Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausstellung „The Thing is“ in Osnabrück: Aufmarsch der Kompost…
> Das European Media Art Festival beschäftigt sich in der Ausstellung „The
> Thing is“ mit den Verbindungen zwischen den Menschen und der Welt der
> Dinge.
Bild: Irritierend fremd: die digital erzeugten fleischlichen Formen des Werks �…
„The Table, that eats itself“! Was für ein Titel für ein Kunstwerk. Und
tatsächlich wird geliefert, was versprochen wird: Die „lebendige Skulptur“
der Künstlerin Valentine Karga besteht aus einem Tisch aus organischem
Material, das sich langsam in Kompost zersetzen wird. Mit diesem Werk wird
originell und augenscheinlich das Thema „The Thing is“ des diesjährigen
European Media Art Festival in Osnabrück auf den Punkt gebracht.
Das [1][European Media Art Festival] ist am Sonntag zwar zu Ende gegangen,
doch sein Kernstück ist seit vielen Jahren die [2][Ausstellung in der
Kunsthalle], die in einer ehemaligen Klosterkirche des Dominikanerordens
beheimatet ist. Die diesjährige Ausstellung kann noch bis zum 29. Mai
besucht werden, und bis dahin wird sich der Tisch wohl auch schon sichtbar
kannibalistisch dezimiert haben.
Denn trotz des spektakulären Titels wirkt „Der Tisch, der sich selber
aufisst“ in der Ausstellung dann doch eher enttäuschend. Es wird Monate
dauern, bis der Verdauungsprozess vollendet ist. Es passiert also kaum
etwas, das ein Publikum mit den eigenen Augen sehen kann. Eine
Langzeit-Zeitrafferaufnahme wäre später das passende Medium, um diesen
Prozess zu dokumentieren.
Immerhin gab es am Donnerstag ein Ritual, in dem die Künstlerin Valentine
Karga (per Laptop aus Hamburg) feierlich die Selbstvertilgung in Gang
setzte, indem sie durch ein Loch Kompostwürmer in den Tisch schütten ließ.
Ihr Werk bietet eine utopische Lösung für ein Dilemma unserer Zivilisation:
Wir produzieren immer mehr Dinge, die immer schneller obsolet werden und
dann den Planeten immer mehr vermüllen. Möbel, Kleidungstücke oder
technische Geräte, die sich selber auflösen, nachdem sie nicht mehr
gebraucht werden, wären da eine ökologisch sinnvolle Lösung.
## Wie ein Haufen Kartoffeln
Irritierend fremd wirkt das Kunstwerk „Synthetic Seduktion“ der dänischen
Künstlerinnen Stine Deja und Marte Munk. Auf zwei großen Videobildschirmen
werden dort digital erzeugte Körper gezeigt, die mit ihren Brauntönen und
pulsierenden fleischlichen Formen sehr lebendig wirken, wenn sie sich in
endlosen Zyklen umeinander schlingen.
Körper mit dem gleichen Design liegen unter der Installation und diese
Skulptur wiederum wirkt, nun ja, ein wenig wie ein Haufen Kartoffeln. Als
dritten Teil gibt es dazu eine Art Lehrvideo, durch das künstliche
Intelligenzen in mehreren Lektionen lernen sollen, menschlicher zu wirken.
So werden etwa zwei mechanische Greifarme gezeigt, die an einem Strand
versonnen auf das Meer hinauszuschauen scheinen, sich dann einander
zuwenden und ihre Metallfinger ineinander verschränken.
In der Mulitmedia-Installation „Zen for Hoejabi“ nutzt die albanische
Künstlerin Anna Ehrenstein konsequent neue digitale Medien, um so den
Begriff der Authentizität zu untersuchen. Ihre Videoarbeiten lässt sie als
Loops auf zwei Smartphones abspielen, ihr Selbstporträt besteht aus zwei
3D-gedruckten Büsten und auf Lentikulardrucken zeigt sie gefälschte Waren
aus der Modebranche.
Eine Reihe von anderen Werken in der Ausstellung sind dagegen eher
inhaltlich als stilistisch überzeugend. So gibt es etwa einige im Grunde
konventionelle Videos, die als Installationen präsentiert werden. „Forrest
Law“ von Ursula Biemann und Paulo Tavares könnte zum Beispiel auch in
ähnlicher Form als Dokumentation im Fernsehen laufen. Und dennoch passt die
Arbeit perfekt in die Ausstellung, denn hier wird davon erzählt, wie die
indigenen Bewohner des Regenwalds von Ecuador vor einigen Jahren vor
Gericht zogen, um die Rechte des Waldes einzufordern. Tatsächlich wurde
dort die Natur als Rechtsperson anerkannt und multinationalen Konzernen
verboten, in dieser Region Mineralien abzubauen.
Mit den Mitteln des animierten Erklärfilms für Kinder präsentiert der
Konzeptkünstler Leon Kahane schließlich in „Jerrycans to Can Jerry“ eine
komische und informative Geschichtsstunde. Als eher grob ausgeführte
Animation tritt dort der „Wehrmachts-Einheitskanister“ als ein britischer
Opa im Ohrensessel und rauchender Pfeife in der Hand auf, um die Geschichte
dieses deutschen Kriegsprodukts zu erzählen.
Ursprünglich von sowjetischen Kriegsgefangenen gebaut, war der Kanister
auch 20 Jahre nach dem Krieg noch ein Erfolgsartikel der Firma Brose in
Coburg. Heute sind die Kanister in der Prepper-Szene wieder sehr beliebt,
weil in ihnen gut Wasser und Benzin für die Zeiten nach dem Untergang
gehortet werden können. Exemplarisch wird hier am Beispiel eines Dings von
Ingenieurskunst, Kriegstechnologie, Kriegsverbrechen und der heutigen
Schwurbler-Szene erzählt. That’s what the thing is.
25 Apr 2022
## LINKS
[1] https://www.emaf.de/
[2] https://www.emaf.de/sektionen/#section_2
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Ausstellung
Medienkunst
Osnabrück
zeitgenössische Kunst
Medienkunst
Medienkunst
Medienkunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
European Media Art Festival in Osnabrück: Kunst nur für Durchblicker
Die Ausstellung „Trembling Time“ ist das vielgliedrige Herzstück des
diesjährigen European Media Art Festivals – und gibt sich äußerst
abweisend.
Subversive Medienkunst: Labor für produktive Verstörung
Das European Media Art Festival in Osnabrück beschäftigt sich dieses Jahr
unterm Titel „Wild Grammar“ mit dem Aufbegehren.
Kunst und Wahrheit: Medienkunst im Fake-News-Zeitalter
Das European Media Art Festival (EMAF) in Osnabrück macht bei seiner 30.
Ausgabe die Reizüberflutung der Medien zum Thema
Osnabrück zeigt Medienkunst aus Japan: Die Unumkehrbarkeit der Zerstörung
Bis Sonntag läuft in Osnabrück das 24. European Media Art Festival. Die
Videos und Installationen stehen auch für eine Trendwende in der
Medienkunst - weg vom Experimentellen, hin zu den Inhalten. Da trifft es
sich gut, dass Japan der Themenschwerpunkt ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.