# taz.de -- Ermittlungen wegen Stones und Jatta: Hamburger Verfolgungswahn | |
> Hamburgs überlastete Staatsanwaltschaft hat sich in Verfahren verrannt, | |
> die den Betroffenen schwer schaden. Rassismusvorwürfe kontert sie | |
> dünnhäutig. | |
Bild: Die Identität des Gambiers Jatta bezweifelt die Anklagebehörde, die des… | |
Egal wie das [1][Urteil im Korruptionsprozess um Eintrittskarten für ein | |
Rolling-Stones-Konzert ausfällt]: Hamburgs Staatsanwaltschaft hat schon | |
verloren. Denn das Gros ihrer Anklage musste sie längst kassieren: | |
Bestechung und Bestechlichkeit, Vorwürfe, die dazu angetan sind, | |
bürgerliche Existenzen zu vernichten. Sie stützten sich allein auf eine | |
Hypothese darüber, wie viel Miete eine Wiese kosten müsse. Aber die war | |
dreifach zu hoch angesetzt, weil schlampig recherchiert. | |
Auf dieser dünnen Grundlage hat die Anklagebehörde fast fünf Jahre lang ein | |
gutes Dutzend angesehener Bürger:innen – und, ja, zum Teil auch | |
Diener:innen – der Stadt mit Ermittlungen überzogen, deren Schäden kaum | |
reparabel sein werden. Selbst wenn die Angeklagten auch vom verbliebenen | |
Micker-Vorwurf der Vorteilsnahme freigesprochen würden. | |
Die Staatsanwaltschaft klagt seit Jahren über chronische Unterbesetzung. | |
Umso skurriler wirkt der Verfolgungseifer, den sie an den Tag legt. | |
Natürlich wäre im Fall „Rolling Stones“ denkbar, dass die krasse | |
Fehleinschätzung, die der Anklage zugrunde liegt, eben jener | |
Arbeitsüberlastung geschuldet ist – und dass die gleichzeitig verhindert, | |
dass interne Kontrollmechanismen greifen. | |
Zweifel daran nährt ein anderer „Fall“, in dem es nicht mehr nur um die | |
Zerstörung der bürgerlichen, sondern der Existenz überhaupt geht: Jüngst | |
[2][lehnte das Amtsgericht Altona die Eröffnung eines Verfahrens gegen den | |
Fußballprofi Bakery Jatta ab], dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, mit | |
einer falschen Identität eingereist zu sein. Beweise, die eine Verurteilung | |
wahrscheinlich machen würden, hat sie nach Ansicht des Gerichts nicht. | |
Jatta dagegen hat vor geraumer Zeit beglaubigte Papiere vorgelegt, deren | |
Echtheit Hamburger Behörden bestätigt haben. | |
## „Kampagne“ betreiben immer die anderen | |
Dennoch hat die Staatsanwaltschaft gegen die Nicht-Eröffnung Widerspruch | |
eingelegt und nun sogar einen Befangenheitsantrag gegen den Richter | |
gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat sich in diesem Zusammenhang als Opfer | |
einer Medienkampagne pro Jatta hingestellt. Das ist eine fast schon ulkige | |
Form der Schuldumkehr, denn es war [3][eine Kampagne der Sport Bild und | |
ihres Mutterschiffs, die die Ermittlungen erst ausgelöst hatte]. Und bei | |
einer Razzia in Jattas Wohnung waren Bild-Reporter dabei. | |
Besonders getroffen hat die Staatsanwaltschaft der auch von Grünen und | |
Linken erhobene Vorwurf, die Ermittlungen gegen Jatta seien rassistisch | |
motiviert. Es lassen sich schwer Vergleiche anstellen bei Delikten gegen | |
das Aufenthaltsrecht, die per definitionem nur Nicht-EU-Ausländern zur Last | |
gelegt werden, also meist People of Colour. Aber das zentrale | |
„Beweis“-Stück der Staatsanwaltschaft, ein mehrere Tausend Euro teures | |
[4][Bewegungsgutachten], das anhand von Bewegungsabläufen in Videoaufnahmen | |
die Personenidentität von Jatta und einem anderen Fußballprofi belegen | |
soll, erinnert an die dunkelsten Kapitel der biologischen Anthropologie. | |
Schwerer wiegt, dass die Staatsanwaltschaft zur Echtheit von Jattas | |
Personaldokumenten lediglich lapidar darauf verweist, so was könne man in | |
Gambia auch nachträglich beschaffen. Bei einer belgischen Geburtsurkunde | |
hätte man wohl zumindest vor Ort eine Überprüfung des einzelnen Dokuments | |
angestrengt. | |
## Es ist die Herkunft | |
Es ist also sehr wohl seine Herkunft, die dazu führt, dass Bakery Jatta | |
auch nach anderthalb Jahren noch nicht in Ruhe Fußball spielen kann. Und | |
das kann man rassistisch nennen. | |
Die taz hatte in ihrem – satirischen – [5][„vorauseilenden | |
Jahresrückblick“] an Silvester prophezeit: „Bei ihrer Jagd auf Bakary | |
Daffeh verzeichnet die Hamburger Staatsanwaltschaft einen Rückschlag: | |
HSV-Kicker Bakery Jatta kann beweisen, dass er nicht Bakary Daffeh ist, | |
obwohl er fast denselben Vornamen trägt. In der Folge wird geprüft, ob man | |
die Anklage gegen Jatta wegen Vortäuschens einer falschen Identität | |
abschwächen könne, zweifelt aber daran,,denn schwarz ist er ja weiterhin'‚ | |
so eine Sprecherin.“ | |
In diesem Sinne: Sollte es tatsächlich eine Medienkampagne pro Jatta und zu | |
Lasten der Staatsanwaltschaft geben, würde die taz an dieser Stelle gern | |
die geistige Urheberschaft daran beanspruchen. | |
8 Apr 2022 | |
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[1] /Korruptionsprozess-zu-Stones-Konzert/!5839345 | |
[2] /Kein-Verfahren-gegen-HSV-Profi-Jatta/!5836528 | |
[3] /Jagd-auf-HSV-Profi-Bakery-Jatta/!5738314 | |
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[5] /Vorauseilender-Jahresrueckblick-2022/!5822279 | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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