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# taz.de -- Philippinische Präsidentschaftswahlen: Präsident Diktatorensohn
> Die Wahl in den Philippinen steht an. Präsident wird wohl Sohn des
> Diktators Ferdinand Marcos Sr., Vize die Tochter des amtierenden Rodrigo
> Duterte.
Bild: Unterstützer:innen halten ein Porträt von Ferdinand Marco Jr. hoch
Berlin taz | Gibt es nicht noch ein Wunder, wird an diesem Montag Ferdinand
„Bongbong“ Marcos Jr. zum Präsidenten der Philippinen gewählt. In Umfragen
führt der 64-jährige Sohn des früheren Diktators Ferdinand Marcos deutlich
vor Gegenkandidatin Leni Robredo. Die 57-Jährige versuchte zuletzt noch mit
Massenkundgebungen – wie am Samstag in Manilas Geschäftsviertel Makati –
Marcos Paroli zu bieten, der einen erfolgreichen Internetwahlkampf führte.
„Das wäre der Gipfel der politischen Ironie, würde im 50. Jahr nach der
Verhängung des Kriegsrechts ein weiterer Ferdinand Marcos im
Präsidentenpalast sitzen“, meint der Politikprofessor [1][Julio Teehankee]
von der De-La-Salle-Universität in Manila.
Marcos bezeichnete seinen [2][Vater] als „politisches Genie“ und
distanzierte sich nie von dessen Verbrechen. Der war nach zwei Jahrzehnten
an der Macht 1986 von einem friedlichen Volksaufstand gestürzt worden. Die
Marcos-Familie floh nach Hawaii und kehrte nach dessen Tod zurück. Seine
Witwe Imelda, Tochter Imee und Sohn Ferdinand Jr. hatten seitdem zahlreiche
politische Ämter inne. Es gab Dutzende Anklagen wegen Korruption,
Ämtermissbrauch und Menschenrechtsverletzungen. Doch trotz einiger
Schuldsprüche und laufender Berufungen kam bisher kein Mitglied der Familie
Marcos ins Gefängnis.
Dies ermöglichte – zusammen mit der weit verbreiteten Desillusionierung
über die regierende Elite, die das Land zu einer Hauptquelle globaler
Arbeitsmigration machte – Marcos’ massive Geschichtsklitterung. Mit Hilfe
von Trollen und Influencern in den sozialen Medien schuf er den Mythos
einer goldenen Zeit unter seinem Vater. Der habe mit
Infrastrukturinvestitionen dem Land Aufschwung und Stolz gebracht. Die
hohe Verschuldung, massive Korruption und 3.240 getötete Oppositionelle
kommen darin nicht vor.
## Marcos Jr. beschwört „Einheit“
Der wegen [3][Steuerhinterziehung] verurteilte Marcos Jr., der auch seinen
akademischen Lebenslauf frisierte – statt eines Abschlusses von der
Universität Oxford, wie offiziell zunächst behauptet, hat er lediglich ein
„Special Diploma“ –, lehnte im Wahlkampf Debatten und Medieninterviews ab.
Er spreche lieber direkt mit dem Volk. Nur die von ihm versprochene
„Einheit“ stärke das Land. Diskussionen über die Vergangenheit hülfen
nicht, und die das anders sähen, seien Störenfriede, die den Philippinen
schadeten. Ein politisches Programm jenseits von Allgemeinem hat Marcos
nicht.
Sein Wahlkampfteam zielte mit Desinformation insbesondere auf Robredo. Die
war 2016 knapp gegen ihn zur Vizepräsidentin gewählt worden. Da Marcos
zuvor in Umfragen geführt hatte, behauptet er bis heute, sie habe durch
Betrug gewonnen. Davon konnte ihn auch nicht das Oberste Gericht abbringen,
das ihre rechtmäßige Wahl bestätigte. Die anderen acht Kandidaten, unter
ihnen Boxweltmeister [4][Manny Pacquiao] und der linke Gewerkschafter Leody
de Guzman, sind chancenlos. Umfragen sehen alle acht zusammen nur bei knapp
über 15 Prozent. Eine Stichwahl gibt es nicht und die Amtszeit ist auf
einmal sechs Jahre beschränkt. Deshalb darf der vulgär-populistische
Amtsinhaber Rodrigo Duterte nicht mehr antreten.
In den von politischen Dynastien dominierten Philippinen treten die
Kandidaten für Präsidentschaft und Vize gemeinsam an, werden aber
unabhängig voneinander gewählt. So wurde die liberale Anwältin Robredo zum
oppositionellen Vize von Duterte. Seinen „Krieg gegen die Drogen“, der bis
zu 30.000 Tote forderte, lehnte sie stets ab.
Marcos verbündete sich jetzt mit Dutertes Tochter [5][Sara Duterte-Carpio].
Die Vizepräsidentschaftskandidatin brachte ihm weitere Popularität. Er kann
auf seine nördliche Heimat zählen; die Hochburg von Duterte-Carpio,
bisheriger Bürgermeisterin der Großstadt Davao, ist der Süden. Gegner
sprechen von einer „Achse des Bösen“ und fürchten, beide werden die bruta…
Politik ihrer Väter fortsetzen und jegliche Aufarbeitung deren Verbrechen
verhindern.
## Robredos Verhängnis: Facebook, Instagram, Youtube, TikTok
Robredo war erst nach dem Tod ihres Mannes, der 2012 bei einem
Flugzeugabsturz ums Leben kam, in die Politik gewechselt. Sie vertritt
rechtsstaatliche Prinzipien und will die Errungenschaften der
Demokratisierung verteidigen. Doch die Mehrheit der Bevölkerung hat die vor
36 Jahren beendete Diktatur nicht mehr erlebt und ist für Marcos’
Geschichtsfälschung empfänglich. Viele glauben, was im Internet steht.
Laut der Statistik-Plattform Statista sind die Menschen in den Philippinen
[6][täglich über vier Stunden] in den sozialen Netzwerken unterwegs, ein
globaler Spitzenwert. Einige Organisationen checken Postings auf Fake News,
für die mehrheitlich Marcos’ Anhänger verantwortlich sind. Doch auf
Facebook, Instagram, Youtube und Tiktok verbreiten sich diese schneller,
als sie entlarvt werden können. Youtube löschte im Januar mehr als 400.000
auf den Philippinen hochgeladene Videos. Doch viele glauben den Lügen gern,
wenn diese ihren Vorstellungen entsprechen.
„Am schlimmsten wäre nicht meine Wahlniederlage, sondern dass der andere
Kandidat durch Desinformation gewinnt“, sagt Robredo. Dann „wird dies die
Formel für alle künftigen Wahlen sein“. Sie selbst hat stark in Werbung auf
Facebook investiert, doch dank Marcos’ Heerschar von Bloggern ist das
Internet zu seiner mächtigsten Waffe geworden.
9 May 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/channel/UCPnHjrPCkUfA1gNbWVVc9cg
[2] https://www.deutschlandfunk.de/ferdinand-marcos-autokratischer-despot-auf-d…
[3] https://www.rappler.com/plus-membership-program/exclusive-content/backstory…
[4] /Vom-Boxer-zum-Praesidenten/!5791315
[5] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2120877-Wie-der-Vater…
[6] https://www.statista.com/topics/6759/social-media-usage-in-the-philippines/…
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Philippinen
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Schwerpunkt Feministischer Kampftag
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