# taz.de -- Geflüchtete aus der Ukraine: Jedes Bett zählt | |
> In Norddeutschland bereiten sich Länder und private Haushalte auf | |
> Schutzsuchende aus der Ukraine vor. Die Unterkünfte könnten dennoch knapp | |
> werden. | |
Bild: Hunderttausende Ukrainer:innen sind inzwischen auf der Flucht | |
HAMBURG taz | Im Ankunftszentrum Hamburg-Rahlstedt ist es am Montag noch | |
ruhig. 19 Geflüchtete aus der Ukraine sind dort bislang eingetroffen, | |
teilt die Innenbehörde mit. Einige weitere Ukrainer:innen seien privat | |
bei Freunden oder Verwandten in der Stadt untergekommen. | |
Es ist noch nicht absehbar, wie viele Geflüchtete in den kommenden Tagen | |
und Wochen in Norddeutschland Zuflucht suchen werden. Wenige Tage nach dem | |
russischen Angriff auf die Ukraine befinden sich am Montag über 500.000 | |
Menschen auf der Flucht. Ein Großteil von ihnen ist auf dem Weg in die EU. | |
Die UN rechnen insgesamt mit zwei bis vier Millionen Flüchtenden, die EU | |
sogar mit bis zu sieben Millionen. | |
Die EU-Staaten wollen allen kriegsvertriebenen Ukrainier:innen ohne | |
Asylverfahren vereinfacht Schutz garantieren. Um genügend Unterkünfte zur | |
Verfügung stellen zu können, haben die Landesregierungen von Hamburg, | |
Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein angekündigt, entsprechende | |
Vorbereitungen zu treffen. Alle Bundesländer betonen, dass ukrainischen | |
Staatsangehörigen ausnahmslos Schutz geboten werde. | |
In Hamburg wurde ein Krisenstab gegründet, bestehend aus | |
Mitarbeiter:innen der Behörden und Bezirksämter, der Polizei, | |
Bundeswehr und weiteren Akteuren. Er soll die Situation beobachten und sich | |
darum kümmern, dass ausreichend Wohnraum für die Erstaufnahme von | |
Kriegsvertriebenen aus der Ukraine zur Verfügung steht. | |
Eine [1][Unterbringung von Geflüchteten in Baumärkten wie 2015] sei vorerst | |
nicht geplant, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) bei einer | |
Pressekonferenz am Freitag. Das Unterkunftssystem sei mit rund 30.000 | |
Plätzen deutlich besser ausgebaut als vor sieben Jahren. Mit dem | |
bestehenden System könne Hamburg schnell bis zu 3.000 Menschen | |
unterbringen, so ein Pressesprecher des Innensenators auf taz-Anfrage. Mit | |
neuen Standorten könnten nach und nach auch noch mehr Menschen | |
bedarfsgerecht untergebracht werden. Intern werde bereits mit 7.000 | |
Geflüchteten gerechnet. | |
## „Maßnahmen der Verdichtung“ | |
Auch Schleswig-Holstein möchte einen interministeriellen Leitungsstab | |
einrichten. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) versicherte: „Kein | |
ukrainischer Staatsbürger und keine ukrainische Staatsbürgerin, die sich | |
heute in Schleswig-Holstein aufhalten, muss wegen eines abgelaufenen Visums | |
zurück in die Ukraine.“ Auf eine Fluchtbewegung bereite man sich bereits | |
vor. | |
Zusätzlich zu den aktuell knapp 800 freien Plätzen in den vier | |
Landesunterkünften wolle man Strukturen vorbereiten, um „je nach Lage das | |
Notwendige zur Verfügung stellen zu können“. Die Anzahl der Betten in den | |
zu zwei Dritteln belegten Landesunterkünften ließe sich durch „Maßnahmen | |
der Verdichtung“ erhöhen, also zum Beispiel der Zusammenlegung von | |
Geflüchteten in Mehrbettzimmern. Mögliche weitere Reserven werden noch | |
geprüft. Konkrete Zahlen kann das Innenministerium auf taz-Anfrage aktuell | |
nicht nennen. | |
Niedersachsen meldete der taz am Montag 1.500 freie Plätze. Man habe | |
Möglichkeiten, die Kapazität für mehr Geflüchtete je nach Bedarf zu | |
erhöhen. Auch Niedersachsen hat einen Krisenstab „Ukraine“ eingerichtet. | |
In Bremen sind von den 5.400 Plätzen für Geflüchtete nur etwa fünf bis zehn | |
Prozent frei. „Bis die Menschen über einen Aufenthaltsstatus verfügen, der | |
ihnen das Anmieten einer Wohnung ermöglicht, bringen wir sie in einer | |
Gemeinschaftsunterkunft unter und/oder in einem Übergangswohnheim, wenn | |
eine Wohnung nicht unmittelbar verfügbar ist“, teilt das Referat von | |
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) auf taz-Anfrage mit. Eine Anmietung | |
neuer Unterkünfte ist in Planung, um die Kapazitäten zu erweitern. Dafür | |
stehe die Stadt mit Investor:innen, Wohnungseigentümer:innen und | |
Hotelbetreiber:innen in Kontakt. | |
## 5.000 private Betten als Erstunterkunft in Hamburg | |
Viele Menschen zeigen sich auch bereit, privat zu helfen und geflüchtete | |
Ukrainer:innen übergangsweise aufzunehmen. Die Plattform | |
[2][elinor.network] vermittelt private Zimmer oder Wohnungen an | |
Geflüchtete. Bis Montagmorgen meldeten Freiwillige allein in Hamburg 5.000 | |
Betten als Erstunterkunft, erzählt Lukas Kunert, Initiator der Plattform – | |
mehr als die Stadt selbst bereithält. | |
Wie groß der Bedarf an Wohnraum, psychologischer Betreuung und weiteren | |
grundlegenden Versorgungsleistungen in Norddeutschland letztendlich sein | |
wird, hängt auch davon ab, ob die EU die „Massenzustrom-Richtlinie“ | |
aktiviert. Damit würde den Geflüchteten nicht nur vorübergehend Schutz und | |
Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt, sondern auch ein Verteilungsschlüssel in | |
alle EU-Staaten festgelegt. | |
Rechnet man mit einer Verteilung nach Bevölkerungsschlüssel und sieben | |
Millionen Geflüchteten in den kommenden Wochen, würde in Norddeutschland | |
eine Kapazität für rund 200.000 Menschen benötigt. Das ist weit mehr, als | |
die Länder aktuell bereitstellen. | |
1 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Chaos-bei-der-Fluechtlingsunterbringung/!5235351 | |
[2] https://elinor.network/ | |
## AUTOREN | |
Niklas Berger | |
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