# taz.de -- Big Brother Awards verliehen: Negativpreis für Klarna | |
> Wer online einkauft, muss online zahlen – mitunter über einen | |
> Dienstleister. Dabei geht nicht immer alles transparent und | |
> verbraucherfreundlich zu. | |
Bild: Shop now, pay later: Was schön klingt, kann schnell zu Problemen führen | |
BERLIN taz | Der Zahlungsdienstleister Klarna bekommt am Freitagabend den | |
Negativpreis für Überwachung, den Big Brother Award. Die Auszeichnung in | |
der Kategorie Verbraucherschutz gehe an Klarna, weil das Unternehmen | |
„intransparent Daten und Macht als Shopping-Service, Zahlungsdienstleister, | |
Preisvergleichsportal, persönlicher Finanzmanager, Bonitätskontrolleur und | |
Bank“ bündle, heißt es in der Begründung. | |
„Wir wollen darauf hinweisen, dass das, was so smooth rüberkommt, eben gar | |
nicht smooth ist, sondern gefährlich“, sagte [1][der Datenschutz-Experte | |
padeluun vom Verein Digitalcourage] bei der Vorstellung der Preisträger. | |
Klarna selbst wies die Vorwürfe zurück. | |
Wer online einkauft, hat meistens die Wahl zwischen verschiedenen | |
Zahlungswegen: Neben Vorkasse, Rechnung, Lastschrift und Zahlung per | |
Nachnahme oder Kreditkarte gibt es auch Dienstleister, die die Transaktion | |
abwickeln. Am bekanntesten sind die US-Riesen Paypal und Amazon Pay. Das | |
2005 gegründete Unternehmen Klarna positioniert sich als europäischer | |
Konkurrent. Klarna bietet unterschiedliche Zahlungswege an, darunter | |
Zahlung per Rechnung, Lastschrift und Ratenzahlung. | |
Zu dem Unternehmen gehört seit 2014 auch der Dienst Sofortüberweisung. | |
Kund:innen nutzen die Dienstleister unter anderem aus | |
Bequemlichkeitsgründen. Außerdem bieten sie häufig einen Käuferschutz. | |
Doch gerade bei Klarna sehen Daten- und Verbraucherschützer:innen | |
eine ganze Reihe an Problemen. Ein unvollständiger Auszug der Liste: | |
Kund:innen können bei der Zahlung in einem Online-Shop nicht immer | |
erkennen, dass ihre Daten bei Klarna landen. Das Unternehmen [2][räumt sich | |
teils das Recht ein, die Umsätze der vergangenen 30 Tage auf dem Girokonto | |
einzusehen]. Verbraucher:innen beschweren sich darüber, dass Klarna | |
flott zur Hand ist mit Inkassoforderungen, die für die Betroffenen schnell | |
teuer werden. | |
Klarnas Unternehmenssitz ist Schweden. Durch eine Niederlassung in Berlin | |
landen aber auch bei der dortigen Aufsichtsbehörde zahlreiche Beschwerden | |
von Kund:innen – derzeit seien es mehr als 170. „Im Verhältnis zu anderen | |
Unternehmen ist das eine hohe Anzahl“, so Sprecher Simon Rebiger zur taz. | |
Die Beschwerden bezögen sich unter anderem darauf, dass Auskunfts- und | |
Löschungsersuchen nicht, nur unzureichend oder erheblich verspätet | |
beantwortet würden, zudem auf Identitätsdiebstähle sowie die | |
Autofill-Funktion. [3][Hat ein:e Kund:in diese nicht deaktiviert], wird im | |
Zahlungsprozess ein Teil der Eingabefelder wie Adresse, Geburtsdatum oder | |
Zahlungsdaten automatisch auf Basis von früher angegebenen und | |
gespeicherten Daten ausgefüllt. | |
[4][In der Vergangenheit gelang es hier bereits Dritten, unbefugt Daten von | |
Klarna-Kund:innen einzusehen.] Klarna teilte dazu auf Anfrage mit: „Wir | |
bedauern den konkreten Vorfall sehr und haben alle erforderlichen Maßnahmen | |
ergriffen, um sicherzustellen, dass sich ein solcher Vorfall nicht | |
wiederholt.“ | |
## Auch in Schweden zahlreiche Beschwerden | |
Federführend ist die schwedische Datenschutzaufsicht. Laut Sprecher Per | |
Lovgren sind seit 2018 dort 372 Beschwerden gegen Klarna eingegangen. | |
[5][In einem Fall wurde ein Bußgeld von umgerechnet gut 700.000 Euro | |
verhängt]. Allerdings seien auch über 100 Verfahren noch nicht | |
abgeschlossen. Ein Teil der Beschwerden betreffe auch die | |
Autofill-Funktion. Ob sie diese grundsätzlich für rechtskonform hält, habe | |
die Behörde aber bislang nicht entschieden. | |
Klarna selbst betont gegenüber der taz, „dass unsere Produkte und | |
Dienstleistungen niemals auf Kosten der Privatsphäre unserer | |
Nutzer*innen gehen dürfen“. Man mache jederzeit deutlich, welche Daten | |
gesammelt und wie sie verwendet würden, und nehme „den Schutz von | |
persönlichen Daten sehr ernst“. | |
Klarna ist nicht das einzige Problemunternehmen unter den | |
Zahlungsdienstleistern. „Natürlich hätten auch andere Fintechs den Award | |
sicherlich verdient“, sagt padelunn von Digitalcourage zur taz. Doch bei | |
den Big Brother Awards werde die Öffentlichkeit nach Vorschlägen gefragt | |
und „in der Art und Weise, wie sehr Klarna sich zur intransparenten | |
Allmacht zwischen die Beziehungen von Händlerin und Kunde drängelt, sehen | |
wir den Preis bei an Klarna ‚in guten Händen‘“. | |
## Das Schuldenproblem | |
Die Verbraucherzentralen verzeichneten für das Jahr 2020 – das erste | |
Pandemiejahr – [6][einen Anstieg der Beschwerden über Online-Bezahldienste | |
und mobile Payments um 98 Prozent gegenüber dem Vorjahr]. Paypal und Klarna | |
wurden demnach bei 67 Prozent der Beschwerden in dem Bereich genannt. Dabei | |
ging es vor allem um Rechnungsstellung und Inkasso (46 Prozent) und | |
unlautere Geschäftspraktiken (20 Prozent). | |
Mittlerweile ist auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht | |
(Bafin) auf die Dienstleister aufmerksam geworden – und das könnte auch an | |
der Videoplattform Tiktok liegen. Unter Hashtags wie #klarna oder | |
#klarnaschulden posten Nutzer:innen in ihren Tiktok-Videos Screenshots | |
von ihren Klarna-Konten – auf denen sich schon mal vierstellige | |
Schuldensummen angehäuft haben. | |
Das Problem: Die Option „buy now pay later“, bei der Kund:innen entweder | |
in Raten zahlen oder die Rechnung bis zu 30 Tage nach dem Versand der Ware | |
begleichen können. „Diese Buy-now-pay-later-Angebote sind bequem. Wenige | |
Klicks reichen, und die Zahlung ist auf später verschoben“, [7][warnt die | |
Bafin]. Da falle es mitunter schwer, den Überblick zu behalten. Die | |
Verbraucherschützer:innen von Finanztip raten ganz davon ab, die | |
Ratenzahlungsfunktion zu nutzen – die dafür fälligen Zinsen und das Risiko | |
sich zu verschulden seien zu hoch. | |
Für Verbraucher:innen empfiehlt es sich also, auf andere Zahlungswege | |
zu setzen. Alternativen gibt es viele – doch nicht immer werden alle | |
Zahlungsarten angeboten und nicht alle sind empfehlenswert. Wer etwa auf | |
Paypal oder Amazon Pay setzt, gibt umfangreiche persönliche und | |
Zahlungsdaten an ein US-Unternehmen. Aus Verbrauchersicht ist der Kauf auf | |
Rechnung meist der beste – der setzt aber häufig voraus, dass der | |
Online-Händler eine Schufa-Abfrage vornimmt, um sich abzusichern. Darüber | |
werden die Kund:innen nicht immer informiert. | |
Auch das Lastschrift-Verfahren ist für Kund:innen günstig – gibt es hier | |
Ärger, weil der Händler etwa Geld abbucht, aber keine Ware schickt, lässt | |
sich die Zahlung zurückbuchen. Deshalb bieten viele Händler diesen Weg gar | |
nicht an. Vorkasse ist für die Kund:innen das größte Risiko – im | |
schlechtesten Fall ist das Geld einfach weg. Ein Mittelweg sind in der | |
Regel Zahlungen per Kreditkarte. Ein Verbund deutscher Banken und | |
Sparkassen bietet einen eigenen Zahlungsdienst an: Giropay. Die | |
Datenschutz-Standards sind hier höher als bei Klarna oder Paypal – dafür | |
ist das Verfahren deutlich weniger verbreitet. | |
29 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /padeluun-ueber-maechtige-Tech-Konzerne/!5804031 | |
[2] https://www.sofort.com/payment/wizard/getCmsContent/data_protection/DE/0/de | |
[3] https://www.klarna.com/at/kundenservice/wie-kann-ich-die-loschung-meiner-pe… | |
[4] https://www.spiegel.de/netzwelt/web/klarna-telefonnummern-von-kunden-waren-… | |
[5] https://www.imy.se/en/news/administrative-fine-against-klarna-after-investi… | |
[6] https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/beschwerden-zu-digitalen-bezahldiens… | |
[7] https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/Aktuelles/verbraucher_bnpl.html | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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