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# taz.de -- Störfall im slowenischen Akw Krsko: Verwirrung um "europaweiten Al…
> Weil der Kühlkreislauf Leck schlug, musste Sloweniens Akw abgeschaltet
> werden. Schlimm genug, doch eine Meldung der Agenturen löste zusätzlich
> Verwirrung aus.
Bild: Was ist hier genau passiert? Kontrollraum des Akw Krsko.
BERLIN taz/reuters/dpa Um 19 Uhr 45 sendete die Nachrichtenagentur AFP eine
Eilmeldung los: "+++ Dringend +++ EU löst europaweiten Alarm nach
Atom-Zwischenfall in Slowenien aus". Das führte nicht nur im Radio und auf
einigen Newssites im Internet zu alarmistischen Nacherzählungen, auch auf
dem Sommerfest von Greenpeace in Berlin löste es erhebliche Unruhe aus.
Dort hatten sich am Abend Umweltpolitiker und Ökojournalisten der
Hauptstadt zur jährlichen Feier versammelt.
Schnell hatte sich die Nachricht verbreitet, einige Anwesende verfolgten
die weitere Entwicklung auf ihren Handys - und gaben regelmäßig Auskünfte
an die Umstehenden weiter. Andere, wie der anwesende Pressesprecher des
Umweltministeriums, verschwanden im Nebenraum, um zu telefonieren. Wenn die
EU-Kommission schon Alarm schlug, dann müsse der Störfall ja sehr ernst
sein, war die allgemeine Sorge. Viele dachten an die Ereignisse von
Tschernobyl vor 22 Jahren.
Doch rasch entpuppte sich die Meldung als Übertreibung. Die EU-Kommission
hatte keinesfalls Alarm ausgelöst, sondern lediglich eine Störfallmeldung
über ihren Meldungsverbund ECURIE weitergeleitet. Die kam aus Slowenien vom
einzigen Atommeiler des Landes, dem Reaktor Krsko.
Dort war, dem Bericht der Atomaufsicht zufolge, am Nachmittag um 15 Uhr 07
ein Leck im primären Kühlkreislauf entdeckt worden. Daraufhin entschloss
sich die Kraftwerksleitung offenbar, den Reaktor herunterzufahren und das
Leck zu untersuchen. Um 20 Uhr 10 war der Meiler dann komplett
abgeschaltet, sagte der Leiter der slowenische Atomaufsichtbehörde, Andrej
Stritar, in einer Erklärung. Den Störfall stuft er als "ungewöhnliches
Ereignis" und damit als einen der "niedrigsten Stufe" ein. "Die Sache ist
unter Kontrolle", so Stritar.
Stärker können sich eine Agenturmeldung und ein Erklärung der Behörden kaum
unterscheiden. Was ist aber nun wirklich von dem Vorfall zu halten?
Ein Leck im Primärkreislauf ist keine Bagatelle. Schließlich ist ein
ständiges Kühlen des Reaktors erforderlich, um zu verhindern, dass die
Kernspaltung außer Kontrolle gerät. Außerdem ist das Wasser des
Primärkreislaufes in der Regel radioaktiv belastet. Um den Vorfall richtig
einschätzen zu können, liegen bislang zu wenig Informationen vor.
Immerhin: Laut Angaben der slowenischen Atomaufsicht ist keine
Radioaktivität aus dem Kraftwerk entwichen. Möglich ist aber durchaus, dass
einige Bereiche des Akw kontaminiert sind - darüber macht die Behörde in
ihrer Erklärung ebenfalls keine Angaben.
Der Behörde zufolge haben Ingenieure bereits den Schaden untersucht und das
Leck in der Nähe der Kühlwasserpumpe entdeckt. Das Wasser im
Primärkreislauf ist siedend heiß und steht unter sehr hohem Druck. Bevor
die Kraftwerksarbeiter den Schaden reparieren können, muss der Reaktor
zunächst ein paar Tage abkühlen.
Das Bundesumweltministerium sah sich nach der panischen Anfangsmeldung von
AFP genötigt, vor "unnötiger Dramatik" zu warnen. Die Nachricht über den
Störfall sei von Slowenien selbst ausgelöst und wie üblich über Brüssel
ohne eigenes Zutun der Kommission automatisch weitergeleitet worden,
erklärte ein Ministeriumssprecher. "Es gibt keine Gefahr, zumindest nicht
für die deutsche Bevölkerung", ergänzte Umweltminister Sigmar Gabriel etwas
später am Abend.
Weniger entspannt ist die österreichische Regierung. Dort verlangt man
demonstrativ die vollständige Aufklärung des Zwischenfalls. Die
Österreicher sind sauer, weil Slowenien den Vorfall gegenüber dem
österreichischen Strahlenschutz zunächst als "Übung" dargestellt hatte. Die
Slowenen rechtfertigten ihren Fehler Medienberichten zufolge damit, aus
Versehen ein falsches Formular ausgefüllt zu haben.
Das Vertrauen in das slowenische Alarmsystem sei durch den Vorfall "massiv
infrage gestellt", erklärte der österreichische Umweltminister Josef Pröll
am Mittwochabend in Wien.
Pröll teilte mit, er wolle das Thema am Donnerstag beim Treffen der
EU-Umweltminister in Luxemburg ansprechen. Skeptisch ist auch der
Atomkraftexperte Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe, dass der
Vorfall bereits zutreffend beschrieben ist: "Wenn uns die Erfahrung mit
solchen Störfällen eines lehrt, dann, dass man - unabhängig vom Land - am
Anfang nicht die Wahrheit erzählt."
5 Jun 2008
## AUTOREN
Matthias Urbach
## TAGS
Umweltschutz
Schwerpunkt Atomkraft
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