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# taz.de -- Widerwille gegen erneute Lockdowns: In China liegen die Nerven blank
> Bislang haben die Chinesen die Null-Covid-Politik stets akzeptiert. Aber
> nach neuen harten Lockdowns zeigt sich aufgestauter Frust.
Bild: Sicherheitskräfte bringen Waren in ein verriegeltes Wohngebiet in Peking
Peking taz | Halb Schanghai war von Dienstag auf Mittwoch auf den Beinen,
um die nächstgelegenen Gemüseläden und Spätkaufs aufzusuchen und
leerzuräumen. Der Grund für die plötzlichen Panikkäufe: Wie ein Lauffeuer
verbreitete sich in der Nacht das Gerücht, dass die Stadtregierung einen
vollständigen Lockdown verhängen würde. Dabei hatten die meisten
Wohnanlagen erst wenige Stunden zuvor die Stahlschlösser an den verplombten
Toren geöffnet.
Dieser Tage wird die Belastungsgrenze der Chinesen auf die bisher schwerste
Probe seit Frühjahr 2020 gestellt. [1][Unzählige Millionenstädte sind
bereits abgeriegelt], überall im Land werden wieder provisorische
Quarantänecamps und Covid-Spitäler errichtet.
Die täglich gemeldeten Infektionen liegen seit einer Woche relativ konstant
bei knapp 5.000, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. Für die
Nulltoleranzstrategie ist jedoch im Grunde jeder noch so kleine
Infektionsstrang eine existenzielle Bedrohung.
Die Bevölkerung hat die Zero-Covid-Maßnahmen bislang als notwendiges Übel
bereitwillig hingenommen. Nun jedoch, mit Omikron, scheint sich der Frust
um ein Vielfaches erhöht zu haben. Wie viel Wut sich zuweilen aufgestaut
hat, belegt ein Handyvideo aus der südchinesischen Tech-Metropole
Shenzhen: Mit rabiater Gewalt bahnt sich die Menschenmasse ihren Weg durch
die Stahlzäune, die das Viertel zuvor 23 Tage lang abgeriegelt hatten. „Wir
wollen leben, wir wollen arbeiten“, schreien einige der Anwohner in
Richtung der Sicherheitskräfte.
## Tagelöhner und Fabrikarbeiter leiden
Für die mittelständischen Großstädter mag der Lockdown eine mentale
Belastung sein, doch den Fabrikarbeitern und Tagelöhnern entzieht er ihre
einzige Einkommensquelle. Denn die chinesische Regierung zahlt praktisch
keine finanzielle Entschädigung für einen Verdienstausfall, stattdessen
werden fast ausschließlich die Unternehmen unterstützt. Um überleben zu
können, schlafen bereits jetzt etliche Lieferkuriere in Shenzhen auf der
Straße in Zelten, damit sie tagsüber weiterarbeiten können. Denn zu Hause
in ihren Unterkünften droht jederzeit ein zweiwöchiger Lockdown.
Die Lage in der Volksrepublik scheint langsam, aber sicher aus dem Ruder zu
laufen – und zwar nicht wegen des Virus selbst, sondern wegen der dagegen
eingeleiteten Maßnahmen. Im Nordosten stehen Menschen bei Schneesturm und
zweistelligen Minusgraden vor den Testzentren Schlange. In einigen
Provinzstädten [2][töten Mitarbeiter des Gesundheitspersonals die –
potenziell infizierten – Hunde und Katzen] von Anwohnern, die in
Quarantänecamps verschleppt wurden; und Polizisten marschieren in Wohnungen
ein, um „Testverweigerer“ mit körperlichem Zwang zum Einlenken zu bringen.
Immer wieder kommt es zudem in abgesperrten Wohnsiedlungen zum Handgemenge.
Klar ist, dass die Volksrepublik bisher aufgrund radikaler Maßnahmen
unzählige Virustote in der Bevölkerung verhindert hat. Doch immer mehr
zeichnet sich ab, dass im Zuge von Omikron der chinesische
Vorschlaghammeransatz regelrecht kontraproduktiv ist. In einigen
Extremfällen führt der Null-Covid-Ansatz gar zu tödlichen
Kollateralschäden: In der vorherigen Woche ist eine Krebspatientin aus
Schanghai während ihrer Chemotherapie gestorben, da sie aufgrund des
Lockdowns nicht aus ihrer Wohnung und ins Krankenhaus gelassen wurde. In
Changchun [3][starb sogar ein 4-jähriges Kind, da das Spital darauf
bestand], eine Kehlkopfentzündung erst nach Eintreffen eines negativen
Tests zu behandeln.
23 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-china-lockdown-tote-100.html
[2] https://www.bbc.com/news/world-asia-china-59249485
[3] https://www.caixinglobal.com/2022-03-17/trending-in-china-child-dies-as-hos…
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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China
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