# taz.de -- Unwetter und Überschwemmung: Südafrikas tödliche Heimsuchung | |
> Über 450 Menschen sterben durch Regen und Überflutung in und um Durban. | |
> Die südafrikanische Küstenstadt ist bereits von Covid gebeutelt. | |
Bild: Was nach der Überschwemmung noch übrig ist: Erdmassen und zerstörte H�… | |
Durban taz | „Erst Covid, dann die Unruhen und jetzt das“: Die Klage von | |
Fernaaz Hussain fasst zusammen, wie sich Südafrika angesichts des | |
zweifellos schrecklichsten Jahres seit dem Ende der Apartheid fühlt. Die | |
Zahl der Toten nach den schlimmsten Fluten seit 60 Jahren hat die Marke von | |
450 überschritten. Erst im [1][vergangenen Juli hatten schwere Unruhen und | |
Plünderungen] weit über 300 Tote gefordert, und die Covid-19-Pandemie hat | |
mittlerweile [2][über 100.000 Menschen] in dem Land mit knapp 60 Millionen | |
Einwohnern getötet. | |
Hussain ist Sprecherin des Hilfswerks Islamic Relief South Africa in | |
Durban, dem Epizentrum aller drei Katastrophen. Sie erinnert sich, wie sie | |
Anfang der Woche vor Ostern ihre Tochter von der Schule abholte, wo das | |
Wasser so schnell anstieg, dass es schon durch die Türen drückte. Auf dem | |
Heimweg waren mehrere Straßen unpassierbar. Sie schaffte es mit dem Kind | |
nach Hause, aber „es wurde einfach immer schlimmer, ich habe so etwas noch | |
nie erlebt.“ | |
Islamic Relief war eine der ersten Hilfsorganisationen, die sich um die | |
Flutopfer kümmerten, berichtet Hussain: „Unser Personal trotzte dem Wetter | |
und lieferte Essenspakete, Trinkwasser, Matratzen und Decken für Menschen, | |
die alles verloren hatten.“ | |
Sie hat Glück, dass sie überhaupt überlebt hat, um diese Geschichte | |
erzählen zu können. Die Millionenstadt Durban, Touristenhochburg am | |
Indischen Ozean, hat sich von Südafrikas Spielplatz in Südafrikas Friedhof | |
verwandelt. | |
## Leichenhallen überfordert | |
Notdienste, Hinterbliebene und Freiwillige lieferten sich tagelang einen | |
Wettlauf gegen die Zeit, um Überlebende und zumeist Tote aus überschwemmten | |
und zerstörten Häusern zu bergen. Mindestens drei Retter und ein | |
Polizeihund ertranken dabei. Die Leichenhallen der Stadt sind mit Bergen | |
von Toten überfordert. | |
Der Dachverband der Bestatter Südafrikas hat jetzt die Provinzregierung von | |
KwaZulu/Natal (KZN) gebeten, Leichen auch ohne Leichenschau freizugeben. | |
„Wenn man diese Etappe überspringen könnte, könnten die Leichen | |
identifiziert und zur Bestattung freigegeben werden“, sagte Verbandschef | |
Muzi Hlengwa. | |
Doch die Provinzregierung weist die Darstellung, die Leichenhallen seien | |
überfordert, zurück und bittet Hinterbliebene um Geduld. „Wir möchten Ihnen | |
versichern, dass wir das Bestmögliche angesichts der Umstände tun“, sagte | |
KZN-Premierminister Sihle Zikalala. Gesundheitsminister Joe Phaahla sagte | |
am Mittwoch, von 455 geborgenen Leichen seien mittlerweile 377 untersucht | |
worden; die restlichen sollten am Donnerstag drankommen. | |
Während die Flutwasser zurückgehen, steigt nun die Sorge um Korruption bei | |
der Fluthilfe. Die Regierung hat eine Milliarde Rand (60 Millionen Euro) | |
für den Wiederaufbau bereitgestellt, mehrere Länder wollen helfen, und | |
sogar [3][die Afrikanische Union (AU) hat Geld zugesagt]. Doch es gibt | |
Befürchtungen, dass dieses Geld nicht bei denen ankommen wird, die es | |
brauchen. | |
## Erste Korruptionsvorwürfe | |
Südafrika ist bekannt für seine verbreitete Korruption, vor allem in | |
Krisensituationen. Gelder zur Covid-19-Bekämpfung, etwa 4,3 Milliarden | |
US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds, wurden gestohlen, mehrere hohe | |
Politiker wie der zum Rücktritt gezwungene Gesundheitsminister Zweli Mkhize | |
wurden dabei ertappt, wie sie sich daran bedienten. | |
Jetzt wird berichtet, KZN-Provinzpremier Zikalala habe einen ganzen | |
Wassertanker für sich alleine erhalten, während viele Menschen in der | |
Metropole Durban überhaupt keinen Zugang zu Trinkwasser hatten. Zikalala | |
hat sich entschuldigt und den Vorfall damit erklärt, dass der Tanker | |
eigentlich für die gesamte Nachbarschaft gedacht war, aber angeliefert | |
wurde, als er nicht zu Hause war, und daher bei ihm stehen blieb. | |
„Missbrauch von Geldern wird nicht toleriert“, bekräftigte Zikalala vor dem | |
Provinzparlament. „Wir werden mehrere Maßnahmen treffen, um Gelder zu | |
schützen und sicherstellen, dass Aufträge kosteneffektiv und fair erteilt | |
werden.“ | |
Das stellt die Opposition nicht zufrieden. Cilliers Brink von der liberalen | |
Oppositionspartei DA (Democratic Alliance) will nun Vorschläge machen, wie | |
das Parlament die Verwendung von Katastrophenfonds direkt kontrollieren | |
kann. „Präsident Ramaphosa sollte uns gut zuhören, nachdem er die | |
DA-Vorschläge ignorierte, wie man den Missbrauch von Covid-19-Hilfsgeldern | |
verhindert“, sagte er. Auch die südafrikanische Generalstaatsanwalt und die | |
Menschenrechtskommission wollen sich für die korrekte Verwendung von | |
Fluthilfen einsetzen. | |
## Infrastrukturzerstört | |
Denn die Flutwellen haben nicht nur unzählige Häuser mit sich gerissen, | |
sondern auch die Wirtschaft von KwaZulu/Natal schwer getroffen. | |
Lagerhallen, Straßen, Brücken und Eisenbahnlinien sind zerstört, ebenso | |
viele Einrichtungen der Telekommunikation, und viele Menschen können nicht | |
mehr zur Arbeit. Der Papierfabrikant Sappi musste sein Mühlen schließen, | |
seine Lagerbestände sind unbrauchbar. Die Zufahrten zum Hafen von Durban | |
und die Straßen von dort in den Rest Südafrikas wurden weitgehend zerstört, | |
was Südafrikas Außenhandel beeinträchtigt. | |
Durban, Afrikas größter Containerhafen mit einem Warenumschlag von 91,5 | |
Millionen Tonnen im Jahr 2019/20, ist besonders wichtig für den Export | |
verderblicher Agrargüter, die sicher und trocken gelagert und transportiert | |
werden müssen. KwaZulu/Natal an sich ist keine wichtige Provinz für die | |
exportorientierte Agrarproduktion, aber die Häfen der Provinz verbinden | |
Südafrika mit dem Rest der Welt. | |
Südafrikanische Zitrusfrüchte werden über Durban ausgeführt; aus Übersee | |
kommen Lebensmittel wie Reis, Weizen und Palmöl. 75 Prozent der | |
südafrikanischen Agrarproduktion werden auf der Straße transportiert, | |
erläutert Wandile Sihlobo, Chefökonom der Landwirtschaftskammer von | |
Südafrika. Der schlechte Zustand vieler Straßen in ländlichen Gebieten | |
infolge von Schäden durch schweren Regen sei jetzt schon ein Problem. „Die | |
neuen Schäden werden landesweit zu spüren sein“, warnt er. „Südafrika st… | |
am Beginn seiner Exportsaison für Zitrusfrüchte, was die Herausforderung | |
noch größer macht.“ | |
„Die Lage ist sehr ernst und erfordert dringendes Handeln, damit die | |
Landwirte ihre Produkte vermarkten können“, sagte Andrea Campher von der | |
Risikoabteilung des Agrarverbandes Agri SA. Die Reparatur der Straßen zum | |
Hafen von Durban müsse Priorität erhalten: „Unnötige Verzögerungen hier | |
werden Folgen nach sich ziehen, die zu Arbeitsplatzverlusten und | |
Lebensmittelknappheiten führen können.“ | |
22 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bbc.com/news/world-africa-57996373 | |
[2] https://sacoronavirus.co.za | |
[3] https://www.news24.com/news24/africa/news/kzn-floods-african-union-donates-… | |
## AUTOREN | |
Njabulo Buthelezi | |
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