# taz.de -- Flucht aus der Ukraine: Feldbetten als Notlösung | |
> Fast 200.000 Flüchtlinge aus der Ukraine hat Deutschland bisher erfasst. | |
> Die Registrierung läuft schleppend, Finanzfragen sind ungeklärt. | |
Bild: Auch in der Messe Magdeburg sollen Feldbetten erst einmal Schutz bieten | |
Berlin taz | Die weißen Zelte auf dem Grasboden erinnern auf den ersten | |
Blick an ein Jugendferienlager. In jedem der Zelte stehen zehn Feldbetten, | |
auf denen dunkelblaue Schlafsäcke liegen. Wie lange man denn Menschen in | |
einem solchen Zelt unterbringen könne, fragt Bundesinnenministerin Nancy | |
Faeser (SPD). „Bis zum nächsten starken Regen“, antwortet Oliver Oswald, | |
Koordinator beim Technischen Hilfswerk, trocken. Beim Ortstermin der | |
Ministerin am Freitag im Ankunftszentrum für Geflüchtete in | |
Berlin-Reinickendorf wird klar: Dies ist ein Ort der Notlösungen. Und er | |
kann wohl auch nichts anderes sein. | |
Fast 200.000 Geflüchtete aus der Ukraine sind bisher in Deutschland | |
registriert. Da sich Ukrainer:innen in den ersten drei Monaten [1][nach | |
der Einreise ohne Visum oder Registrierung] frei bewegen können, dürfte die | |
tatsächliche Zahl der Eingereisten erheblich höher sein. Faeser wies am | |
Freitag Kritik zurück, die Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland | |
verlaufe auch nach mehr als drei Wochen teilweise planlos. Sie arbeite | |
„engstens mit den Ländern und Kommunen zusammen, um schnell für Entlastung | |
und Verteilung zu sorgen“, sagte Faeser. | |
Die behördliche Registrierung als Kriegsflüchtling nach der sogenannten | |
[2][Massenzustrom-Richtlinie der EU] ist die Voraussetzung, um eine | |
Aufenthaltserlaubnis, Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz | |
und eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Bund und Länder haben nach der | |
Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag noch mal bestätigt, dass es den | |
Vertriebenen ermöglicht werden soll, mit der Erteilung der | |
Aufenthaltserlaubnis unmittelbar eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. | |
Die Arbeitsagenturen sollen die Geflüchteten „beraten, vermitteln und | |
Leistungen der aktiven Arbeitsförderung anbieten“, heißt es im Beschluss | |
der Ministerpräsidentenkonferenz. | |
Wegen der Überlastung der Ämter ist aber eine Registrierung vielerorts | |
nicht möglich. In Berlin kommen pro Tag nach Angaben der Regierenden | |
Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) 10.000 Menschen an, die Stadt trägt | |
mit die Hauptlast der Flüchtlingsbewegung. Dort ist derzeit über die | |
erforderliche Onlinebuchung kein Termin für eine Registrierung beim | |
Ankunftszentrum zu bekommen. Alle Termine sind ausgebucht. | |
## Stundenlanges Anstehen | |
Marina G., 40 Jahre alt, Mutter zweier Kinder, kommt aus dem zerbombten | |
Charkiw und ist schon seit zwei Wochen in Berlin. Sie hoffe, durch | |
persönliche Vorsprache beim Ankunftszentrum doch noch registriert werden zu | |
können, erzählt sie im Gespräch mit der taz. Dies ist aber kein offizieller | |
Weg. | |
Auf einem Sozialamt in Berlin bekam G. nach Vorlage ihres ukrainischen | |
Passes zur Überbrückung eine Abschlagszahlung von 50 Euro pro Person. „Ich | |
musste schon um 6 Uhr kommen und mit vielen anderen Familien drei Stunden | |
in der Schlange vor dem Sozialamt anstehen“, erzählt sie, die in Charkiw | |
als Buchhalterin arbeitete und ihren Mann in der Ukraine zurücklassen | |
musste. | |
Wer für die Kosten der Unterbringung, der Sprachkurse, der | |
Arbeitsmarktintegration und Beschulung der Kinder aufkommt, ist zwischen | |
Bund, Ländern und Kommunen noch nicht geklärt. Bundeskanzler Olaf Scholz | |
(SPD) sprach in der [3][Ministerpräsidentenkonferenz von einer | |
„Mitverantwortung“] des Bundes für die Finanzierung der | |
Flüchtlingsaufnahme. Eine Arbeitsgruppe soll bis zum 7. April Lösungen für | |
die Finanzierungsfragen erarbeiten. | |
## Zukunft hängt vom Kriegsgeschehen ab | |
Man erwarte vom Bund eine „klare Zusage zur Übernahme der Finanzierung bei | |
Unterbringung, Versorgung und Integration sowie Unterstützung und | |
Vereinfachung der Verfahren bei der Registrierung und Verteilung“, sagte | |
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftführer des Deutschen Städte- und | |
Gemeindebundes am Freitag der Rheinischen Post. | |
Scholz, Giffey und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kündigten an, dass | |
die ukrainischen Kriegsflüchtlinge möglichst schnell in den Alltag in | |
Deutschland integriert werden sollten. „Integration durch Normalität“ sei | |
wichtig, sagte Giffey. Sowohl Wüst als auch Giffey verwiesen darauf, dass | |
Arbeitskräfte gesucht würden und deshalb auch die Integration in den | |
Arbeitsmarkt möglich sei. | |
Wer von den Geflüchteten aber überhaupt in Deutschland bleiben und die | |
jahrelange Mühe des Spracherwerbs auf sich nehmen will, ist noch nicht | |
abzusehen, ebensowenig, ob und wie die Männer zu den geflüchteten Frauen | |
und Müttern nachkommen werden. Vieles hängt davon ab, wie sich das | |
Kriegsgeschehen entwickelt. Marina G. etwa will unbedingt in die Ukraine | |
zurück, sagt sie, deren Wohnung ausgebombt wurde: „Das ist doch meine | |
Heimat.“ | |
18 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/ministerium/ukraine-krieg… | |
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__24.html | |
[3] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/2017498/111ba385e00b668… | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Ukraine | |
Geflüchtete | |
GNS | |
Ukraine | |
Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Flucht nach Berlin: Matratzenlager statt Gottesdienst | |
Mit der Registrierung werden viele Flüchtlinge aus Berlin in andere | |
Bundesländer umverteilt. Eine freikirchliche Gemeinde will das nicht | |
hinnehmen. | |
Platz für Ukraine-Flüchtlinge: Bürgerverträge auf Eis gelegt | |
Damit Hamburg schnell mehr Geflüchtete unterbringen kann, wurden die | |
Vereinbarungen mit Bürgern zum Platzabbau ausgesetzt. Zunächst für ein | |
Jahr. | |
Sprechen über Flucht: Wer flieht, hat Gründe | |
Eine sprachliche Unterscheidung zwischen Vertriebenen und Migranten steht | |
uns nicht zu. Solche Begriffe suggerieren Dringlichkeiten und schaffen | |
Kluften. | |
Ukrainische Geflüchtete in Deutschland: Aus Leid wird Profit | |
Wenn Menschen vor Krieg fliehen, sind Menschenhändler nicht weit. | |
Innenministerin Faeser setzt nun auf mehr Polizei. Doch das reicht nicht | |
aus. | |
Geflüchtete im Tropenhaus: Zuflucht unter Palmen | |
Ukrainer*innen finden in der Biosphäre Potsdam vorübergehend Unterkunft. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass Geflüchtete dort ein Quartier haben. | |
Kiew bleibt Putins Ziel: Die Wut wächst | |
In den vergangenen Tagen ist es in Kiew ruhiger geworden, doch die | |
Bedrohung ist nicht vorbei. Die Menschen bereiten sich auf die große | |
Schlacht vor. |