# taz.de -- Osnabrück zeigt Medienkunst aus Japan: Die Unumkehrbarkeit der Zer… | |
> Bis Sonntag läuft in Osnabrück das 24. European Media Art Festival. Die | |
> Videos und Installationen stehen auch für eine Trendwende in der | |
> Medienkunst - weg vom Experimentellen, hin zu den Inhalten. Da trifft es | |
> sich gut, dass Japan der Themenschwerpunkt ist. | |
Bild: Explodierende Zeitstrukturen: Norimimchi Hirakawas "The Irreversible". | |
OSNABRÜCK taz | Natürlich denkt doch jeder an die Naturkatastrophe und den | |
Super-GAU. Dabei hat der Themenschwerpunkt "Japanese Media Art Now" auf dem | |
European Media Art Festival (EMAF) damit nichts zu tun. "Alle Projekte, die | |
wir hier präsentieren, haben wir uns schon im letzten Jahr vorgenommen", | |
versichert Hermann Nöring von der Festivalleitung. Der eigentliche Anlass | |
für den Japanschwerpunkt sei das diesjährige Jubiläum "150 Jahre | |
Deutsch-Japanische Freundschaft". | |
Doch der Gedanke an die großen Zerstörungskräfte lässt sich bei einem | |
Rundgang durch die diesjährige EMAF-Ausstellung "Planet M" in der | |
Osnabrücker Kunsthalle Dominikanerkirche nur schwer ausschalten. Schon gar | |
nicht, wenn eine Videoinstallation "The Irreversible" heißt und auch noch | |
das Explodieren grafischer Strukturen zeigt. Das geschieht hier im | |
Rückwärtsgang. Und so formen sich aus chaotisch verwirrten weißen Fäden | |
alle paar Sekunden feste, mehreckige Körper. | |
Künstler Norimichi Hirakawa schüttelt erstaunt den Kopf, wenn er gefragt | |
wird, ob er selbst im Nachhinein einen Bezug zwischen seinem Video von 2010 | |
und der aktuellen Situation in seinem Land herstellen würde. Ihm gehe es um | |
die Konstruktion der Zeit, erklärt der in Tokio lebende Hirakawa, der für | |
drei Tage nach Osnabrück gekommen ist. Die Zeit allerdings lässt sich nicht | |
zurückdrehen. Und so bleibt der Gedanke an die unumkehrbare Zerstörung | |
irgendwie doch. | |
Fair ist es sicher nicht, die japanischen Festivalbeiträge nur aus der | |
Perspektive des Erdbebens vom 11. März und seiner fatalen Folgen zu sehen. | |
Da mögen die Schatten von Ryoto Kuwakubos "The Tenth Sentiment" noch so | |
gespenstisch sein - der Künstler macht nichts anderes, als eine beleuchtete | |
Modelleisenbahn durch eine Landschaft aus Haushaltsgegenständen fahren zu | |
lassen. Das fahrende Licht in dem dunklen Raum wirft sich ständig | |
verändernde Schatten von Sieben, Rohren und auch den Besuchern, die in der | |
Installation stehen, an die Wand. Eine erstaunlich einfache Idee im oft so | |
hoch technisierten Genre Medienkunst. | |
Das unterliegt derzeit einem Trendwechsel, wie viele Beiträge beim 24. EMAF | |
zeigen. "Die Medienkunst ist inhaltlicher geworden", sagt Hermann Nöring. | |
War die Auseinandersetzung mit jungen Medien wie der Videokunst in den | |
90ern sehr formal und experimentell, entdecken die KünstlerInnen nun | |
Themen. | |
Explizit politisch etwa sind die Beiträge des Programms "Arab Video Art" | |
gemeint - viele junge Künstler beteiligen sich an den derzeitigen | |
Revolutionen. Die seit Mitte der Nuller Jahre entstandenen Arbeiten seien | |
"Beispiele für das gesellschaftliche Engagement der jungen, arabischen | |
Künstlergeneration", steht im Katalog. Besonders das relativ unaufwändige | |
Video ist zu einem wichtigen künstlerischen Mittel dieser Generation | |
geworden. | |
Neben den jungen KünstlerInnen haben auch die etablierten ihren Platz, das | |
war schon immer so beim EMAF. So gibt es diesmal etwa eine Retrospektive | |
des amerikanischen Avantgarde-Filmemachers Standish Lawder, der auch nach | |
Osnabrück kommen wird. Gezeigt werden seine Filme aus den 60er und 70er | |
Jahren, der Blütezeit der Experimental-Filmbewegung in den USA. Damals | |
setzten die Künstler sich vom typischen Erzählstil Hollywoods ab und | |
orientierten sich an der Malerei und Bildhauerei. Auch andere renommierte | |
KünstlerInnen werden kommen, etwa die in Berlin lebende Candice Breitz, die | |
für die Ausstellung den Beitrag "The Character" gemacht hat. Darin lässt | |
sie fünfzehn indische Kinder Figuren aus verschiedenen Bollywood-Filmen | |
beschreiben. | |
Narration ist in der Medienkunst ein wichtiges Thema geworden. Nicht | |
umsonst heißt eine Unterkategorie der Ausstellung "Moving Stories". Sechs | |
europäische Kunstinstitutionen haben für das von der EU geförderte Projekt | |
Beiträge produziert. Dazu gehört auch der unbetitelte Beitrag von Nicolas | |
Provost, der rein illustrierende Werbebilder von Flugzeugen zu einer | |
Erzählung zusammengeschnitten hat und im Off ein Paar von seinem Flug in | |
den Urlaub erzählen lässt. | |
Solche idyllischen Bilder geben allerdings nicht den Ton in der Ausstellung | |
an, Krieg und Katastrophe sind immer wieder präsent. Die Medienkunst, das | |
zeigt sich hier, ist melancholischer geworden. So zeigt der in Frankreich | |
lebende Rumäne Mihai Grecu in "Under the centipede sun" eine verwüstete und | |
menschenleere Landschaft nach einem Krieg. | |
Und selbst dort, wo niemand an Zerstörung denkt, taucht das Thema auf: | |
Unter dem Titel "H-Shima" zeigt der französische Student Jean Bonichon eine | |
Uhr, an der sich statt der Zeiger das Zifferblatt bewegt. Die Zeit, die sie | |
anzeigt, verweist auf ein grausames Ereignis: Um 8.15 Uhr warf der | |
amerikanische Kampfflieger Enola Gay seine Atombombe über Hiroshima ab. | |
Bonichon lässt die Uhr zudem rückwärts laufen - vielleicht ein geheimes | |
Aufbegehren gegen die Unumkehrbarkeit der Ereignisse. | |
27 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Anne Reinert | |
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