# taz.de -- Expo 2020 in Dubai geht zu Ende: Ausbeutung hinter den Kulissen | |
> In Dubai endet die Expo 2020 mit pompöser Show und Feuerwerk. Die | |
> Ausstellung sollte nachhaltiger und fair sein – das hat nicht geklappt. | |
Bild: Für viele ein Highlight der Expo-Abschiedsshow: Pop-Star Christina Aguil… | |
Beirut taz | Mit einer Licht- und Lasershow, emotionaler Musik, drei | |
Feuerwerken und Gesang von Christina Aguilera und Norah Jones ist die | |
Weltausstellung Expo2020 in Dubai zu Ende gegangen. [1][Die Show] passt zu | |
dem Megaevent, das die Organisator*innen als „größte Show aller | |
Zeiten“ anpriesen. Der Minister für Toleranz und Koexistenz, Scheich | |
Chalifa bin Zayid Al Nahyan, sagte zum Abschluss, die Expo habe gezeigt, | |
dass die Vereinigten Arabischen Emirate ein Land der „Toleranz, Koexistenz | |
und Frieden“ seien. | |
Die Emirate haben einen politischen „Soft-Power-Rat“, der das Ansehen des | |
Landes im Ausland als „tolerant“ und „modern“ steigern soll. Die Expo20… | |
ist ein wichtiger Teil dieser Strategie. Doch Glitzer, Glamour und | |
Attraktionen verbergen, auf wessen Rücken das alles gebaut ist. | |
Mehr als 90 Prozent der Beschäftigten im Privatsektor der Emirate sind | |
ausländische Arbeitskräfte. Angaben der Expo zufolge haben 40.000 Menschen | |
die Infrastruktur gebaut, 50 Hauptauftragnehmer und mehr als 2.000 | |
Unterauftragnehmer profitierten von 250 Millionen geleisteten | |
Arbeitsstunden. Der Expo-Manager für „Lernen und Entwicklung“ sagte in | |
einem Presse-Statement: „Unsere Mitarbeitenden konnten so viel von der Welt | |
erleben, und auch Konzerte mit Weltstars zu besuchen – das war eine sehr | |
motivierende Erfahrung.“ | |
## Ausländische Arbeitende sind Zwang ausgesetzt | |
Ein anderes Bild zeichnet die Befragung der Beratungsfirma Equidem mit Sitz | |
in London. Die Arbeitsrechtsgruppe hat mit 69 Arbeiter*innen der | |
Expo2020 gesprochen, die im Gastgewerbe, Einzelhandel, Bauwesen oder in | |
Sicherheitsfirmen arbeiten. [2][In dem Bericht heißt es], dass die Mehrheit | |
Zwangsarbeitspraktiken ausgesetzt ist. Nur einer der befragten | |
Arbeiter*innen war im Besitz seines Reisepasses. Dabei verbietet das | |
Gesetz der Emirate es Arbeitgeber*innen, den Pass ihrer Mitarbeitenden zu | |
beschlagnahmen. | |
Mehr als die Hälfte der Befragten hatte zwischen 50 und 2.069 US-Dollar an | |
Rekrutierungskosten bezahlt, obwohl das nach den Gesetzen der Emirate | |
verboten ist. Zwei Drittel gaben an, dass sie ihre Löhne, Überstunden, | |
Jahreszuschläge oder andere Leistungen nicht immer pünktlich oder | |
vollständig bezahlt bekamen. Eine häufige Beschwerde waren | |
Gehaltskürzungen. Ein pakistanischer Bauarbeiter sagte, er habe über neun | |
Stunden am Tag arbeiten müssen. Die Arbeiter*innen aus Bangladesch, | |
Indien, Kenia, Nepal, Pakistan und sechs afrikanischen Ländern beklagten | |
sich auch über rassistische Diskriminierung. | |
Die Organisator*innen wehren sich gegen die Vorwürfe. Die Expo habe | |
[3][Standards für die soziale Absicherung] etabliert. Dazu zählt eine faire | |
Anwerbung ohne Kosten für die Bewerber*innen, sicherzustellen, dass | |
Mitarbeitende die Bedingungen ihres Arbeitsvertrags verstehen, Löhne und | |
Sozialleistungen pünktlich und vollständig auszuzahlen, den Zugang zu | |
Beschwerde- und Abhilfemechanismen sicherzustellen und keinerlei Zwangs- | |
oder Kinderarbeit zu nutzen. | |
Außerdem wird explizit die Praxis des [4][Kafala-Systems] verboten, die es | |
Arbeitgeber*innen erlaubt, Pässe der Angestellten zu konfiszieren. | |
„Unsere Standards sind in allen Expo 2020-Verträgen festgeschrieben“, hei�… | |
es in einem Expo-Pressestatement. Das Kafala-System ist anfällig für | |
Machtmissbrauch, denn es schreibt jedem ausländischen Arbeitenden einen | |
einheimischen Bürgen vor, meist ist es der Arbeitgebende. | |
Auch von Sub-Unternehmen und Partner*innen der Expo wurde verlangt, sich | |
dessen zu verpflichten. Man habe häufige Inspektionen der Arbeits- und | |
Lebensbedingungen der Arbeiter*innen durchgeführt, so die Expo. „Die | |
Absicherung von Arbeitern ist eine soziale Verantwortung, und es ist fest | |
in unserer Zielsetzung verankert, eine nachhaltige Expo (…) zu | |
veranstalten.“ | |
## Expo-Gebäude sollen von IT-Firmen weiter genutzt werden | |
Zur Nachhaltigkeitsstrategie gehört auch, die Expo-Gebäude weiter zu | |
nutzen. „Über 80 Prozent dieser Strukturen werden zum Distrikt2020 | |
umgebaut“, erklärte die [5][Leiterin des Expo-Nachhaltigkeitskomitees, Dina | |
Storey,] der taz. „Das wird eine neue Smart City. Dass wir das im Vorhinein | |
eingeplant haben, macht die Gebäude nachhaltig.“ | |
Nachdem der Bauboom mit der globalen Finanzkrise 2008 ein zackiges Ende | |
nahm, fokussierte sich die Regierung der Stadt Dubai auf Logistik und den | |
großen Hafen in Jabal Ali. Das „Dubai Multi Commodities Centre“ bietet die | |
Infrastruktur für den globalen Rohstoffhandel, dort ansässige Firmen sind | |
von der Steuer befreit. Dubai soll zudem Drehscheibe für Technologie-Firmen | |
werden, mit schnellem Internet, digitaler Bürokratie und dem weltweit | |
fortschrittlichsten Internet der Dinge (IoT) in der „[6][intelligentesten | |
Stadt der Welt]“. | |
In der „Dubai Internet City“ und der „Dubai Media City“ sitzen IT-Firmen | |
wie Microsoft und IBM sowie Medienorganisationen wie CNN, Reuters und AP. | |
Der Technologie-Park des Expo-Geländes soll zu diesem Wachstum von Dubais | |
Innovationswirtschaft beitragen. In der neuen Smart City sollen Autos | |
automatisch fahren, Start-Ups mit künstlicher Intelligenz, Big Data und | |
Blockchain arbeiten. Wenn Öl und Gas zur Neige gehen, müssen die Stadt | |
Dubai und die Länder auf der arabischen Halbinsel der Welt etwas bieten, | |
das über spektakuläre Architektur hinausgeht. | |
## „System basiert auf Immobilienspekulation“ | |
Doch die Expo hinterlässt eine Infrastruktur, die in Dubai nicht wirklich | |
gebraucht wird, sagt der Architektur-Professor Yasser Elsheshtawy. „Wenn | |
ich mir die Pläne und Vorschläge anschaue, dann folgt das wieder dem | |
gleichen alten Modell, das wir woanders in der Stadt auch sehen: Ein | |
System, das auf Immobilienspekulation und Investitionen basiert; darauf, | |
dass Außenstehende kommen und ihr Geld waschen, um es dann zu investieren. | |
Also es ist nicht vielversprechend und bietet kein neues Urbanitätsmodell | |
an, das wirklich ein Vorbild für eine nachhaltigere Lebensweise sein | |
könnte.“ | |
Er plädiert dafür, lieber die vorhandene Infrastruktur zu verändern: | |
„Bestimmte Gebiete verdichten, die Stadt kompakter gestalten, urbane | |
Zentren fördern und Räume schaffen, die wirklich inklusiv sind für die | |
unterschiedlichen Menschen, die in der Stadt leben: Arbeitende und | |
Dienstleistende, Frauen und Männer, Kinder und Ältere.“ All deren | |
Bedürfnisse müssten berücksichtigt werden, anstatt die Stadt fortlaufend in | |
die Wüste auszudehnen. | |
1 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=i7e4CdS5gtk | |
[2] https://www.equidem.org/reports/exposed | |
[3] https://www.expo2020dubai.com/de/legal/-/media/7B40394058A24EDDA734B137F927… | |
[4] https://www.cfr.org/backgrounder/what-kafala-system | |
[5] https://virtualexpodubai.com/listen-watch/speakers/dina-storey | |
[6] https://u.ae/en/about-the-uae/strategies-initiatives-and-awards/local-gover… | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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