# taz.de -- Linksbündnis in Frankreich: Aufbruch mit ungewissem Ausgang | |
> Der Linkspopulist Mélenchon möchte in Frankreich Premier werden. Doch | |
> sein Bündnis ist wackelig – und er selbst unter linken Wählern | |
> umstritten. | |
Bild: Jean-Luc Mélenchon auf einem Wahlplakat für die Präsidentschaftswahl | |
Läuft alles nach Plan für den stets selbstbewussten [1][Jean-Luc | |
Mélenchon], dann muss ihn Emmanuel Macron nach den Parlamentswahlen im Juni | |
zum Premierminister Frankreichs ernennen. Fortan wäre der 44-jährige | |
Präsident zu einer ihn in seiner Machtfülle beschneidenden, höchst | |
ungeliebten Polit-WG namens cohabitation gezwungen. | |
Denn die Ziele seiner Mitte-rechts-Partei, die sich just von La République | |
en Marche [2][in Renaissance umbenannt] hat, sind meist diametral | |
entgegengesetzt zu jenen des 70-jährigen Chefs der linkspopulistischen | |
Partei La France insoumise (LFI), der bei der Präsidentschaftswahl nur | |
knapp nicht in die Stichwahl kam. Wo Macron auf mehr Europa, freie Märkte | |
und Atomkraft setzt, will Mélenchon „Ungehorsam“ gegenüber der EU. Er | |
fordert sozialstaatliche Eingriffe und ein Ende der AKWs. | |
Und nun wittert Mélenchon Morgenluft, denn tatsächlich ist etwas fast | |
Unvorstellbares in Frankreich passiert: Die Mehrheit des linken Spektrums, | |
von den Grünen über die Kommunisten bis hin zu den im April kläglich | |
gescheiterten Sozialisten (PS), hat sich unter großen Schmerzenauf [3][ein | |
Bündnis] bereits ab dem ersten der beiden Parlamentswahlgänge geeinigt. Nun | |
hat auch das Führungsgremium des PS der Nouvelle Union Populaire écologiste | |
et sociale (Neue ökologische und soziale Volksunion) zugestimmt. | |
Zwischenergebnis: eine Art politische Plattform mit mehreren hundert | |
Vorschlägen zum Regieren, die am Samstag lanciert wird. Sie kaschiert | |
beredt, dass die Gräben zwischen den Linken immer noch tief sind. Nun | |
sollen Macrons oft unsoziale, repressive und instinktlose Politik sowie die | |
extreme Rechte endlich gemeinsam gestoppt werden. | |
Das ist ein fürwahr begrüßenswerter Ansatz, allerdings bricht dieses | |
Zweckbündnis mit der proeuropäischen Linie der Sozialisten und der Grünen. | |
Mélenchon ist, trotz einiger guter sozialer Ansätze in seiner Partei, ein | |
oft autoritär agierender linker Nationalpopulist. Er stellt französisches | |
Recht vor EU-Recht – ein heikler Kotau also vor einem Euroskeptiker. Dass | |
das linke Bündnis tatsächlich eine Parlamentsmehrheit erreicht, ist zum | |
aktuellen Stand eher unwahrscheinlich. | |
Auch wenn linke Aufbruchstimmung in Frankreich spürbar ist: Zum einen haben | |
[4][Macron und seine Partei in fast der Hälfte der 577 Wahlkreise im April | |
gesiegt], Mélenchon und die anderen Linken kamen auf unter ein Viertel. Und | |
zum anderen spaltet die Person Mélenchons, der bei einer linken Mehrheit | |
wohl Premier werden würde, die Französ:innen. Viele proeuropäisch | |
linksliberal Denkende werden im Juni deshalb nicht für das Linksbündnis | |
stimmen. Entweder sie wählen dann gar nicht – oder sie stimmen | |
zähneknirschend für Macrons Renaissance. | |
7 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlen-in-Frankreich/!5850190 | |
[2] https://www.arte.tv/de/afp/neuigkeiten/macrons-partei-la-republique-en-marc… | |
[3] /Vor-den-Parlamentswahlen-in-Frankreich/!5847794 | |
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Frankreich/!5850171 | |
## AUTOREN | |
Harriet Wolff | |
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