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# taz.de -- Berliner Hilfsorganisation in Lwiw: „Längerfristiger Einsatz“
> Seit Mitte März befindet sich die Hilfsorganisation Cadus in Lwiw. Die
> Lage vor Ort sei „ziemlich skurril“, berichtet Tankred Beume.
Bild: „Wir wollen auch noch helfen, wenn der Krieg vorbei ist“: Mitarbeiter…
taz: Herr Beume, Ihr Team und Sie befinden sich seit dem 19. März in Lwiw
in der Ukraine. Wie ist die Lage bei Ihnen vor Ort?
Tankred Beume: Es ist schon eine ziemlich skurrile Situation hier. Trotz
des Krieges sind die Cafés und Geschäfte relativ gut gefüllt, sodass man
manchmal vergisst, dass man sich gerade in einem Kriegsgebiet befindet. Bis
auf die Soldaten und die Checkpoints wirkt das Leben relativ normal. Es ist
ein ziemlicher Clash: die Außenbezirke Lwiws sind durch Checkpoints
abgeriegelt, das innere Lwiw ist eine funktionierende Stadt.
Gerade ist im Hintergrund offenbar Fliegeralarm zu hören. Wie geht es
Ihnen?
Uns geht es so weit gut. Unsere Luftalarm-App hat uns rechtzeitig gewarnt,
und jetzt sitzen wir im Schutzraum unseres Hotels. Da waren wir auch Ende
März, als die Bomben auf den Lwiwer Flughafen geflogen sind. Das Rumsen und
Scheppern der Bombeneinschläge hat uns auf jeden Fall schnell wieder in die
Realität zurückgeholt. Passiert ist uns nichts. Allerdings haben die
Einschläge uns die Gefahren des Krieges wieder deutlicher vor Augen
geführt.
Was haben Sie und Ihr Team bis jetzt in der Ukraine gemacht?
Aktuell sind wir als Emergency Medical Team – kurz EMT – vor Ort. Unsere
Aufgabe besteht darin, Schwerverletzte und überwachungspflichtige
Patient*innen zu evakuieren und medizinische Nothilfe zu leisten. Das
geschieht alles unter der Leitung der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Wie sieht Ihre Arbeit aus?
In den vergangenen Tagen haben wir verschiedene Städte in der
Zentralukraine angefahren und mit den ansässigen Krankenhäuser geredet, ob
sie akut Hilfe benötigen und wie eine Übergabe von Patient*innen
vonstatten gehen könnte.
Wie ist derzeit die Lage in den ukrainischen Krankenhäusern?
Bis jetzt mussten wir zum Glück noch niemanden evakuieren, da die
Krankenhäuser – zumindest jene, von denen wir wissen – tatsächlich noch
voll funktionsfähig sind. Auch personell sind sie sehr stark aufgestellt,
da sich sehr viele Menschen aus dem Ruhestand zurückgemeldet haben, um
ehrenamtlich zu helfen. In Bila Zerkwa wurde uns zum Beispiel erzählt, dass
immer noch Patient*innen nach Kiew verlegt werden, weil das dortige
Krankenhaus – wie viele andere auch – nicht alle medizinischen
Fachrichtungen abdecken kann. Wir haben uns das mal auf der Karte
angesehen: Das wäre quasi so, als würde man sich von Potsdam nach Spandau
in ein Krankenhaus verlegen lassen, während in Marzahn gerade gekämpft
wird.
Aus wie vielen Personen besteht Ihr Team?
Unser Team umfasst momentan vier Personen und besteht aus einem
Anästhesisten, der normalerweise eine Intensivstation leitet, einen
Intensivkrankenpfleger, einen Krankenpfleger mit Rettungsdiensterfahrungen
und mir, einem ausgebildeten Sanitäter und Feuerwehrmann. Wir sind also
bestens auf unsere Arbeit vorbereitet. Und Ende dieser Woche kommt ein
weiterer Intensivpfleger zu uns. Wir versuchen immer, vier bis fünf Leute
zu sein, damit wir unseren Rettungswagen begleiten können.
Wie steht es denn generell um Ihr Equipment? Haben Sie weiterhin alles, was
Sie benötigen?
Medizinisch sind wir bestens ausgestattet, da können wir im Notfall auch
auf die Ressourcen der WHO zurückgreifen. Was hier allerdings dringend
wird, sind weitere Ambulanzwagen. Und generell werden in der Ukraine Busse
gebraucht. Denn es gibt immer noch zu wenig Möglichkeiten, um Menschen aus
den Krisengebieten rauszuholen. Wir haben gehört, das Schleuser
mittlerweile bis zu tausend Euro verlangen, um eine Person aus Mariupol zu
evakuieren.
Was haben Sie und Ihr Team für die kommenden Tage geplant?
Wir sind gerade mit mehreren medizinischen Universitäten im Gespräch, um
Personen in bestimmten Bereichen wie Traumabewältigung oder dem Management
von Großschadenslagen zu schulen. Des Weiteren werden wir uns in den
nächsten Tagen darauf vorbereiten, wie man Patient*innen versorgt, die
mit chemischen Kampfstoffen verletzt wurden.
Hält die WHO es tatsächlich für wahrscheinlich, dass Russland in diesem
Krieg gegen die Ukraine auch chemische Kampfstoffe einsetzt?
Es gab zumindest Anfragen von lokalen Stellen an die
Gesundheitsorganisation, ob man darauf vorbereitet sei.
Wie lange plant Cadus, die Arbeit in der Ukraine fortzusetzen?
Unser jetziges Team wird am 15. April abgelöst. Wir als Organisation
bereiten uns aber auf einen längerfristigen Einsatz in der Ukraine vor. Wir
wollen auch noch helfen, wenn der Krieg vorbei ist, um danach den
medizinischen Aufbau zu fördern. Das heißt beispielsweise, Krankenhäuser
mit aufzubauen sowie Personen medizinisch zu schulen.
7 Apr 2022
## AUTOREN
Julian Csép
## TAGS
Krieg
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