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# taz.de -- Umweltpolitiker Josef Göppel gestorben: Grünes Gewissen der CSU
> Josef Göppel war Konservativer – und machte sich Zeit seines Lebens für
> die Umwelt stark. Nachruf auf einen unbeirrten Weltretter.
Bild: Unbeirrbar in seinen Überzeugungen: CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel is…
Oft hat Josef Göppel diese Frage gehört, auch von mir: „Was machen Sie
eigentlich in der CSU?“. Das aber wusste der Franke ganz genau: aus einem
konservativen Weltbild heraus die Umwelt, „Gottes Schöpfung“, wie er sagte,
bewahren. Dafür hat Josef Göppel jahrzehntelang gekämpft, im Stadtrat,
Bezirkstag, im bayerischen Landtag und im „Deutschen Verband für
Landschaftspflege“, 15 Jahre im Bundestag, in und vor allem gegen seine
eigene Partei. Diese Auseinandersetzungen gehen weiter, aber Josef Göppel
kämpft nicht mehr. Das grüne Gewissen der CSU ist am 13. April mit 71
Jahren gestorben. Wir verlieren einen zähen und unbeirrten Weltretter.
Seine innerparteilichen Gegner nannten Göppel „einen Solitär“ – ein
vergiftetes Kompliment. Der CSU-Abgeordnete war stolz darauf, viermal
seinen Bundestags-Wahlkreis Ansbach direkt gewonnen zu haben, jeweils mit
einem besseren Ergebnis als die CSU bei den Zweitstimmen. Aber in Berlin
war er in der Unionsfraktion isoliert. 28-mal in seiner Laufbahn als
Parlamentarier stimmte er mit Grünen und SPD und gegen seine Partei: für
das EEG, für den Atomausstieg, für ein Tempolimit, gegen Glyphosat. Was ihm
Parteifreunde als Verrat auslegten, fand er „ziemlich moderat“ für einen
Abgeordneten mit eigenem Kopf und unabhängigem Gewissen.
Direkt genützt hat es wenig: [1][die Unionsfraktion seiner Zeit war den
Industrie-, Agrar- und Energielobbies ausgeliefert]. Göppel hat es nicht
geschafft, genügend ökobewusste Unionsleute zusammenzubringen, um ein
Gegengewicht zu bilden. „Meine große politische Niederlage“ nannte er das.
Fachlich war Göppel stets auf der Höhe. Er war Förster, und das mit Leib
und Seele. Wer die Chance hatte, ihn einmal in seinem heimatlichen
Steinbachwald zu begleiten, der merkte, wie dort der Ärger aus Berlin und
die Sorgen um die Zukunft von ihm abfielen. Er kannte jeden Baum mit
Vornamen und schwärmte von der Vitalität der Natur. Aber der Wald war für
ihn Rückzugsgebiet, nicht nur im spirituellen Sinn: „ich wusste immer, wenn
das in der Politik schiefgeht, kann ich hier sofort wieder arbeiten. Das
hat mich wirtschaftlich unabhängig gemacht.“
Göppel, geboren 1950, trat 1970 gleichzeitig in die CSU und den Bund
Naturschutz ein. Jahrelang zwang ihn eine schwere Nierenkrankheit
regelmäßig ins Krankenhaus. Er nutzte die Dialyse-Sitzungen zum
Aktenstudium – und verpasste die Chance zum Biertrinken und Netzwerken mit
den anderen Abgeordneten. 2017 kandidierte er nicht mehr fürs Parlament. Es
war genug, fand er – wer immer über Maßhalten und die Grenzen der
Belastungsfähigkeit redete, sollte das auch für sich selbst anerkennen,
sagte er mir bei einem Besuch. Das aber hieß nicht, dass er im heimischen
Herrieden auf dem Sofa saß oder seiner Frau die Arbeit im Garten streitig
machte.
Im Gegenteil: [2][Als unbezahlter „Seniorexperte“ machte sich Göppel auf,
um die Energiewende in Afrika voranzubringen]. Mit seiner grünen
Amtskollegin Bärbel Höhn reiste er durch den Kontinent, ließ sich Projekte
zeigen, organisierte Ausbildungschancen für junge Leute in den erneuerbaren
Energien. Göppel hatte in seinem Wahlkreis gesehen, wie gut Landwirtschaft
und Erneuerbare zusammenpassen, wie viel Geld Landwirte mit Solardächern
verdienen können, wie gut Öko der Wirtschaft tun kann.
## „Ein umweltpolitischer Visionär“
Josef Göppel war ein Konservativer, wie man sie leider kaum noch findet:
Verankert bei den Menschen seiner Heimat, in der seine Familie seit 1582
lebte; verwurzelt in seinem christlichen Glauben; mutig genug für
jahrelangen offenen Widerspruch bei seinen engsten BerufskollegInnen;
unbeirrbar in seinen Überzeugungen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen
wichtiger sind als das schnelle Geld; verärgert über seine Parteifreunde,
die das andersherum sahen. Und lernfähig genug, die Ansichten seiner Frau
und seiner vier Töchter in seine Politik einfließen zu lassen.
Bayerns Ministerpräsident Söder, „der Markus“, wie Göppel sagte, nannte …
in einem Nachruf einen „umweltpolitischen Visionär“, der seine Partei
„geprägt, geprüft und oft auch vorangetrieben hat“. Alles richtig. Söder
meinte aber auch, Göppel sei „seiner Zeit voraus gewesen“. Ganz falsch:
[3][Josef Göppel war immer genau auf der Höhe der Zeit. Nur die anderen
waren weit, weit zurück.]
15 Apr 2022
## LINKS
[1] /Klima-Bilanz-der-Merkel-Aera/!5624314
[2] /Zu-konservativ-fuer-die-CSU/!5489575
[3] /Abstimmung-ueber-die-Frauenquote/!5069443
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Wir retten die Welt
Nachruf
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Naturschutz
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Schwerpunkt Hambacher Forst
Schwerpunkt Klimawandel
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