# taz.de -- Streit um Atommülllager in Kroatien: Angst im Tal des Una-Flusses | |
> Pläne für ein Atommülllager besorgen die Nachbarn in Bosnien und | |
> Herzegowina. Nun will sich die Regierung bei der EU-Kommission | |
> beschweren. | |
Bild: Die Nachbarn wollen den Nuklearmüll nicht in ihrer Nähe: Notfallübung … | |
SARAJEWO taz | [1][Nationalismus und drohende Aufspaltung] des Landes: Als | |
hätten die Menschen in Bosnien und Herzegowina nicht schon Sorgen genug. | |
Jetzt kommt noch ein weiterer regionaler Konflikt hinzu: Kroatien plant | |
eine Endlagerstätte für Atommüll auf dem Gebiet Trgovska Gora, das nahe der | |
Grenze zu Bosnien und Herzegowina liegt. | |
Für den Ort der Anlage auf dem Gelände des ehemaligen Militärlagers | |
Čerkezovac gebe es „keinen Plan B“, sagt Tomislav Ćorić, kroatischer | |
Minister für Wirtschaft und Nachhaltigkeit. Kroatien wolle „eine Anlage an | |
einem sicheren Ort und nach den höchsten Standards bauen, nicht nur für die | |
Lagerung von Abfällen aus dem Kernkraftwerk Krško“, sondern auch für | |
anderen schwach und mittelstark strahlenden Atommüll aus dem Land. | |
Das in den 70er Jahren mit US-amerikanischer Technologie gebaute | |
kroatisch-slowenische Atomkraftwerk [2][Krsko] steht 40 Kilometer nördlich | |
von Zagreb an der Grenze der beiden Staaten – und liefert noch Strom. Es | |
ist das einzige [3][Atomkraftwerk] des ehemaligen Jugoslawien, liegt aber | |
in einem Erdbebengebiet. | |
Bereits 1997 gab es erste Pläne für ein Endlager, doch erst 2018 wurden sie | |
konkretisiert. Gebaut wird aber noch nicht. Denn es hagelt Proteste: Bürger | |
von 13 Gemeinden auf der bosnischen Seite – mit insgesamt rund 350.000 | |
BewohnerInnen – fürchten die Gefahren, die von einer Endlagerstätte | |
ausgehen könnten. Die Kritik ist einhellig: Die Kroaten machten es sich zu | |
leicht, den Atommüll am Rand ihres Territoriums zu lagern, potentielle | |
Schäden hätten vor allem die Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina | |
auszubaden. | |
## Gefahren durch Erdbeben | |
Die bisherigen Informationen über geologische Beschaffenheit dieses Ortes | |
erscheinen wenig verheißungsvoll. ExpertInnen fürchten, es könnte | |
Sickerwasser aus dem Lager in den 800 Meter entfernten Una-Fluss gelangen. | |
Die grünlich schimmernde und als Naturwunder gepriesene Una und ihre | |
Flusslandschaft gehören bislang zu den saubersten Gewässern des westlichen | |
Balkan. | |
Neben der Sorge, das Gestein der Region sei für eine Endlagerstätte nicht | |
geeignet, verweisen die KritikerInnen auf die Gefahren von Erdbeben. Erst | |
im vergangenen Jahr gab es ein schweres Beben, das Teile der kaum 60 | |
Kilometer entfernten Städte Karlovac und Petrinja verwüstete. Deshalb | |
forderte eine Expertenkommission der bosnischen Seite, bei den geologischen | |
Untersuchungen des Geländes beteiligt zu werden, um Klarheit über die | |
Beschaffenheit des Gesteins zu erhalten. | |
Das Thema beschäftigte auch die Münchener Sicherheitskonferenz: Die | |
bosnische Außenministerin Bisera Turkovic erklärte, man wolle nun Daten | |
über die Region systematisch sammeln, internationale Konventionen seien | |
gebrochen worden. | |
## Ministerpräsident hat sich eingeschaltet | |
Zwar fühlen sich die Bosnier auch übergangen, weil sie nicht an den | |
Erkundungen für den Standort beteiligt wurden. Allerdings gab es ein | |
Gremium, in dem Experten und Aktivisten aus Bosnien und Herzegowina und | |
Kroatien beteiligt waren, betont Zvjezdan Karadzin, Umweltexperte der | |
Fakultät für Bergbau, Geologie an der Universität in Tuzla. | |
Auch Ministerpräsident Zoran Tegeltija hat sich in den Konflikt | |
eingeschaltet. Die Regierung werde sich offiziell bei der [4][kroatischen | |
Regierung und der EU-Kommission] über das geplante Endlager an der Grenze | |
zu beschweren, sagte er am Freitag. Tegeltija forderte die kroatische Seite | |
auf, endlich ernsthaft zu verhandeln. Es gebe zu viel [5][„Angst im Tal des | |
Una-Flusses“.] Ein anderer Standort für das Endlager sei „die beste Lösun… | |
weil es bereits viele Spannungen gibt“, sagte Tegeltija. | |
Die Bosnier sind Übergriffe der Nachbarländer auf die Natur des Landes | |
allerdings gewohnt. So plant Serbien ein Wasserkraftwerk an dem auf | |
bosnischen Territorium liegenden Drina-Fluss, das Strom allein für Serbien | |
und die serbische Teilrepublik in Bosnien liefern soll. In der serbischen | |
Teilrepublik wird zudem laut KritikerInnen der gemeinsame Staatsbesitz an | |
Wäldern verhökert und rücksichtslos ausgebeutet. | |
In von bosnischen Kroaten kontrollierten Gemeinden in der Herzegowina wird | |
Wasser illegal nach Kroatien geliefert, bemängeln ExpertInnen. All dies | |
führt zurück auf das Problem der schwachen bosnischen Verfassung und die | |
Unfähigkeit des Gesamtstaates, derartige Praktiken zu verhindern. „Alle | |
Nachbarn können in Bosnien machen, was sie wollen, ohne Strafe zu erwarten“ | |
schreiben bosnischen Medien in Sarajevo – und es klingt resigniert. | |
14 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Baerbock-in-Sarajevo/!5836799 | |
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[3] /Flussrettung-in-Slowenien/!5254144 | |
[4] https://sarajevotimes.com/tegeltija-there-will-be-no-shortage-of-any-kind-o… | |
[5] https://sarajevotimes.com/plenkovic-tegeltija-bih-and-croatia-have-some-ope… | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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