# taz.de -- Expo in Dubai: Glitzer, Sand und Stahl | |
> Die Weltausstellung Expo entwirft in Dubai mit Superlativen und Kitsch | |
> eine Welt der Zukunft. Beinhaltet diese Vision auch Menschenrechte? | |
Dubai taz | Die Türen des weltgrößten Personenaufzuges öffnen sich. Es ist | |
dunkel, in der Mitte des runden Raumes, auf einem Sockel, steht die Statue | |
eines Beduinenmädchens. „Sie repräsentiert die Vergangenheit“, erklärt | |
Meera Aljanahi, die durch den Mobilitätspavillon führt. In dem dunklen | |
Aufzug beginnen LED-Lampen die Farben zu wechseln, während der Lift in die | |
Höhe fährt, Richtung Zukunft. Als er ankommt, hängt ein glitzernder | |
Schmetterling von der Decke, nach dem die Mädchenstatue greift. „Der | |
Schmetterling präsentiert Anpassungsfähigkeit, Mobilität und | |
Transformation“, erklärt die Emiratin Aljanahi. | |
Weltrekorde, Bauwunder und Lichtshows. Die Weltausstellung soll vermitteln: | |
Auf zu neuen Horizonten! Die Pandemie hat die Reise in die Zukunft im Jahr | |
2020 zunächst vermasselt. Doch ein Jahr später geht es jetzt los: Geimpfte | |
oder Getestete können bis März 2022 die Expo2020 sehen. Für die Vereinten | |
Arabischen Emirate (VAE) ist die Weltausstellung ein Aushängeschild. | |
Sie wollen zeigen, wie sie die Zukunft gestaltet haben und gestalten | |
werden. Sie versprechen „die bedeutendste Show aller Zeiten“. Das hat die | |
Emirate knapp 7 Milliarden Euro gekostet. Das soll der Wirtschaft einen | |
[1][Schub von knapp 28 Milliarden Euro] verschaffen und fast 50.000 Jobs | |
jährlich kreieren. Die VAE erhoffen sich, ihr Land in ein positives Licht | |
zu rücken, mehr Tourist*innen anzulocken und einen wirtschaftlichen | |
Aufschwung anzustoßen. Kann dieser Plan aufgehen? | |
Die erste Woche beginnt etwas schläfrig. Die Sonne knallt auch im Oktober | |
noch auf den Asphalt. Morgens sind die Ausstellungsräume leer, erst gegen | |
Mittag bilden sich kurze Schlangen. Die meisten Besucher*innen arbeiten | |
für andere Pavillons oder wohnen selbst in den Emiraten, kaum jemand ist | |
extra angereist. | |
Dabei erhoffen sich die Veranstalter*innen 25 Millionen Besucher, 70 | |
Prozent davon aus dem Ausland. Dafür gibt es ein unglaubliches Aufgebot an | |
Angestellten und Freiwilligen, die den Tag über Fensterscheiben putzen, | |
Türen aufhalten oder Wege erklären. | |
Der 26-jährige João Lopes ist aus Portugal als Tourist nach Dubai gekommen, | |
um die Expo zu sehen. „Leider werden wir nicht lange bleiben und viele | |
Restaurants sind noch nicht offen, das ist ein schlechtes Zeichen“, sagt | |
er. | |
Es hakt noch an vielen Stellen. Im Pavillon Marokkos werden noch | |
Ausstellungsräume fertiggestellt, Israels Pavillon eröffnete erst am Ende | |
der ersten Woche. Sogenannte Trycicles – Elektrofahrräder mit drei Rädern, | |
für die extra eine 330 Meter lange Rennstrecke gebaut wurde – sind noch | |
nicht da, es gäbe Probleme mit dem Sponsoren, heißt es. Das „epochale | |
Banquett“, ein Dinner, das Gerichte aus dem imaginären Jahr 3020 serviert, | |
ist in der ersten Woche nur Freund*innen der Expo vergönnt. Und von einer | |
Architekturtour, die auf der offiziellen Webseite angekündigt ist, weiß das | |
Presseteam nichts. | |
Die Infrastruktur für Journalist*innen hingegen steht. Das | |
Pressezentrum liegt zentral, in dem neunstöckigen Gebäude mit Solarpanels | |
gibt es Workspaces mit Steckdosen, durchsichtiges Plexiglas trennt die | |
Arbeitsplätze voneinander. Strom, Internet und Verpflegung, sogar | |
Interviewräume oder Radiostudios sind kostenlos. | |
Vor allem arabischsprachige Fotograf*innen und Kamerateams arbeiten | |
hier. Die staatliche Zeitung Al-Ittihad hat Personal für den kompletten | |
Zeitraum auf dem Gelände stationiert. Sie sollen über die Shows, Paraden | |
und hohen Besuche berichten. In Elektrobuggies, wie sie sonst auf | |
Golfplätzen zu sehen sind, wird das Medienpersonal zu seinen Terminen | |
gefahren. | |
Die Presseabteilung arbeitet sehr bürokratisch, weswegen Berichterstatter | |
vor Ort oft auf die bereitgestellten ergonomischen Bürostühle und den | |
kostenlosen Kaffee angewiesen sind. Akkreditierungen blieben bis zuletzt | |
ungewiss, weil das Team die Anfragen nicht bewältigen konnte. Auf dem | |
Gelände stehen Journalist*innen zunächst vor den Pavillons – rein kommt | |
nur, wer mit der jeweils zuständigen Ansprechperson geredet hat: Die müssen | |
für jeden Pavillon über Mail angefragt werden und ihr Okay geben, damit | |
Aufnahmen gemacht werden oder Mitarbeitende Touren geben dürfen. | |
Auf die Frage, wieso Journalist*innen trotz Akkreditierung nicht | |
einfach in den Pavillons Menschen nach Interviews fragen dürften, heißt es | |
von einer Mitarbeiterin, so einen Ansatz habe sie noch nicht erlebt. | |
„Alles, was mit Medien zu tun hat, wird in diesem Land erst mal kritisch | |
beäugt“, erklärt ein Mitglied aus dem Medienteam. | |
In Sachen Pressefreiheit stuft Reporter ohne Grenzen die VAE auf Platz 131 | |
von insgesamt 180 ein. „Bei der geringsten Kritik am Regime durch | |
Journalist*innen oder Blogger*innen droht eine Anklage wegen | |
Verleumdung, Beleidigung des Staates oder Veröffentlichung falscher | |
Informationen, die dem Ansehen des Landes schaden sollen, mit der | |
Möglichkeit langer Haftstrafen und Misshandlungen im Gefängnis“, heißt es | |
in der Begründung. | |
Der Blogger Ahmed Mansoor wurde 2017 festgenommen und später wegen der | |
„Beleidigung des Status und des Prestiges der VAE“ zu einer Strafe von | |
250.000 Euro und zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Bin Ghaith, ein Ökonom | |
und Akademiker, bekam im März 2017 wegen kritischer Social-Media-Beiträge | |
auch zehn Jahre Haft. | |
Außenpolitisch sind die Emirate in zwei Kriege verwickelt. In Libyen haben | |
sie Waffen gestellt und Luftangriffe durchgeführt. Im Jemen waren die | |
Emirate Teil der saudi-arabischen Militäroperationen. Sie unterstützen | |
jemenitische Streitkräfte, denen die Menschenrechtsorganisation [2][Human | |
Rights Watch] schwere Misshandlungen vorwirft. | |
Der Pavillon der Emirate ist der größte auf dem Gelände, geformt wie ein | |
Falke im Flug. Journalist*innen dürfen zwar rein, doch filmen, Ton | |
aufnehmen oder Bilder knipsen ist verboten. „Fotos sind nur zum privaten | |
Gebrauch!“, sagt die Presseverantwortliche. Im Inneren türmt sich | |
Wüstensand zu Hügeln. „Willkommen zu der Wüste der Träume“, ist auf eine | |
Sanddüne projiziert. Glasscheiben stecken in den Dünen, darauf projiziert | |
schwarz-weiße Bilder der Gründerväter. Auf einem Sandhügel steht: „Vor 50 | |
Jahren war das alles noch ein Traum.“ | |
Im nächsten Gang hängen große gedruckte Fotos von Familien, „die in den | |
Emiraten ihre Träume verwirklicht haben“, erklärt die | |
Presseverantwortliche. Die Fotos zeigen Mann, Frau und Kinder im | |
Wissenschaftslabor oder im Garten mit Vögeln. Auf einem Bild lacht die | |
erste Feuerwehrfrau der VAE. Zum Abschluss läuft ein Film im integrierten | |
Kinosaal. Darin zeichnet ein Stift Kamele, fliegende Falken und eine | |
aufgehende Sonne. | |
Um sein Image zu schönen, hat das Land extra einen „Soft-Power-Rat“. Dessen | |
Strategie ist, „das Ansehen des Landes im Ausland zu steigern, indem die | |
Identität, das Erbe, die Kultur und die Beiträge der VAE zur Welt | |
hervorgehoben werden“. Der Rat möchte Dubai als „regionale Hauptstadt für | |
Kultur, Kunst und Tourismus“ etablieren und für die VAE den „Ruf als | |
modernes und tolerantes Land“ festigen. | |
Die Stadt Dubai ist der Inbegriff dieses Versprechens: Luxus, Wohlstand, | |
saubere Straßen, moderne Türme und Partys. Um vom Flughafen ans | |
Expo-Gelände zu kommen, braucht es die gesamte rote Metrostrecke: 90 | |
Minuten in der roten Linie, die vollautomatisiert an Ansammlungen hoher | |
Glastürme vorbeifährt. Daneben zieht sich kilometerlang die fünfspurige | |
„Sheikh Zayed“-Autobahn – mit zahlreichen Autobahnbrücken, Aus- und | |
Auffahrten. Dazwischen immer wieder Kräne, die an Betongerüsten arbeiten. | |
Vor dem Expo-Gelände werden die Häuser kleiner, ein paar künstlich | |
angelegte Parks stehen zwischen schicken bungalowartigen Häusern in „Garden | |
City“. Dann kommt das Industriegebiet, in dem Stahl aufeinandergetürmt | |
liegt, daneben hellgelber Wüstensand. | |
Glitzer, Glamour, Attraktionen, das verkörpert die Stadt nach außen: eine | |
Skihalle, die größte Mall und der höchste Turm der Welt, zwei künstlich | |
angelegte Inseln in Palmenform, Wasserparks und der weltgrößte Blumengarten | |
– in einem Wüstenland mit knappen Wasserressourcen. Das alles gebaut von | |
Migrant*innen, deren Arbeitsbedingungen regelmäßig von | |
Menschenrechtsorganisationen angeprangert werden. | |
„Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass Dubai meine Heimat ist“, sagt | |
die 37-jährige Sheena Khan, die seit über 14 Jahren in Dubai lebt. Sie | |
arbeitet als Bildungsmanagerin im Nachhaltigkeitspavillon der Expo. Wie | |
kann sie als Nachhaltigkeitsexpertin zwischen Glas und Stahl in Dubai | |
leben? | |
„Es ist interessant, dass Leute nach Dubai kommen und sagen, es sei nicht | |
nachhaltig, weil sie keine Bäume sehen“, erklärt sie. „Aber hier Bäume | |
pflanzen zu wollen, wäre nicht nachhaltig. Es ist eine natürliche, trockene | |
Umwelt. Mein Mann und ich haben in Sanddünen geheiratet, bei | |
Sonnenuntergang in einem Naturreservat. Es gibt Kamele und alle möglichen | |
Tierarten. Es ist ein absolut traumhaft schöner Ort.“ Sie habe in Dubai | |
viele Karrieremöglichkeiten erhalten, die sie woanders nicht unbedingt | |
bekommen hätte. | |
Wer in dem kapitalistischen Dubai einen Job findet, darf bleiben. Der Markt | |
hungert nach Nachwuchskräften – auch nach arabischen Talenten, die in | |
Europa mit einen Visumsspießroutenlauf konfrontiert wären. | |
Den aufstrebenden Absolvent*innen, die mit ihrem ersten Job so viel | |
verdienen, wie ihre Eltern nach jahrelanger Berufstätigkeit nicht, gefällt | |
es in Dubai: Die automatisch gesteuerte Metro fährt so oft, dass man keine | |
Uhr braucht, Taxis werden per App bestellt, in den höheren Stockwerken wird | |
in Bars Alkohol getrunken und gefeiert. Handys oder Taschen laufen nicht | |
Gefahr, geklaut zu werden. Der Service ist unschlagbar, Kellner*innen | |
sind immer freundlich, Hotelpersonal und Menschen auf der Straße | |
zuvorkommend. | |
Durch die Migration gibt es eine Vielzahl an internationalen Restaurants: | |
türkisch, vietnamesisch, indisch. Als die Coronapandemie begann, waren die | |
Emirate schnell darin, eine nationale Strategie zu entwickeln und in | |
Forschungskomitees zu investieren. Das Land mit rund 10 Millionen | |
Einwohnenden hatte – hinter Israel – das zweitschnellste Impfprogramm der | |
Welt. | |
Zurück im Mobilitätspavillon zeigt sich, dass sich die Emirate in der | |
Forschung ganz vorne sehen. In der Ausstellung steht eine Nachbildung der | |
Raumsonde „Amal“ (Hoffnung), die das Marsklima untersucht. Fotos zeigen die | |
Oberfläche des Mars: Krater, Dünen, Schluchten. In einem Video erklärt eine | |
emiratische Mutter der Zukunft ihren Kindern, dass sie den Mars erforscht, | |
damit sie im 22. Jahrhundert dort leben können. | |
Zwar sind die Emirate durchs Öl reich geworden, doch sie haben schon lange | |
erkannt, dass dieser Rohstoff nicht die Zukunft ist. Seit den 1970er Jahren | |
haben sie ihre Wirtschaft diversifiziert. Logistik, Finanzwirtschaft und | |
Tourismus sind die Treiber. | |
Dubais Machthaber investierten in künstliche Inseln in Palmenform, den | |
höchsten Turm der Welt, riesige Shoppingmalls. Kamelritte und luxuriöse | |
Hotels locken Tourist*innen an und im anderthalb Autostunden entfernten | |
Abu-Dhabi warten die Ableger der Kunstmuseen Louvre und Guggenheim. Die | |
prestigeträchtige, staatliche Fluglinie Emirates macht Dubai zu einem | |
weltweiten Knotenpunkt. | |
Nachdem der Bauboom mit der globalen Finanzkrise 2008 einen herben Schlag | |
erlebte, fokussierte sich die Regierung der Stadt auf Logistik und den | |
großen Hafen in Jabal Ali. In „Dubai Internet City“ und der „Dubai Media | |
City“ sitzen IT-Firmen wie Microsoft und IBM sowie Medienorganisationen wie | |
CNN, Reuters und AP. | |
Die Stadt lockt aber auch Kriminelle. Nach Einschätzung des | |
Bundeskriminalamts ist Dubai ein „Zentrum für Geldwäsche“, die Süddeutsc… | |
Zeitung nannte es nach den Enthüllungen über Offshorefirmen in Panama | |
[3][„Gangster’s Paradise“]. | |
Einst machte Öl 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Stadt Dubai aus, | |
nun ist es nur noch ein Prozent. Eine Statistik, von der das Nachbarland | |
Saudi-Arabien aktuell nur träumen kann. Auch das bekommt die Möglichkeit, | |
sich auf der Expo zu präsentieren. Das Gebäude Saudi-Arabiens ragt steil in | |
den Himmel hinauf und vereinnahmt eine Fläche in der Größe von zwei | |
Fußballfeldern – das zweitgrößte Ländergebäude auf der Expo. | |
Während auf den Außenwänden des Gebäudes mit grünen LEDs für „nachhalti… | |
Städte“ geworben wird, wartet das Innere mit Guinness-Buch-Weltrekorden | |
auf. Einen 32 Meter langen Wasservorhang oder den größten interaktiven | |
LED-Spiegelbildschirm. Kitschige Modelle von historischen Städten in | |
Saudi-Arabien verlaufen entlang der Rolltreppe, die hinauf führt zu einem | |
runden LED-Bildschirm, auf dem Videos vom Roten Meer oder der smarten Stadt | |
„Neom“ laufen. Der Pavillon ist ein teurer Teil der Tourismusinitiative des | |
Königreiches. | |
Menschenrechtsverteidiger*innen sehen die Expo als große | |
Schönfärberei. Am 16. September votierte das EU-Parlament daher dafür, dass | |
seine Mitgliedsstaaten die Expo boykottieren, „um ihre Missbilligung der | |
Menschenrechtsverletzungen in den VAE zu signalisieren“. Die verabschiedete | |
Resolution empfiehlt internationalen Unternehmen die Sponsorenschaft für | |
das Event zurückzuziehen. | |
Sich unter den Themen „Mobilität, Möglichkeiten und Nachhaltigkeit“ posit… | |
zu präsentieren, war verlockend für 190 Nationen – so viele | |
Ausstellungsländer wie noch nie. Deutschland investierte 58 Millionen | |
Steuergelder. Dabei präsentiert sich die Bundesregierung als Land der | |
„Energiewende“ und Oberlehrer für Nachhaltigkeit. | |
Der „Campus Germany“ lädt in Forschungslabore ein, in denen deutsche | |
Universitäten und Unternehmen nachhaltige Ideen präsentieren: Einen | |
Drachen, der Windräder ersetzen soll; eine Technologie, mit der Energie aus | |
Wellen gewonnen wird; Geothermie oder recycelte Baumaterialien. Um das | |
ganze aufzulockern, gibt es ein Bällebad, am Ende sollen alle schaukeln – | |
als Symbol, dass gemeinsam Wandel erreicht wird. | |
Selbst ein Bundesland fand die Aussicht auf „Business in Dubai“ zu | |
verlockend, um Nein zu sagen: Baden-Württemberg ist die einzige Region, die | |
sich zwischen den Ländern präsentiert. Unternehmen des Bundeslandes stellen | |
ihre Produkte vor, darunter einen Pflegeroboter für Altenheime oder ein | |
fliegendes Taxi der Zukunft. Im Restaurant gibt es Spätzle und | |
Schwarzwälder Kirschtorte. | |
Der Raum soll Austausch und Networking ermöglichen, Menschen für den | |
Schwarzwald und Tourismus begeistern. 15 Millionen Euro musste das Land | |
dafür zahlen – geplant waren 3 Millionen. Ein Konsortium aus | |
Frauenhofer-Institut, Freiburger Messegesellschaft und Handelskammer hätte | |
das Ganze eigentlich finanzieren sollen. Wie es dazu kommen konnte, dass | |
stattdessen das Land Vertragsnehmerin wurde, [4][musste ein | |
Untersuchungsausschuss klären]. | |
Der große Elefant im Raum sind die Rechte der Arbeiter*innen. 200.000 | |
Arbeitskräfte, die meisten aus Afrika und Asien, haben die Gerüste aus | |
Beton und Stahl gebaut, Holzstämme aufgestellt, Kunstinstallationen | |
errichtet, LED-Lampen zum Leuchten gebracht. | |
Das EU-Parlament begründete seinen Boykottaufruf damit, dass emiratische | |
Baufirmen und Unternehmen die Rechte der ausländischen Arbeitskräfte | |
ausgenutzt hätten: Sie hätten sie gezwungen, nicht übersetzte | |
Vereinbarungen zu unterzeichnen, sie beschlagnahmten angeblich ihre Pässe | |
und brachten sie in unhygienischen Bedingungen unter. | |
Die VAE lehnten das als „sachlich falsch“ ab. Die PR-Abteilung der Expo | |
entschied sich nach langem Schweigen für eine offene | |
Kommunikationsstrategie. Drei Arbeiter seien bei dem Bau gestorben, drei | |
weitere an Covid-19. Damit liege man unter europäischen Statistiken zu | |
Todesraten im Bau. | |
Zur Eröffnung der Expo wurden Monumente mit eingravierten Namen der | |
beteiligten Arbeitskräfte enthüllt, auf der Webseite der Expo gibt es den | |
Leitfaden zur Sozialpolitik für Arbeitende zum Download. Man habe sich zu | |
fairen Arbeitsbedingungen verpflichtet, heißt es. | |
Es scheint, als hätten die Veranstalter*innen aus dem Gau rund um | |
[5][Katar und die Fußball-WM] gelernt. Ein Elektriker, der auf dem Gelände | |
arbeitet, sagt, er habe keine Zeit, Fragen zu beantworten. Die | |
Mitarbeiterin eines Auftragnehmers der Expo sagt in einem privaten | |
Gespräch, es sei in der Branche mittlerweile üblich, nur mit Firmen | |
zusammenzuarbeiten, die Arbeiter*innenrechte durchsetzten. Doch ihren | |
Manager kann sie nicht überzeugen, das in den Medien zu sagen – die Firma | |
will es sich auf keinen Fall mit der Expo verscherzen, da die Geschäfte | |
noch liefen. | |
Ist die Weltausstellung ein Unterfangen für verlogene Selbstdarstellungen | |
oder ist sie nötig, um zukunftsträchtige Visionen der Welt zu präsentieren? | |
Dina Storey, die Leiterin der Abteilung für Nachhaltigkeit der Expo, ist | |
überzeugt, dass es die Weltausstellung weiterhin braucht. „Wir haben die | |
nachhaltigste Expo in der Geschichte geschaffen“, schwärmt sie. | |
Solarpanels, die Wiederverwertung von Abwasser sowie Müllrecycling halfen | |
dabei, das selbst gesteckte Ziel der Nachhaltigkeit zu übertreffen. 50 | |
Prozent des genutzten Stroms sind aus erneuerbaren Energien, 91 Prozent des | |
Abfalls werde recycelt. Es brauche diese Expo als Vorbild in Sachen | |
Nachhaltigkeit. „Wir machen alle Daten transparent und geben sie jedem, der | |
sie haben möchte“, verspricht Storey. „Eines Tages werden wir nicht nur | |
eine Netto-Null-Expo, sondern eine Netto-Null-Olympiade sehen.“ | |
Damit die aufwendige neue Infrastruktur nicht verkommt, sollen 90 Prozent | |
der Gebäude stehen bleiben. Im District2020 sollen sie in Zukunft etwa als | |
Apartments, Büroräume und Forschungszentren dienen. Bisher haben Siemens, | |
das Logistikunternehmen DP World und Terminus, Anbieter von | |
Dienstleistungen in der künstlichen Intelligenz als zukünftige Mietende | |
zugesagt. Wie ausgelastet der Bezirk bereits ist, möchte Storey jedoch | |
nicht verraten. | |
14 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.forbes.com/sites/dominicdudley/2019/05/15/dubai-expo-2020/?sh=3… | |
[2] https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/united-arab-emirates | |
[3] https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/pandora-papers-dubai-ist-d… | |
[4] https://www.landtag-bw.de/home/der-landtag/gremien/fruhere-ausschusse-16-wp… | |
[5] /Fussball-WM-2022/!t5018524 | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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