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# taz.de -- Bildungsmisere in Afghanistan: Höhere Mädchenschulen bleiben zu
> Die Taliban brechen kurzfristig ihre frühere Zusage, dass Schülerinnen ab
> Klasse 7 wieder zum Unterricht kommen dürfen. Die Gründe bleiben unklar.
Bild: Schülerinnen beim Unterricht in der Tajrobawai höheren Mädchenschule i…
Berlin taz/afp | In letzter Minute haben die Taliban die für Mittwoch
angekündigte landesweite [1][Wiedereröffnung der Sekundärschulen und
Gymnasien für Mädchen] gestoppt. Noch am Dienstag hatte das
Taliban-Bildungsministerium die Menschen aufgefordert, mit dem neuen
Schuljahr ihre Kinder wieder zur Schule zu schicken.
Die Taliban hatten die höheren Mädchenschulen nach ihrer Machtübernahme am
15. August wie es hieß „vorübergehend“ geschlossen, bis sie „gemäß
islamischem Recht und afghanischer Tradition“ reorganisiert seien. Dabei
fand Schulunterricht schon bisher nach Geschlechtern getrennt statt. Manche
Taliban wollen aber getrennte Schulen, was ein Großprojekt auf Jahrzehnte
wäre.
Medien spekulierten über einen Spontanbeschluss, nachdem Talibanwachen an
den Schulen sich darüber beschwert hätten, dass die traditionelle
Schuluniform – langes schwarzes Kleid und weißes Kopftuch – nicht als
Verschleierung ausreiche.
Die Entscheidung fiel offenbar in der Nacht zum Mittwoch. Sie wurde zentral
über die Provinzbildungsbehörden an die Schulen übermittelt, wie die taz
erfuhr.
## Videos von Tränen-Protesten
Oft hatte der Unterricht schon begonnen, als Talibanwachen oder das
Lehrpersonal die Mädchen wieder nach Hause schickten. Die sozialen Medien
waren voller Videoclips, die weinende Schülerinnen und Eltern zeigten, die
versuchen, sie zu trösten.
Der unabhängige Kabuler Fernsehsender Tolo zeigte ein Mädchen, das
schluchzend sagte: „Warum spielen sie mit uns? Ist es eine Sünde, dass wir
lernen? Das ist unser Recht. Wir sind auch Menschen.“
In einem Fall schossen Taliban in Kabul laut Wall Street Journal sogar in
die Luft, wohl weil Mädchen sich weigerten zu gehen. Es kam zu mindestens
einem Spontanprotest vor einer Schule. Schülerinnen verbreiteten
Protestvideos im Internet.
Talibansprecher Inamuddin Samangani bestätigte die Entscheidung nur
einsilbig: „Ja, das ist wahr.“ Asis Ahmad Rajan, Sprecher des
Bildungsministeriums, sagte: „Es ist uns nicht erlaubt, dies zu
kommentieren.“
## Entscheidungsstrukturen der Taliban unklar
Wegen der intransparenten Strukturen der Taliban blieb vorerst unklar, wer
genau die Entscheidung getroffen hatte. Bei ihnen stehen sich nicht
abgegrenzte Fraktionen mit unterschiedlichen politischen Positionen
gegenüber, sondern regionale Netzwerke ringen um Einfluss.
Timor Scharan, ein inzwischen im Exil lebender Zivilgesellschaftsaktivist,
sagte im Februar in einer Konferenz, Talibangruppen unterschiedlicher
Herkunft kontrollierten in Kabul kleinteilig benachbarte Wohngebiete oder
Straßenzüge, kommunizierten aber untereinander nicht und würden oft auch
nicht von der Führung kontrolliert.
Vielleicht kam die Order auch ganz von oben. Nach unbestätigten Berichten
trifft sich dieser Tage die Talibanführung mit ihrem bisher öffentlich
nicht aufgetretenen obersten Führer [2][Hebatullah Achundsada] in Kandahar,
um interne Spannungen um die Besetzung von Regierungsposten auszuräumen.
Inzwischen schoben die Taliban über lokale Medien erste Erklärungen nach.
Eine offizielle Stellungnahme liegt aber noch nicht vor.
Ministeriumssprecher Rajan wird mit den Worten zitiert, die Mädchenschulen
würden geschlossen bleiben, bis „ein umfassender Plan entwickelt ist, der
die komplette Sicherheit der Mädchen in den Schulen, die Ausbildung von
Lehrerinnen und die Beachtung der Verschleierung gewährleistet“.
Wahidullah Haschemi, im Ministerpräsidentenamt für die Beziehungen zu den
Geberländern zuständig, sagte, die Talibanführung habe „noch nicht
entschieden, wann und wie sie den Mädchen die Rückkehr zur Schule erlauben
wird.“
23 Mar 2022
## LINKS
[1] /Maedchenbildung-in-Afghanistan/!5842580
[2] /Regierungsbildung-in-Afghanistan/!5797653
## AUTOREN
Thomas Ruttig
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