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# taz.de -- Heino-Jaeger-Ausstellung in Stade: Einer, der herumpult
> Doch, der konnte was: Enorm materialreich würdigt das Kunsthaus Stade den
> Meta-Komiker Heino Jaeger als bildenden Künstler.
Bild: Könnte ganze Geschichten erzählen: unbetiteltes und -datiertes Bild von…
Hamburg taz | Geschenk der Komik-Götter, verschwendet an seine
verständnislosen Landsleute? Ewiger Geheimtipp in Kollegenkreisen, ja:
Deutschlands Comedians’ Comedian? Genialer Außenseiter-Dilettant mit
Nazi-Fimmel – oder einer, der einfach immer wieder herumgepult hat in den
allerdeutschesten Wunden, auf dass sie nicht diskret verheilen mögen?
Es ist gar nicht so wenig nachgedacht und gesagt und geschrieben worden
über Heino Jaeger. Seit den Nullerjahren ungefähr hat [1][eine Handvoll
teils prominenter Freunde und Verehrer] immer wieder erinnert an diesen
Typen, geboren 1938 im wenig später Hamburg eingemeindeten Harburg,
gestorben 1997 als Psychiatrie-Patient in Bad Oldesloe. Befeuert haben die
kleine Rückbesinnung auf den schrägen Vogel [2][Leute wie Olli Dittrich]
und Rocko Schamoni; weniger, weil sie die eigentliche Arbeit geleistet
hätten, umso mehr durch ihre relative Prominenz und Reichweite.
Durch – mutmaßlich – staubige Hörfunkarchive gruben sich aber zuerst
andere: Der Hohenlockstedter Rätselerfinder (und gelegentliche taz-Autor)
[3][Christian Meurer] machte etliche manchmal nur noch matt, aber doch
glänzende Perlen des Jaeger’schen Radioschaffens aus den 1970er-Jahren
wieder verfügbar.
## Nicht nur Hörfunker
Für eine Weile jedenfalls: Von mehreren [4][CD-Zusammenstellungen mit
Jaegers pointenfreien Kleinstgrotesken] ist manche schon wieder nur
antiquarisch zu haben (oder als Stream). Quasi vergriffen ist auch [5][das
lange Zeit einzige Buch] über und mit Jaeger, eine Mischung aus Biografie,
Würdigung und Werkauswahl. Auch daran war Meurer beteiligt, aber vor allem
Joska Pintschovius, lange Jahre Freund und Unterstützer und Vormund
Jaegers.
Jaeger aber war ja nicht nur Hörfunker und darin zeitweise Protegé
Hanns-Dieter Hüschs sowie später eine Art [6][Über-Vorbild der Hamburger
Hörspiel-Humoristen Studio Braun]. Viel länger hat er gezeichnet und
gemalt, hatte das sogar richtig studiert, [7][am Hamburger Lerchenfeld]. An
diesen Jaeger erinnert noch bis Anfang Juni eine gelungene, materialreiche
Ausstellung im Stader Kunsthaus: Mehr als 300 Arbeiten sind dort nun zu
sehen, und die lesenswerte Begleitpublikation berücksichtigt davon sogar
noch mehr.
Was da nun hängt, reicht von Kinderzeichnungen und Musterübungen über
stilistisch irrlichternde, aber handwerklich bemerkenswerte Arbeiten, die
während des Studiums entstanden; die so bestechend altmodischen
Ansichtskarten nachempfundenen Zeichnungen von architektonischen Objekten,
von denen nicht alle auch existiert haben; auch die merkwürdigen „Asiatika“
oder seine wachsende Faszination an – männlichen – Geschlechtsteilen sind
berücksichtigt.
Dass so viel zusammenkam, ist für sich genommen schon bemerkenswert. Denn
lange war davon ausgegangen worden, dass Jaegers Bilder bei einem – selbst
verursachten – Wohnungsbrand zerstört wurden. Dem Feuer fielen wohl auch
zahlreiche Arbeiten zum Opfer. Wenn heute aber eine vierstellige Zahl von
existierenden bekannt ist, muss der „manische Zeichner“ noch viel
produktiver gewesen sein als gedacht.
Im Katalog erzählt das Kurator*innenteam Sebastian Möllers, Veronika
Schöne und Regina Wetjen davon, wie das Haus erstmals Jaeger zeigte: 2018
war das, im Rahmen der [8][Ausstellung „Der naive Krieg“]. Der Krieg und
seine Darstellung, auch seine Hinterlassenschaften: Das alles ist nun
wirklich ein Sujet Jaegers. Was sich ganz banal biografisch erklären lässt:
Im Jahr 1943 ging die Familie ausgerechnet nach Dresden.
Dort lebten die Jaegers auch im Februar 1945 noch, während des Höhepunkts
der Bombardierung. Später gefiel er sich dann mit Aussagen wie der, dass er
keine Landschaft genießen könne, in der man gleich den nächsten Supermarkt
sehen könne – da wäre „eine Flugabwehrkanone oder so was“ doch viel
schöner. Eine Ausstellung in Berlin betitelte er 1972: „Ein Maler des
Deutschen Reiches stellt in der ehemaligen Reichshauptstadt aus!“
## Eine Linie führt zum Punk
Nun waren Jaeger und seine überschaubare Entourage dem Zeitgenössischen
demonstrativ abgeneigt, kokettierten mit lang zurückliegenden, vermeintlich
besseren Zeiten, aber viel mehr ästhetisch-kulturell als explizit
politisch. Und doch: Jaegers nicht erkennbar theoretisch unterfüttertes
Kitzeln an der damals noch viel jüngeren deutschen Geschichte, seine
Weigerung, den Blick stur nach vorn zu richten, weil er nach hinten auf
verkohlte Leichenberge fallen würde: Das hatte auf eine verschraubte Weise
etwas vom Umgang mit Scham und Verdrängung, die auch der Punk aufgriff.
Damit noch mal zurück zu Rocko Schamoni: Der hat sein Interesse an Jaeger
zuletzt doch in sehr konkrete Arbeit übersetzt. Sein jüngster Roman „Der
Jaeger und sein Meister“, 2021 erschienen, handelt von Jaeger und seinem
Freund Pintschovius (und irgendwie auch von Schamonis Vater).
Und es kommt noch mehr: Dass er an einem Spielfilm über Jaeger arbeite, hat
Schamoni schon vor Jahren erzählt. Ob der Anfang Juli anstehende 25.
Todestag so ein Projekt befördern kann? Terminlich darauf abgestimmt ist,
was dieser Tage der Presse vorgestellt wurde: [9][ein Jaeger gewidmetes
Festival – künstlerische Leitung: Rocko Schamoni – sowie eine weitere
Ausstellung]; in Harburg, im ehemaligen Helms-Museum. Da also, wo Jaeger
jahrelang im Keller saß und Fundstücke zeichnete. Der Vorverkauf beginnt am
3. Mai.
24 Apr 2022
## LINKS
[1] /!862744/
[2] https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=h1aCh-l4E18
[3] http://www.christian-meurer.de/
[4] /!1208159/
[5] /!519125/
[6] https://www.deutschlandfunk.de/mein-klassiker-studio-braun-heino-jaeger-war…
[7] /Hochschule-fuer-bildende-Kuenstler-in-Hamburg-feiert-250-Jaehriges/!5424979
[8] /!5553202/
[9] https://amh.de/heino-jaeger/
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Humor
Hamburg
Hörfunk
70er
Satire
Ausstellung
Kunst
Rocko Schamoni
Popgeschichte
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