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# taz.de -- Staatsbesuch im Ukrainekrieg: Im Sonderzug nach Kiew
> „Unsere Pflicht, dort zu sein“: Mitten im Krieg machen sich drei
> osteuropäische Ministerpräsidenten auf den Weg in die ukrainische
> Hauptstadt.
Bild: Eine Frau verlässt am Montag mit ihrer Katze ein zerstörtes Wohnhaus in…
Berlin taz | Es ist ein außergewöhnliches Zeichen der Solidarität: Drei
osteuropäische Regierungschefs haben sich auf den Weg nach Kiew gemacht, um
den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski persönlich zu treffen. Die
Ministerpräsidenten von Polen, Tschechien und Slowenien – Mateusz
Morawiecki, Petr Fiala und Janez Jansa – bestiegen in Polen einen Zug, der
gegen 8 Uhr früh am Dienstag die Grenze zur Ukraine passierte.
Am Nachmittag wurde gemeldet, die Reisegruppe habe das westukrainische Lwiw
passiert. „Das Ziel des Besuchs ist, die uneingeschränkte Unterstützung der
EU für die Ukraine und ihre Freiheit und Unabhängigkeit zum Ausdruck zu
bringen“, twitterte Fiala. Morawiecki sagte: „Es ist unsere Pflicht, dort
zu sein, wo Geschichte geschrieben wird. Denn es geht nicht um uns, es geht
um die Zukunft unserer Kinder, die es verdient haben, in einer Welt frei
von Tyrannei zu leben.“
Mit dabei ist Polens Vizepremier Jarosław Kaczyński, Chef der
Regierungspartei PiS. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sein
Zwillingsbruder [1][Lech Kaczyński] im Jahr 2010 als damaliger Präsident
Polens starb, als er zu einer Gedenkfeier zur Erinnerung an die Ermordung
polnischer Offiziere durch den sowjetischen Geheimdienst 1940 im russischen
Katyn unterwegs war. Seine Anhänger schieben den Absturz seines Flugzeugs
bei Smolensk bis heute einem Abschuss durch Russland zu.
Jetzt wagt sein Bruder eine Reise in ein Gebiet, wo Russland Krieg führt.
Vor der Abreise erinnerte Morawiecki an den Besuch Lech Kaczyńskis in
Georgiens Hauptstadt Tiflis 2008, als das Land von Russland angegriffen
wurde, und zitierte ihn: „Heute Georgien, morgen die Ukraine, übermorgen
die baltischen Staaten, und dann ist es vielleicht Zeit für mein Land, für
Polen.“
Die Reise erfolgt in einem Kontext wachsender Zuversicht der Ukraine und
der Erwartung, dass eine Entscheidung bevorstehen könnte. Die ukrainische
Seite rechnet damit, dass Russland verstärkt versuchen wird, Kiew zu
infiltrieren, nachdem die bisherigen russischen Vorstöße und
Einkreisungsversuche mit Bodentruppen allesamt [2][gescheitert] sind.
„Wir stehen am Scheideweg“
Während das Parlament in Kiew am Dienstag das Kriegsrecht um 30 Tage
verlängerte, verhängte die Stadtverwaltung eine Ausgangssperre von
Dienstagabend 20 Uhr bis Donnerstag früh 7 Uhr. Es sei ein „schwieriger und
gefährlicher Moment“, sagte Kiews Bürgermeister Klitschko. „Wir stehen am
Scheideweg“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Olexii Arestowytsch,
der die laufenden Verhandlungen mit Russland führt.
Der ukrainische Präsident Selenski forderte Russlands Soldaten in einer
Videoansprache auf, sich zu ergeben. Russlands Armee habe in 19 Tagen
Ukraine-Krieg mehr Soldaten verloren als in beiden Tschetschenien-Kriegen,
sagte Selenski in einer Videobotschaft und richtete sich direkt an die
russischen Truppen: „Warum sollt ihr sterben? Für was? Ich weiß, dass ihr
überleben wollt. Wir hören eure Gespräche ab, wir hören, was ihr wirklich
denkt über diesen sinnlosen Krieg, diese Schande und euren Staat, eure
Anrufe bei der Familie, wir hören alles. Wir ziehen Schlüsse daraus. Wir
wissen, wer ihr seid. Im Namen des ukrainischen Volkes gebe ich euch eine
Chance: Wenn ihr euch unseren Kräften ergebt, werden wir euch so behandeln,
wie man Menschen behandeln sollte, mit Würde – so, wie euch eure Armee
nicht behandelt und wie sie die Unsrigen nicht behandelt.“
Derweil setzt Russland seine Luftangriffe fort. Unter anderem wurden am
frühen Morgen Wohngebiete in Kiew und der Flughafen der Stadt Dnipro
bombardiert. Der US-Sender Fox News bestätigte am Dienstag den Tod seines
Kameramanns Pierre Zakrzewski an der Front vor Kiew am Montag. Im Westen
der Ukraine wurde eine russische Drohne abgeschossen, die zuvor in den
polnischen Luftraum eingedrungen war. Im Süden der Ukraine konnten 2.000
Privatfahrzeuge mit Zivilisten die eingekesselte Stadt Mariupol verlassen,
teilten die Stadtbehörden am Mittag mit. Weitere 2.000 Autos seien
abfahrbereit. Versorgungskonvois für Mariupol steckten hingegen weiter im
russisch kontrollierten Gebiet fest und in der Stadt wurde heftig gekämpft.
15 Mar 2022
## LINKS
[1] /Nachruf-Lech-Kaczynski/!5144626
[2] /Fehlplanung-bei-Invasion-in-der-Ukraine/!5841058
## AUTOREN
Dominic Johnson
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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