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# taz.de -- Die Wahrheit: Morbides Fan-Wien
> Wien, wie es leibt, lebt und stirbt – ein Besuch beim Grab des großen
> Wieners Ernst Happel, der den Hamburger SV einst zu legendären Höhen
> führte.
Bild: Endlich enthüllt: Die wahre Layla heißt Pattie Boyd
Am Grab von Ernst Happel musste ich schwer husten. Zum Glück recht trocken,
zur Seite drehen musste ich mich nicht. Der abendliche Test fiel negativ
aus. Wir waren extra hergekommen, herauf in den 17. Bezirk. Das Grab war
gar nicht so leicht zu finden, es war ein spieltagfreier Samstag, einer von
diesen endlosen, spielfreien Samstagnachmittagen; selbst im nahen Stadion
des Wiener Sport-Klubs, das schön mitten in ein Wohngebiet gebaut worden
war, herrschte eine zwar besonnte, aber dennoch ziemlich todesähnliche
Stille.
Auf dem Friedhof ging es erst mal bergauf. Bei Sichtung der Gräber stellte
ich mir einen alphabetisch sortierten Friedhof vor, was den Totengräbern
gewiss einige Mühe bereiten und uns die Suche nach dem Ehrengrab des
legendären Trainers des ruhmreichen HSV erleichtern würde. Wie sich
herausstellte, war die letzte Ruhestätte des Mythen umwogten Kettenrauchers
das Grab Nr. 238, als solches auch das einzige, das mit einer Nummer
versehen war. Es befand sich in der „Gruppe 1“, die aber mitnichten am
Anfang des passenderweise mehrere Fußballfelder großen Friedhofs lag,
sondern irgendwo hinten rechts. Daneben fanden sich die Gruppen L und M,
darüber die Gruppen 10 und 11.
Einige Gräber trugen lustig bunte Aufkleber. Die Etiketten bescheinigten
den Gräbern „Baumängel“. Einige Grabsteine wackelten auch bedenklich, so
wie die Abwehr der Bayern damals, als Hotte Hrubesch und Co unter Leitung
des heiligen Ernst ein 1:3 zu einem meisterschaftlichen 4:3 umbogen.
## Fahrradleichen und Gräberaushub
Andere Gräber waren bereits abgelaufen und sollten demnächst geräumt
werden; das erinnerte an Kölner Fahrradleichen. In der Domstadt hatte man
vor Jahren vergessene, schwer rostende und ausgeplünderte Fahrradskelette
mit der Aufforderung „Bitte entfernen“ beklebt, bevor sie nach einer
bestimmten Frist vom Ordnungsamt der Stadt Köln losgefräst und
zweitverwertet wurden.
Was mich wiederum daran erinnerte, dass mein Vater in seiner frühen Jugend
einmal Gräber aushob, als Ferienjob, der wohl mies bezahlt wurde –
Fundstücke wie Goldzähne oder Schmuck behielt die Kirche.
Das Grab von Ernst Happel war indes eher schmucklos, sah man von einer
Rapid-Wien-Kerze sowie zwei Schals ab: Der eine stammte ebenfalls von
Rapid-Fans, der andere war blau-schwarz-weiß, musste also von HSV-Fans
stammen. Irgendwo in der Nähe lag auch Christine Nöstlinger, eine bekannte
Wiener Kinderbuchautorin, aber Tore hat sie wohl keine geschossen. Wegen
ihr war ich folglich nicht hier.
Ich grüßte und zog, nachdem sich mein Husten beruhigt hatte, links am Grab
vorbei. Ein Grabstein verkündete Haha. „Familie Haha“, sagte der Grabstein
und sonst nichts. Lachen auf dem Friedhof gilt ja als verpönt, aber damit
muss auch aufgeräumt werden wie mit den abgelaufenen Gräbern, dachte ich.
Die Sonne lachte schließlich ebenfalls, oben über Hernals.
15 Mar 2022
## AUTOREN
René Hamann
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