heute zulässig ist. „Ob eine Klage auch zu diesem | |
Ergebnis gekommen wäre, ist unklar“, sagt ein Sprecher der BI. Sie bewertet | |
dieses Verhandlungsergebnis als „positiv“ – eine Kontrolle der Einhaltung | |
dieser Zusage des AKW-Betreibers finde aber „nur bedingt“ statt, weil die | |
niedrigeren Grenzwerte zunächst nur im Betriebshandbuch stünden und | |
PreussenElektra sich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ selbst | |
verpflichtet. | |
Besondere Gefahr sehen die Atomkraftgegner*innen im fehlenden Schutz | |
des Atommeilers bei zunehmenden Sturmfluten – die Deiche seien zu niedrig. | |
Schon 2004 wurde eine Deichhöhe von 7,81 Metern von einem Gutachter der Uni | |
Hannover für nötig befunden, zum Schutz vor Extremwettern. Der Bremische | |
Deichverband hält Deichhöhen von 8 bis 8,5 Metern für erforderlich. | |
Doch in unmittelbarer Nähe des AKW gibt es zwei Stellen, an denen der Deich | |
nur 6,5 beziehungsweise 7,3 Meter hoch ist. Ein Wissenschaftler hatte bei | |
der Planung des Zwischenlagers in Esenshamm empfohlen, dieses auf eine Höhe | |
von 8 Metern zu bauen. „Was natürlich nicht gemacht wurde“, wie die BI | |
bemerkt, die eine unverzügliche Neuberechnung der nötigen Deichhöhen und | |
vor allem besseren Hochwasserschutz fordert. | |
## Die BI denkt über eine neue Klage nach | |
Der Vergleich mit der Politik und dem AKW-Betreiber sieht nun lediglich | |
vor, dass es noch in diesem Jahr ein „Fachgespräch“ zum Thema Deichschutz | |
geben wird. „Das ist eine Goodwill-Veranstaltung“, sagt die BI. Was das am | |
Ende für die Deiche rund um das AKW bedeutet, bleibt völlig offen. | |
Nicht durchsetzen konnte sich die BI in den Güteverhandlungen auch dort, wo | |
es um die Kontrolle der Umgebung des AKW auf verschiedene Strahlungs- und | |
Schadstoffarten geht – insbesondere in der Weser und an ihren Ufern. Die | |
Überwachung sei „vollständig und abdeckend“, heißt es in dem | |
Kompromisspapier. Die BI sieht das anders, hat es aber trotzdem | |
unterschrieben. | |
Sie denkt nun über eine neue, rein wasserrechtliche Klage nach – wenn sich | |
genügend Spender*innen finden, die die Prozesskosten mit finanzieren. | |
24 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ak-wesermarsch.info/ | |
[2] https://www.preussenelektra.de/de/unsere-kraftwerke/kraftwerkunterweser.html | |
[3] http://www.ak-wesermarsch.info/20-Dissenspunkte/ | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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