# taz.de -- Private Bonitätsprüfungen: Black Box Schufa | |
> Intransparente Kriterien entscheiden darüber, ob Kund:innen einen | |
> Kredit bekommen. Doch jetzt gerät die Geheimniskrämerei unter Druck. | |
Bild: Welche Kriterien welchen Einfluss haben, ist bei der Schufa reichlich int… | |
Frauen zahlen, wenn sie einen Kredit aufnehmen, dafür höhere Zinsen als | |
Männer. Wenn sie denn überhaupt einen Kredit bekommen – eine | |
Finanzierungszusage erhalten Männer in 71 Prozent der Fälle, bei Frauen | |
liegt die Quote bei 64 Prozent. Die Zahlen sind das Ergebnis einer | |
Auswertung von 300.000 Ratenkreditanfragen, die das Vergleichsportal | |
Verivox zum Equal Pay Day im März veröffentlicht hatte. Und man kann jetzt | |
natürlich Bankmitarbeiter:innen für dieses Ungleichgewicht | |
verantwortlich machen. Weil die aber in der Regel nicht nach eigenem | |
Gutdünken entscheiden, dürfte wohl ein wichtiger Teil der Ursache woanders | |
liegen: in der [1][Schufa-Auskunft]. | |
Das Beispiel ist nur eines von vielen für die übersehene Macht der für | |
Verbraucher:innen wichtigsten deutschen Auskunftei – und für ihr dafür | |
erstaunlich geringes Maß an Transparenz. Klar, Verbraucher:innen können | |
mit einigem Suchen auf der Schufa-Webseite eine kostenlose Selbstauskunft | |
anfordern – der Zauberspruch heißt hier „[2][Datenkopie nach Artikel 15 | |
DSGVO]“. Aber das eigentlich Relevante bleibt verborgen: nämlich die | |
Information darüber, welche gespeicherten Daten sich in welcher Gewichtung | |
auf den eigenen „Score“ auswirken, also die Einschätzung der Bonität. | |
Denn Umzüge, laufende Kredite und Mobilfunkverträge, Bankbeziehungen, das | |
Geschlecht – alles das und noch mehr kann sich positiv oder negativ im | |
Score niederschlagen. Doch wie? Da tappen die Betroffenen – und das sind 68 | |
Millionen Menschen, die in Deutschland wirtschaftlich aktiv sind – im | |
Dunkeln. Die Schufa winkt seit Jahren mit dem gleichen Argument ab: | |
Geschäftsgeheimnis. Sogar die Rechtsprechung stellte sich bislang hinter | |
diese Argumentation. | |
Doch nun bewegt sich etwas. Und zwar gleich auf vier verschiedenen Ebenen. | |
Die Chancen auf ein Mehr an Transparenz sind daher so hoch wie noch nie. Da | |
ist zunächst die interne Ebene: Die Schufa selbst scheint erkannt zu haben, | |
dass sie in Sachen Transparenz gegenüber den Verbraucher:innen bislang | |
in einer Liga mit Bad Guys wie Google oder Meta spielt. | |
Und genau wie es für Menschen, die im Internet unterwegs sind, nahezu | |
unmöglich ist, den IT-Konzernen nicht auf dem ein oder anderen Wege | |
unfreiwillig Daten rüberzuschieben, kommen auch in Deutschland | |
wirtschaftlich aktive Menschen nicht an der Schufa vorbei. | |
Mobilfunkvertrag, Onlinekauf, Bankkonto – schon dabei. | |
Aber: Die neue Schufa-Chefin Tanja Birkholz kündigte im vergangenen Jahr | |
an, die Auskunftei transparenter zu machen. Zu sehen ist davon zwar noch | |
nichts. Aber es ist zu hören, dass man im Haus tatsächlich an mehreren | |
Projekten arbeitet. Das ist wichtig, denn eine innere Bereitschaft für | |
einen Unternehmenswandel ist die Basis für Veränderungen. | |
Die zweite Ebene ist die Politik. Die grüne Verbraucherschutzministerin | |
Steffi Lemke war gerade zwei Monate im Amt, da reihte sie sich bei den | |
Kritiker:innen ein: „Derzeit ist das Zustandekommen des Schufa-Scores | |
immer noch eine Black Box“, sagte Lemke und forderte, was | |
Verbraucherschützer:innen schon lange fordern: Das Unternehmen muss | |
offenlegen, welche Faktoren sich wie auf den Score auswirken. Eine | |
gesetzliche Verpflichtung wird aus dieser Äußerung wohl kaum entstehen, | |
aber es kann hilfreich sein, wenn auch eine politische Transparenzforderung | |
durch die Schufa weht. | |
Die dritte Ebene: Die Schufa ist aktuell Gegenstand von | |
Übernahmeverhandlungen. Der [3][schwedische Finanzinvestor EQT] will sich | |
in die Schufa einkaufen. Und die Schweden gehen mit einem ungewöhnlichen | |
Verbraucherschutzkonzept auf Werbetour: Verbraucherschutz mit seinen | |
Verwandten Datenschutz und Transparenz gilt bislang in der Wirtschaft immer | |
noch zu häufig als etwas, das man sich in den Compliance-Bericht schreibt, | |
aber nur im Notfall auch umsetzt. Von den jetzigen Anteilseignern der | |
Schufa ist da kein großer Schub zu erwarten. Die Schufa funktioniert für | |
sie super, mehr Transparenz würde das Geschäftsmodell von Banken und | |
Handel, den derzeitigen Anteilseignern, kaum verbessern. | |
## Näherer Blick auf die Kriterien | |
Der potenzielle Investor hat dagegen konkrete Vorstellungen: von einer | |
Stärkung der Ombudsperson über einen regelmäßigen Dialog mit | |
Verbraucherschützer:innen bis hin zu Einblicken der | |
Verbraucher:innen, „welche Daten jeweils mit welcher Gewichtung in | |
einzelne Scores eingehen“, wie es heißt. Damit gibt es ein realistisches | |
Konzept dazu, was mindestens möglich sein sollte. Und an dem sich der | |
Investor auch messen lassen muss, wenn er den Einstieg schafft. | |
Das Problem: Sowohl [4][EQT] als auch die Schufa selbst sehen den Kern des | |
Transparenzdefizits, die Berechnungsformel, weiterhin unberührt. Bei EQT | |
heißt es: Man wolle keine „Offenlegung des vollständigen Algorithmus, um | |
[die] Wettbewerbsfähigkeit der Schufa zu wahren“. Das ist interessant, | |
schließlich ist die Schufa im Verbraucherbereich die Nummer eins der | |
Auskunfteien in Deutschland. Selbst wenn die Formel morgen offen läge, | |
müssten Konkurrenten es erst einmal schaffen, auf eine annähernd | |
vergleichbare Masse an Verbraucherdaten zu kommen. Der Gedanke sollte daher | |
vielmehr ein umgekehrter sein: Ist es nicht sogar geboten, dass die Schufa | |
als Marktführer den Algorithmus offenlegt? | |
Hier könnte die vierte Ebene relevant werden: ein Verfahren, das gerade vor | |
dem Europäischen Gerichtshof liegt und sich dieser Frage widmet: Wenn die | |
Datenschutz-Grundverordnung automatisierte Entscheidungen mit „rechtlicher | |
Wirkung“ verbietet – kann dann das Schufa-Bonitäts-Scoring legal sein? Die | |
Auskunfteien argumentieren, die Entscheidung etwa über einen Kredit träfen | |
ja nicht sie, sondern die Bank. In der Praxis dürfte das jedoch eine | |
ziemliche 1:1-Entscheidung sein: Score zu niedrig = kein Vertrag. | |
Wenn es die Schufa ernst meint mit der Transparenz, sollte sie einem Urteil | |
zuvorkommen. Und sich dafür von einem festgefahrenen | |
Geschäftsgeheimnis-Verständnis verabschieden. | |
22 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Schufa | |
[2] https://www.awo-muenchen.de/fileadmin/Beratung/Schuldnerberatung/SCHUFA_Bes… | |
[3] /ThyssenKrupp-Investor-Cevian/!5523203 | |
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/EQT_(Unternehmen) | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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