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# taz.de -- Prorussische Demo in Hannover: Ausgebremster Autokorso
> Ein prorussischer Autokorso in Hannover soll angeblich nur gegen
> Diskriminierung protestieren. Tatsächlich ist im Vorfeld Kriegspropaganda
> im Spiel.
Bild: Klare Botschaft bei den Protesten gegen den prorussischen Autokorso in Ha…
Hannover taz | Etwa 350 Autos sammeln sich am Sonntagmittag an der
Stadionbrücke in Hannover. Es wehen russische Flaggen und es läuft
„Katjuscha“, das Lied, nach dem der Raktenwerfer, der auf Deutsch als
sogenannte „Stalinorgel“ bekannt ist, im Russischen benannt ist. Einige
Biker sind da. Ein Organisator namens Jan, der seinen Nachnamen auf
Nachfrage nicht nennen will, hält eine Rede über eine Lautsprecheranlage.
„Wir sind nicht hier, um über den Krieg zu sprechen“, ruft er.
Offiziell wird hier gegen „Volksverhetzung, Mobbing und Diskriminierung der
russischen Bevölkerung“ demonstriert. Doch schon im Vorfeld drängte sich
der Verdacht auf, dass hier [1][andere Ziele verfolgt werden könnten], als
lediglich auf antislawistische Ressentiments und Übergriffe hinzuweisen. So
heißt es zwar im öffentlichen Aufruf, die vom russländischen Militär bei
der Invasion in der Ukraine genutzten Symbole „Z“, „V“ und „O“ seien
verboten.
Nichtsdestotrotz postet einer der Administratoren einer
Telegram-Messenger-Gruppe, über die der Protest organisiert wird, eben
dieses Symbol, verbunden mit dem Aufruf, Freund*innen zum Korso
einzuladen. In einem Mobilisierungsaufruf auf Telegram heißt es: „Wir sind
gegen den Krieg – aber Europa will ihn“. Der Redner Jan sagt der taz, es
stimme nicht, dass hier Kriegspropaganda verbreitet werde und bricht bei
weiteren Nachfragen das Interview ab.
„Diese Autokorsos bedienen sich aus meiner Perspektive einer
Vermischungsstrategie, die typisch ist für die russländische Propaganda“,
sagt Sergej Prokopkin der taz am Telefon. Der Jurist und
Antidiskriminierungstrainer aus Berlin beschäftigt sich mit dem
Themenkomplex Antislawismus und der postsowjetischen Community. „Hier
werden Parolen gegen Diskriminierung benutzt und gleichzeitig an den
russländischen Staat angeknüpft“, sagt Prokopkin. Diese Verknüpfung mit
[2][Putin’scher Propaganda] äußere sich etwa in den Flaggen als
russländische Staatssymbolik.
## Russland spielt sich als schützende Macht auf
Die Crux bei der Sache sei, dass ein Teil der Kritik durchaus eine
Grundlage habe: „Es gibt antislawistische Ressentiments, Überfälle und
Anschläge“, sagt Prokopkin. Vor allem, wenn Kinder betroffen seien, sei das
besorgniserregend und eigne sich perfekt für die Instrumentalisierung durch
Putin-Anhänger*innen und den Kreml selbst.
So habe die russländische Botschaft eine Extra-E-Mail-Adresse eingerichtet
und zur Meldung entsprechender Fälle aufgerufen. Hinweise auf die Polizei
oder den Rat, sich bei Antidiskriminierungsstellen zu melden, habe es nicht
gegeben. „Das gilt der ganzen russischsprachigen Bevölkerung“, so
Prokopkin. Russland spiele sich als schützende Macht auf. „Durch den Zugang
über die Medien und das Staatsfernsehen können sie das machen“, so
Prokopkin.
In Hannover zieht die Veranstaltung ein gemischtes Publikum an.
Hauptsächlich ältere Menschen sind mit ihren Autos gekommen. Viele wollen
nicht mit „den Medien“ sprechen, sie seien ja sowieso von den USA diktiert
und nicht frei. Einige Vertreter:innen aus der Querdenker-Szene sind
auch dabei.
Vor einem Auto steht eine ältere Frau mit weißem Haar. Natalie K., sagt,
sie lebe seit 19 Jahren in Deutschland. Sie wolle hier ein Zeichen für
Frieden setzen, weil in letzter Zeit eine Hexenjagd auf russischsprachige
Menschen geschehe. „Ich bin zwar gegen Krieg“, sagt Natalie K., „ aber die
Spezialoperation war notwendig“ – und folgt damit der Rechtfertigung der
Invasion, wie sie von der russischen Regierung verbreitet wird.
Das deckt sich mit Sergej Prokopkins Beobachtungen in Berlin, auch wenn der
vor Pauschalisierungen warnt. „Das ist auch ein Innovationskonflikt“, sagt
Prokopkin. Die junge Generation sei viel [3][aktiver gegen Putin] und den
Krieg, Ältere seien dagegen empfänglicher für die Propaganda, die auf
bestimmte Identitäten abziele. Deswegen werde mit den Korsos auch eine
emotionale Ebene angesprochen. Etwa, dass die Invasion als Aktion gegen
Faschismus begründet werde. „Ein hegemoniales sowjetisches Denken ist immer
noch vorhanden“, so Prokopkin. Sowjetischer Imperialismus und Kolonialismus
seien nicht hinterfragt oder aufgearbeitet worden.
In Hannover wollen viele den Aufmarsch der Russland-Fans nicht
unwidersprochen lassen. Direkt am Auftaktkundgebungsort sammeln sich
Gegendemonstrant*innen. Etwa zwei mit Shirts mit Putins Konterfei und den
Worten „Killer“ darunter. Der „Freundeskreis Hannover e. V.“ hat zu ein…
Gegenkundgebung am Aegidientorplatz aufgerufen. Laut Polizei beteiligen
sich rund 3.500 Menschen daran. Manche*r kommt nicht ohne historisch
fragwürdige Putin-Hitler-Vergleiche auf den Plakaten aus. Auf beiden Seiten
der geplanten Route des Korsos stehen Hunderte Menschen mit ukrainischen
Flaggen.
## Der Oberbürgermeister ergreift Partei
Prominente Unterstützung für die Kundgebung gibt es von Oberbürgermeister
Belit Onay (Grüne). Anfeindungen gegen russischstämmige Menschen seien ein
No-Go und würden in Hannover nicht geduldet, erklärt Onay in diversen
sozialen Medien. „Wir nehmen niemanden in Sippenhaft, aber es ist absolut
unverständlich, vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine mit
russischen Fahnen und einem Autokorso durch unsere Stadt zu ziehen“, so der
Oberbürgermeister.
Am Waterlooplatz zwingt eine Sitzblockade einen Teil der Autos zum
Umdrehen. Es fliegen Eier; eine ältere Frau mit ukrainischer Flagge stellt
sich mitten vor ein Auto, zeigt dem Fahrer den Mittelfinger und reißt eine
der unzähligen Fahnen von dem Fahrzeug. Die Polizei reagiert zaghaft.
Derweil umzingeln Gegendemonstrant*innen einen Kleinwagen und
bewerfen diesen mit Pferdemist. Laut Polizei wurde der Autokorso
anschließend umgeleitet.
„Es kommt wirklich nur darauf an, wie die Politik auf die Vorfälle und die
Proteste reagiert“, meint Prokopkin. Es sei sehr wichtig zu differenzieren
und gegen jede Quelle von Diskriminierung vorzugehen. „Dafür gibt es
Strukturen und kritische Medien.“
10 Apr 2022
## LINKS
[1] /Prorussische-Demonstrationen/!5845020
[2] /Die-Rede-des-russischen-Praesidenten/!5837271
[3] /Journalistinnen-in-Russland/!5842730
## AUTOREN
Michael Trammer
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