# taz.de -- Wahlen in Somalia: Die Blase von Mogadischu | |
> Seit Jahrzehnten befindet sich Somalia im Klammergriff eines Clansystems. | |
> Ist es da nicht völlig egal, wer das Land regiert? Nicht ganz. | |
Bild: Unterstützerinnen des alten und neuen Präsidenten in Mogadischu | |
Somalia gilt als gescheiterter Staat, seit mehr als dreißig Jahren. Die | |
einzigen funktionierenden staatlichen Strukturen sind die, die sich von der | |
Zentralmacht in der Hauptstadt Mogadischu losgesagt haben. Dort residieren | |
die staatlichen Institutionen in einer von ausländischen Truppen | |
geschützten Blase, die stärker noch als die früheren Grünen Zonen von | |
Bagdad und Kabul vom Rest des Landes militärisch abgeschottet und politisch | |
entrückt ist. Der Präsident ist indirekt gewählt, durch Parlamentarier, die | |
ihrerseits indirekt gewählt sind – ein Clansystem, das mit Demokratie im | |
eigentlichen Sinne nichts zu tun hat. Ist es also nicht völlig egal, wer in | |
dieser Blase von Mogadischu das Amt des Präsidenten ausübt? | |
Nicht ganz. [1][Somalias Präsident] ist international anerkannt und damit | |
für den Rest der Welt der erste somalische Gesprächspartner. Die meisten | |
Menschen in [2][Somalia] mögen ihn nie zu Gesicht bekommen, aber er | |
unterschreibt in ihrem Namen Verträge, handelt Abkommen aus, klärt die | |
Modalitäten des Einsatzes ausländischer Eingreiftruppen und – am | |
wichtigsten – nimmt internationale Finanzhilfen entgegen. Man kann als | |
somalischer Präsident in einem gescheiterten Staat nicht viel Gutes tun, | |
aber man kann sehr viel Schaden anrichten. | |
Deswegen ist es durchaus von Bedeutung, dass der bisherige Präsident | |
[3][Mohamed Abdullahi Mohamed], genannt „Farmaajo“, am Sonntag mit seinem | |
Versuch der Wiederwahl gescheitert ist. Sein Nachfolger ist zwar sein | |
Vorgänger – Somalias Politik dreht sich im wahrsten Sinne des Wortes im | |
Kreis. Aber das sorgt immerhin dafür, dass die unterschiedlichen | |
Interessengruppen sich an der Macht abwechseln. Solange alle dabei | |
mitspielen, ist immerhin das Risiko einer Rückkehr zum Bürgerkrieg | |
reduziert. Das war in den vergangenen Monaten, als die Wahl sich ein ums | |
andere Mal verzögerte und „Farmaajo“ an der Macht zu kleben schien, immer | |
weiter gewachsen. | |
Von einer Rückkehr zur traditionellen Staatlichkeit mag Somalia nach dieser | |
Wahl genauso weit entfernt sein wie vorher. Aber wahrscheinlich ist diese | |
Rückkehr nach dreißig Jahren weder möglich noch wünschenswert. | |
16 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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