# taz.de -- Gewalt in Südafrika: Füreinander, nicht gegeneinander | |
> In Südafrika rufen gewalttätige Übergriffe gegen Migranten Gegenprotest | |
> auf den Plan. Doch der regierende ANC äußert für die Gewalt Verständnis. | |
Bild: In Südafrika werden immer wieder Migranten für Kriminalität und Armut … | |
Kapstadt taz | Nachdem es in Südafrika gewalttätige Überfälle auf Läden und | |
Hütten von ausländischen Familien gab, erschien am Wochenende | |
Polizeiminister Bheki Cele im Johannesburger Township Diepsloot und | |
versprach mehr Präsenz der Ordnungskräfte, „mindestens zehn zusätzliche | |
Polizeiwagen und hundert Polizisten ab Mitternacht“. Doch für Elvis Nyathi | |
aus Simbabwe kommen diese zu spät. | |
In der Nacht zum vergangenen Donnerstag hörte der 43-jährige Vater von | |
vier Kindern, wie ein Mob aufgebrachter Nachbarn durch die Gegend zog, auf | |
der Suche nach Ausländern ohne gültige Papiere. Zunächst versteckte er | |
sich, dann rannte er um sein Leben. Denn sein Visum war seit dem | |
Coronalockdown nicht verlängert worden. Wenig später wurde er gepackt, | |
verprügelt, mit Steinen beworfen und schließlich schwer verletzt mit | |
Benzin übergossen und angezündet. Die Polizei erschien erst Stunden später. | |
Bis heute wurde für die Tat niemand verhaftet. | |
Angefeuert werden solche Aktionen durch [1][die ausländerfeindliche | |
„Operation Dudula“] und ihren Anführer, den jungen Nhanhla „Lux“ Mohla… | |
Dudula bedeutet „rauswerfen“ auf Zulu – und findet derzeit auch Anhänger… | |
anderen Provinzen Südafrikas. | |
Obwohl Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Selbstjustiz als kriminell | |
verurteilt, relativiert Pule Mabe, Sprecher der Regierungspartei African | |
National Congress (ANC): „Es gibt durchaus Verständnis für Organisationen | |
wie Dudula, solange sie im Rahmen der Gesetze handeln. Im Grunde brauchen | |
wir mehr Stimmen wie diese.“ Auch Innenminister Aaron Motsoaledi tat | |
bislang wenig, um den als „illegal“ attackierten Ausländer*innen zu | |
helfen, die seit zwei Jahren keine Visa verlängern konnten, weil die dafür | |
zuständigen Büros in Lockdownzeiten geschlossen waren. | |
## Menschen in Südafrika protestieren gegen die Gewalt | |
Und doch sprechen sich inzwischen mehr Menschen in Südafrika gegen die | |
ausländerfeindliche Propaganda aus. Seit Februar gibt es die von | |
Menschenrechtsaktivist*innen und Kirchen gegründete Organisation | |
[2][Kaax – „Kopanang Africa Against Xenophobia“]. Kopanang bedeutet auf | |
Sotho „Wir kommen zusammen“. | |
Ihr erster Protestmarsch wurde für den Tag der Menschenrechte am 21. März | |
geplant, [3][aber zunächst von der Polizei verboten], weil Zusammenstöße | |
mit „Operation Dudula“ befürchtet wurden. Dann gab ihnen jedoch ein Gericht | |
recht. Eine ihrer Forderungen auf der Demo war der Rücktritt des | |
Innenministers. | |
Wenig später entstand ein Ableger von Kopanang in einem Township bei | |
Durban. Precious Khanyile und ihre Mutter sind dabei: „Wir wollen friedlich | |
zusammenleben. Wir arbeiten beide in einem kleinen Supermarkt, der einer | |
Familie aus Somalia gehört. Ohne diesen Laden müssten alle Nachbarn weit zu | |
einer Shopping Mall, wo alles viel teurer ist.“ | |
Eine Nachbarin ergänzt: „Es geht ja gar nicht prinzipiell gegen Ausländer, | |
niemand attackiert Touristen. Es geht zuerst gegen andere arme Afrikaner, | |
die wegen Krieg oder Hunger zu uns geflohen sind.“ | |
## „An Armut sind nicht Ausländer schuld, sondern Wirtschaft“ | |
In Soweto meint ein junger Pastor, der nicht namentlich genannt sein | |
möchte: „Es stimmt, dass gerade seit Corona die Armut nochmal schrecklich | |
zugenommen hat. Lebten davor schon 40 Prozent unter der Armutsgrenze, sind | |
es jetzt über 60 Prozent. Das gilt landesweit. Aber daran sind keine | |
Ausländer schuld, sondern eine Wirtschaft, die zuerst Profit will, aber zu | |
wenig Ausbildung und Arbeit für die junge Generation schafft.“ | |
Der Pastor fühlt sich gestärkt durch Aussagen von Bischof Malusi Mpumlwana, | |
Generalsekretär des Rates der Kirchen Südafrikas (SACC): „Wir sind weit | |
entfernt von Erzbischof Tutus Traum einer Regenbogengesellschaft. Unsere | |
erste Aufgabe ist es, eine weitere Polarisierung unserer Gemeinschaften zu | |
verhindern, indem wir Dialoge initiieren, bei denen alle zu Wort kommen und | |
einander zuhören können.“ Trevor Ngwane, einer der Gründer von Kopanang, | |
meint für viele zu sprechen, wenn er sagt: „Wir müssen gemeinsam für Jobs, | |
bessere Schulen und Basisversorgung für alle kämpfen – und nicht | |
gegeneinander.“ | |
12 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Gewalt-gegen-Migranten-in-Suedafrika/!5843467 | |
[2] https://twitter.com/KopanangAfrica | |
[3] /Spannungen-in-Suedafrika/!5842659 | |
## AUTOREN | |
Lutz van Dijk | |
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