# taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg: Immer noch Unterversorgung | |
> Durch die Fusion von Kliniken fallen in Flensburg Kapazitäten für | |
> Abtreibungen weg. Das ist lange bekannt, aber es gibt nach wie vor keine | |
> Lösung. | |
Bild: Zurück zur Engelmacherin? Demonstration gegen die christliche Klinikfusi… | |
Neumünster taz | Wenn in Flensburg das diakonische und das katholische | |
Krankenhaus zur ersten ökumenischen Klinik Deutschlands verschmelzen, wird | |
es dort [1][nur noch in medizinischen Notfällen Schwangerschaftsabbrüche | |
geben]. Seit rund zwei Jahren befasst sich ein Arbeitskreis mit der Frage, | |
wie auch Frauen geholfen werden kann, die aus sozialen Gründen abtreiben | |
wollen. Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) schlägt nun ein Ambulantes | |
Operationszentrum in der Nähe der neuen Klinik vor – und hofft, dass das | |
Land bei der Finanzierung und Einrichtung hilft. Denn ein solches Zentrum | |
wäre teuer. | |
„Die Versorgung in Flensburg und Umland wird immer prekärer“, sagt Clemens | |
Schmidt, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat. Es seien schon | |
Frauen im Krankenhaus abgewiesen worden. Gleichzeitig schieden im ganzen | |
Land ältere Gynäkolog*innen aus den Praxen aus, die Erfahrung mit | |
Abbrüchen hätten. Jüngere würden dagegen weniger nachrücken. Ähnlich | |
schildert die Beratungsstelle Pro Familia die Lage. Und auch der | |
Arbeitskreis, der unter Moderation der Oberbürgermeisterin tagt, kommt zum | |
selben Schluss. | |
Doch wie die Lösung aussehen könnte, ist weiter unklar. „Alles ist noch in | |
der Schwebe“, sagt Rathaussprecher Christian Reimer. Generell ist eine | |
Abtreibung ein ambulanter Eingriff. Allerdings wählen in Schleswig-Holstein | |
vergleichsweise viele Frauen die Klinik. „Wenn diese Möglichkeit fehlt, | |
haben wir natürlich irgendwann ein Problem“, sagt Reimer. Laut dem | |
Schwangerschaftskonfliktgesetz sei das Land zuständig. Doch das | |
Gesundheitsministerium von Heiner Garg (FDP) sieht [2][keine Notwendigkeit, | |
etwas zu unternehmen]. | |
Dass sich die Beratungen im Kreis drehen, ärgert auch die Stadtverordneten: | |
„Wir hören immer wieder dieselben Punkte“, sagte Gabriele Stappert (CDU) | |
bei einer Anhörung im Rat. Sie warnte davor, „Frauen und Mädchen zu | |
verunsichern“. | |
Die neueste Idee des Arbeitskreises ist nun, ein Ambulantes | |
Operationszentrum einzurichten. Dafür müsse das Land „entsprechende | |
Ärztestellen schaffen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. | |
Allerdings können Ärztestellen nicht einfach „geschaffen“ werden: Wie vie… | |
Ärzt*innen einer bestimmten Fachrichtung sich in einer Region ansiedeln | |
dürfen, ist festgelegt. „Für die Genehmigung eines Zentrums, egal wer der | |
Betreiber ist, müssten freie Sitze da sein“, sagt Marco Dethlefsen, | |
Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH). | |
Eine Anfrage der Stadt Flensburg, ob mittelfristig eine passende Stelle | |
frei werde, gebe es aber nicht. | |
Fraglich ist auch, ob ein Operationszentrum sinnvoll ist, das vor allem | |
Abtreibungen vornimmt. „Aus fachlicher Sicht bräuchte es das nicht“, sagt | |
Doris Scharrel, Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in | |
Schleswig-Holstein. Sie wünscht sich, dass noch mehr Frauen die | |
Schwangerschaft medikamentös unterbrechen, aus fachärztlicher Sicht die | |
schonendste Methode. | |
Aktuell, darauf verweist auch die Stadt, gibt es einige Hürden, warum nicht | |
mehr Praxen Abbrüche per Tablette ermöglichen. So bestehen Lieferengpässe | |
bei den Medikamenten. Zudem sind die Hürden für eine Praxis vergleichsweise | |
hoch, sich als „Einrichtung zur Durchführung eines | |
Schwangerschaftsabbruches“ registrieren zu lassen. Als drittes Hindernis | |
sieht Scharrel, dass größere Praxisverbünde Arztsitze aufkaufen, darunter | |
auch gynäkologische. „Wenn diese Verbunds-Praxen keine Abbrüche mehr | |
durchführen, fehlen Kapazitäten.“ | |
Allerdings existiert noch eine dritte Variante in den Richtlinien: Auch | |
Träger wie die Beratungsstelle Pro Familia könnten eine „Einrichtung“ | |
gründen, in der eine ungewollte Schwangerschaft beendet wird – so ein | |
Zentrum gibt es etwa in [3][Bremen]. | |
In Flensburg wurde diese Idee offenbar noch nicht besprochen. Aber der | |
Arbeitskreis wird weiter beraten, so der Rathaussprecher: „Es wird ja noch | |
Zeit vergehen, bis die Fusion tatsächlich ansteht.“ | |
Allerdings sind die ersten zwei Jahre bereits vergangen – ohne Lösung. | |
5 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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