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# taz.de -- Flüchtlingsunterkünfte in Bayern: Bedroht, geschlagen, getötet
> Geflüchtete Frauen beklagen die gewalttätigen Zustände in Bayerns
> Asylunterkünften. „Muss man erst sterben, bis etwas geschieht?“, so eine
> Aktivistin.
Bild: Bietet Frauen oft nicht genug Schutz: Flüchtlingsunterkunft in Bayern
München taz | Auf einmal stand er in Bayreuth in der Asylunterkunft vor
ihrer Zimmertür und bedrohte sie. „Er sagte, dass er mich umbringen wird“,
berichtet Kidst Tesfaye, eine geflüchtete Frau aus Äthiopien. Es war ihr
Ehemann, ein Schläger und Vergewaltiger, vor dem sie aus der Heimat
geflohen war – und der sie von Äthiopien bis nach Deutschland verfolgt hat.
Eine Weile nach dem Vorfall erhielt sie eine Wohnung außerhalb der
Unterkunft, doch ihr Mann rief sie weiter auf dem Handy an und stieß
Morddrohungen aus. Wusste er, wo sie sich aufhält? „Wenn ich jetzt
rausgehe, trage ich zum Schutz Mütze und Sonnenbrille“, erzählt Tesfaye.Wie
kann das sein? Eigentlich werden Flüchtlingsunterkünfte rund um die Uhr von
Security bewacht. Doch das, was Tesfaye erlebte, ist kein Einzelfall.
Um auf das Problem der drohenden Gewalt in den Heimen aufmerksam zu machen,
hat der Bayerische Flüchtlingsrat auf einer Pressekonferenz am Mittwoch
einige geflüchtete Frauen vorgestellt. Bei ihnen führt einzig ihr
Geschlecht dazu, dass sie Betroffene von – häufig sexueller – Gewalt waren
oder sind. Und: Der Flüchlingsrat meint, in ihren Fällen sei es auch die
speziell bayerischen Strukturen der Flüchtlingsunterbringung gewesen, die
Gewalt ermöglichten, ja beförderten.
Neu ankommende Flüchtlinge werden in Bayerin weiterhin über das Land
verteilt [1][in so genannten Ankerzentren untergebracht]. Alleinreisende
müssen dort bis zu zwei Jahre ausharren, Familien sechs Monate. Immer
wieder wurden diese teils großen Unterkünfte als „Lager“ kritisiert. Der
Flüchtlingsrat sieht sie als „gewaltfördernd und isolierend“, Frauen hät…
einen erschwerten Zugang zu Schutz, Unterstützung und Informationen über
ihre Rechte.
## Allein traut sich eine Betroffene nicht in die Küche
Zwar hat die Bundesregierung beschlossen, dass das System der Ankerzentren
„nicht weiterverfolgt“ werde, doch die CSU-geführte bayerische
Staatsregierung hält daran fest. Es habe sich bewährt, meint Bayerns
Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Zarah S., eine 30-jährige Frau aus dem Iran, beschreibt, wie es in den
Einrichtungen zugeht. Sie werde von Männern „gestalkt“, erzählt sie. In d…
Küche geht sie nur, wenn ihr Partner dabei ist. Da dieser aber häufig weg
ist, müsse sie oft bis zum Abend darauf warten. Zimmer und Duschen lassen
sich nicht absperren. „Ich habe viel Stress und Panik“, meint sie.
Aus dem Iran war S. geflohen, weil ihre Familie sie noch als Jugendliche
zwangsverheiratet hatte. Als sie sich wehrte, verstieß die Familie sie.
Hier, in Deutschland, ist ihr Status unsicher, sie hat keine
Arbeitserlaubnis. Zwei Mal war sie schon wegen psychischer Probleme zur
Behandlung in einer Klinik. „Ich möchte arbeiten, lernen und studieren“,
sagt S. „Mein Partner gibt mir sehr viel Kraft, ohne ihn würde ich mich
umbringen.“ Beim Erzählen über ihre Situation fängt Zarah S. an zu weinen.
Auch die Äthiopierin Kidst Tesfaye weint, sie hat zwei Kinder, die sie seit
zehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie erinnert sich, wie ihr Mann mit dem
Messer auf sie losgegangen war. Wie er mit dem Gürtel auf das Gesicht des
dreijährigen Sohnes eingeschlagen hatte, was zu einer erheblichen
Augenverletzung führte. Fünf Jahre hatte sie in Deutschland gearbeitet,
dann belegte sie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit
einem Arbeitsverbot. Ihr droht die Abschiebung. Jetzt ist sie ehrenamtlich
in der Kinderbetreuung in einem fränkischen Städtchen tätig.
Nadine Kriebel vom Flüchtlingsrat kritisiert, dass nur zwei Prozent der
anerkannten Asylanträge wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung angenommen
werden. Viele der geflüchteten Frauen unterstützt und begleitet Elshaday
Haile, Nürnberger Aktivistin des Vereins Imedana/Rosa Asyl. „Frauen
brauchen mehr Schutz“, sagt die gebürtige Äthiopierin, es fehle an
Beratungsstellen. „Wenn sie aber zur Polizei gehen, bekommen sie oft nicht
so schnell Hilfe.“
Den erschütternden Fall eines [2][Femizids] erlebte Haile 2021 im
fränkischen Kronach. Ein früherer Partner drohte einer Frau in einer
Asylunterkunft immer wieder mit dem Tod. „10, 15 Mal hatte sie die Polizei
angerufen und gesagt, dass er sie umbringen wird“, so Haile. Schließlich
wurde sie getötet, wie auch ihr zweijähriges Kind. „Muss man erst sterben,
bis etwas geschieht?“ Der mutmaßliche Täter ist in Haft und angeklagt, der
Prozess hat noch nicht begonnen.
30 Mar 2022
## LINKS
[1] /Fluechtlingsunterkuenfte-in-Bayern/!5760626
[2] /Geplante-Studie/!5830226
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Bayern
Schwerpunkt Flucht
Sexualisierte Gewalt
Unterbringung von Geflüchteten
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Flucht
Einreiseverbot
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