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# taz.de -- Eisenerzförderung in Schweden: „Sozialdemokraten lieben Gruben“
> Eine britische Firma will in Nordschweden eine Eisenerzgrube schaffen.
> Stockholms Wirtschaftsminister ist Fan – angeblich des Klimas wegen.
Bild: Eine Eisenerzgrube auf indigenem Land fürs Klima? Greta Thunberg (Mitte)…
Stockholm taz | Greta Thunbergs Thema war nicht allein das Klima, als sie
ihren 181. Schulstreik im Februar extra ins tief verschneite Nordschweden
verlegte. Rund 40 Kilometer nördlich des Orts Jokkmokk soll ein neuer
Eisenerztagebau entstehen, genauer: in Kallak oder samisch Gállok.
In der Region lebt die [1][indigene Minderheit der Samen], zum Beispiel von
der Rentierwirtschaft. Ansonsten gibt es viel Erholungs- und
Wandertourismus. Beides ist direkt an die intakte Landschaft gekoppelt und
somit in Gefahr, sollte es zu der neuen Grube kommen.
Von der örtlichen Regionalregierung, die für die Genehmigung in erster
Linie zuständig wäre, fing sich die britische Prospektierungsfirma Beowulf
deshalb eine Absage für das Projekt ein. Es seien „[2][irreversible
Eingriffe in die Natur] und eine nachhaltige Beeinträchtigung der
Landnutzung“ zu erwarten. Die Erzvorkommen seien zudem vergleichsweise
gering, sodass sich die staatlichen Investitionen zur Anbindung der Grube
an die öffentliche Infrastruktur nicht lohnen würden.
Aufgrund dieser Ablehnung liegt die Genehmigungsfrage nun aber auf dem
Tisch der Regierung in Stockholm, die noch im März entscheiden will. Von
dort gibt es Signale, die auf ein grünes Licht für die Grube hindeuten.
Seit dem Ende der rot-grünen Koalition im November 2021 regieren dort die
Sozialdemokraten allein.
## Es winken 300 Jobs
Der nun zuständige Wirtschaftsminister Karl-Petter Thorwaldsson ließ von
Anfang an keinen Zweifel daran, wie parteiisch er bei dieser Frage ist.
„Wir Sozialdemokraten lieben Gruben“, erklärte er schon im ersten Interview
nach Amtsübernahme. „Es ist fantastisch, dass wir aus unserem Gebirge Erz
und Mineralien brechen können.“ Die Schaffung neuer Arbeitskräfte – es so…
um höchstens 300 gehen – ist eines seiner Argumente. Aber natürlich
versucht der Minister auch, so einer neuen Grube ein grünes Mäntelchen
umzuhängen.
Man brauche das Erz, um „grünen“ Stahl und die Batterien für alle neuen
E-Autos produzieren zu können, wirbt Thorwaldsson, der sich selbst als
„Umweltarbeiter“ beschreibt. Und in Richtung Greta Thunberg kritisiert er:
„Manche, die kritisch gegenüber Gruben sind, wollen doch, dass wir die
Klimaumstellung bis 2045 schaffen. Dazu brauchen wir mehr Mineralien.“
Seiner Meinung nach sei es „fast unsere moralische Pflicht, neue Gruben zu
öffnen“.
Netter Versuch, aber meilenweit von der Wahrheit entfernt, twitterte
Thunberg zurück. Eisenerz sei global reichlich vorhanden, auch ohne eine
neue Grube in Gállok. Weil die Interessen der samischen Bevölkerung
ignoriert werden sollen, spricht sie von einem „typischen [3][Beispiel für
Neokolonialismus]“.
## Kommission gegen das Unrecht gegenüber Samen
Wenn die Regierung schon das Klimaargument gebrauche, dann solle sie auch
berücksichtigen, welche negativen Folgen die Klimaänderungen schon jetzt
für die Samen haben, schaltete sich auch Antje Jackelén ein, Erzbischöfin
der Schwedischen Kirche. Sie schrieb der Regierung einen offenen Brief zur
Beschwerde.
Das Gállok-Projekt sei weder ökologisch noch sozial oder ökonomisch
haltbar. Im vergangenen Jahr habe Stockholm eine Wahrheits- und
Versöhnungskommission angekündigt, die sich mit dem Unrecht befassen solle,
das der schwedische Kolonialismus jahrhundertelang den Samen angetan habe.
Die Kommission erhielt auch den Auftrag, Vorschläge dafür zu machen, wie
man solches Unrecht in Zukunft vermeiden könne. Jackelén fragt: Bereitet
die Regierung nun stattdessen einen weiteren Übergriff vor, opfert Kultur
und Lebensgrundlage der Samen erneut dem wirtschaftlichen Wachstum von
Schweden?
Es wird spannend sein zu sehen, ob es mehr als leere Worte waren, als
Ministerpräsidentin Magdalena Andersson vor ihrem Amtsantritt betonte, sie
sehe sich in der Tradition von Ministerpräsident Olof Palme. Der hatte 1972
in Stockholm die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen unter dem
Motto „Only One Earth“ organisiert. In der damaligen „Erklärung von
Stockholm“ heißt es, jedermann habe das Recht, „in einer Umwelt mit einer
Qualität zu leben, die ein Leben in Würde und Wohlergehen ermöglicht“.
9 Mar 2022
## LINKS
[1] /Samische-Minderheit-Schwedens-im-Film/!5494111
[2] /Rohstoffe-fuer-die-Energiewende/!5772477
[3] /Alter-und-neuer-Kolonialismus/!5818114
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Bergbau
Schweden
Rohstoffgewinnung
Indigene
Rohstoffe
Müll
Schweden
Film
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