# taz.de -- Impfstoff-Initiative Cepi: Der nächsten Epidemie vorbeugen | |
> Mehr als drei Milliarden Euro will die Impfstoff-Initiative Cepi sammeln. | |
> Sie setzt auf die mRNA-Technologie und das Biotechunternehmen Moderna. | |
Bild: Impfung mit Moderna-Vakzine gegen Corona | |
LONDON taz | Einen Impfstoff gegen eine lebensbedrohliche Krankheit in gut | |
drei Monaten entwickeln? Das klingt nach Science-Fiction. Schneller geht | |
das wahrscheinlich nur in Skripten von Comicverfilmungen. Denn bisher | |
dauerte es Jahre bis Jahrzehnte, bis Forscher:innen so weit waren. Doch | |
das ist das erklärte Ziel der Impfstoff-Initiative Cepi und einiger | |
Wissenschaftler:innen, die ihr Vorhaben im [1][New England Journal of | |
Medicine ] veröffentlicht haben. Gegen 15 bedrohliche Krankheitserreger, | |
die unter anderem HIV, Tuberkulose oder Malaria auslösen, sollen zeitnah | |
Impfstoffe entwickelt werden und das mit Förderung und neuer Technologie. | |
Dass die medizinische Forschung bald so weit sein könnte, lässt sich mit | |
der Entwicklung von Corona-Impfstoffen in Rekordzeit von unter einem Jahr | |
erahnen. Mittlerweile haben eine Vielzahl von Vakzinen gegen einen schweren | |
Verlauf einer Sars-CoV-2-Infektion eine Notfallzulassung der WHO erhalten. | |
Drei stammen von den Unternehmen AstraZeneca, [2][Novavax] und Moderna – | |
und wurden finanziell von der [3][Coalition for Epidemic Preparedness | |
Innovations, kurz Cepi,] unterstützt. Moderna setzte dabei auf | |
mRNA-Technologie, die auch bei den Impfstoffen von morgen gegen besonders | |
schwere Krankheiten zum Einsatz kommen soll. | |
Bevor die Coronapandemie über die Welt hereinbrach, schlossen sich 2017 in | |
Davos Regierungen, Forschende, Pharmakonzerne und Philanthropen zusammen. | |
Denn die Ebola-Epidemie (2014–16) in Westafrika hatte einen bleibenden | |
Schrecken hinterlassen. Damit war die internationale Impfstoffallianz Cepi | |
geboren. Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich die Gates Stiftung, | |
Deutschland, Norwegen und das Weltwirtschaftsforum. | |
2022 geht Cepi in eine neue Runde. Großbritannien richtet zum Beginn der | |
Woche die Geberkonferenz in London aus, damit Cepi wie geplant für die | |
nächsten fünf Jahre weiterarbeiten kann. Deutschland hat vor, Cepi mit | |
weiteren 80 Millionen Euro zu unterstützen, so Judith Pirscher (FDP), | |
Staatssekretärin im Forschungsministerium, die persönlich erschien. | |
[4][Bisher waren es über 440 Millionen,] eine der höchsten Summe eines | |
öffentlichen Unterstützers. | |
Eine feste Zusage gäbe es aber erst, nachdem der Haushalt im Sommer | |
beschlossen wurde, so Pirscher. Große Zusagen kamen auch aus Japan, | |
Großbritannien, den USA, Stiftungen wie Gates und Wellcome Trust so wie | |
Norwegen. Knapp 1,4 Milliarden Euro von dem Ziel 3,1 Milliarden Euro | |
konnten bisher akquiriert werden. | |
## Moderna verzichtet in 92 Ländern auf Patentschutz | |
Trotz vieler Gesprächsrunden mit führenden Persönlichkeiten des globalen | |
Gesundheitswesens dürften wohl vor allem die Zusagen des US-Pharmakonzerns | |
Moderna in Erinnerung bleiben. Während des Cepi-Gipfels erklärte Moderna, | |
in 92 Länder mit niedrigerem Einkommen auf den [5][Patentschutz] ihres | |
Covid-Impfstoffes Spikevax zu verzichten. Darunter sind viele Länder | |
Afrikas, Südasiens und Südostasiens wie Indien, Indonesien, Vietnam und | |
Uganda. | |
Für asiatische Länder wie Indien, in denen 60 Prozent der Bevölkerung | |
zweifach geimpft sind, hat der Vorstoß zunächst weniger Gewicht. Anders | |
sieht es für Staaten wie Indonesien aus, die von Impfstoff-Importen | |
abhängig sind – und lange mit Vakzinen aus China versorgt wurden. Moderna | |
möchte zudem eine führende Rolle in Afrika übernehmen und gab bekannt, dass | |
die angekündigte Produktionsstätte in Kenia gebaut werden soll, um so den | |
Kontinent besser zu versorgen. | |
Moderna kündigte ebenfalls an, seine mRNA-Plattform für externe | |
Wissenschaftler:innen zu öffnen. Staatliche und akademische | |
Einrichtungen könnten sich bewerben. Sie sollen helfen, die 15 Impfstoffe | |
zu entwickeln. [6][Professorin Daniela Dieterich von der Uni Magdeburg] | |
sieht in RNA-Impfstoffen den Vorteil, dass sie einfacher zu synthetisieren | |
sind. Nachteil sei aber, dass mRNAs sehr instabil sind und damit die | |
Logistik und Lagerung bei extrem niedrigen Temperaturen von mindestens -70° | |
C notwendig sei. | |
Der Unternehmensethiker Markus Scholz, FH Wien, weist darauf hin, dass | |
Pharmakonzerne mit Vakzinen hohe Gewinne gemacht haben. Darunter auch | |
Moderna, das im vergangenen Jahr mehr als 10 Milliarden Euro einnahm. „Es | |
ist ein positiver Schritt, den Moderna geht und ein notwendiger Schritt | |
auch das technologische Know-how zu teilen. Eine alleinige Patentfreigabe | |
ist nicht ausreichend“, betont Scholz. | |
## 30 Jahre Krebsforschung | |
Zwar wurden mRNA-Impfstoffe mit der Pandemie erstmals zugelassen, | |
allerdings geht [7][dieser Ansatz] auf 30 Jahre Krebsforschung zurück. Sie | |
basieren darauf, genetische Informationen in Zellen einzuschleusen. Die | |
mRNA-Impfstoffe Spikevax und Comirnaty der Hersteller Moderna | |
beziehungsweise BioNTech/Pfizer enthalten eine „Bauanleitung“ für bestimmte | |
Oberflächenproteine, das sogenannte Spikeprotein. Beim Eintritt in die | |
Zellen werden sie „abgelesen“ und bei einer geimpften Person selbst | |
herstellt. | |
Es entsteht eine Immunantwort dadurch, dass sich Antikörper und | |
Abwehrzellen gegen das Spikeprotein des Virus bilden. Nach einigen Tagen | |
wird die im Impfstoff enthaltene mRNA im Körper abgebaut. Es ist eine | |
vielversprechende Möglichkeit, Impfstoffe herzustellen, die sich aber bei | |
anderen Erregern noch als bahnbrechend beweisen muss. | |
Doch es ist eine Chance. Neben Bekundungen war der Londoner Gipfel auch | |
eine Erinnerung, dass die Coronapandemie nicht vorüber ist, auch wenn sich | |
die Welt damit arrangiert. Während in Deutschland und anderen westlichen | |
Ländern jeder ein Impfangebot gegen Covid-19 bekommt, der es möchte, sind | |
in den Ländern Afrikas [8][im Schnitt erst 14 Prozent] zweimal gegen | |
Sars-CoV-2 immunisiert. | |
Transparenzhinweis: Die Autorin ist Stipendiatin der Global Health Security | |
Fund des European Journalism Center und wurde zur Konferenz in London | |
eingeladen. | |
11 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMp2202669 | |
[2] https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/pressemitteilungen/de/2021/12/201221-EM… | |
[3] /Zugriffsrechte-auf-Corona-Impfstoffe/!5680648 | |
[4] https://cepi.net/wp-content/uploads/2022/02/Investment-Report-25-02-22.pdf?… | |
[5] /Streit-um-Corona-Impfstoff/!5765747 | |
[6] https://www.ovgu.de/Universit%C3%A4t/Im+Portrait/Profilierungsschwerpunkte/… | |
[7] https://www.ovgu.de/Universit%C3%A4t/Im+Portrait/Profilierungsschwerpunkte/… | |
[8] https://ourworldindata.org/covid-vaccinations?country=OWID_WRL | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Covid-19 | |
Impfstoff | |
Patente | |
Pandemie | |
Infektionskrankheit | |
Schwerpunkt Gentechnik | |
Tuberkulose | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Patente | |
Pfizer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Petition gegen Gene-Drive-Technologien: Malaria-Mücke mit Genschere | |
Freilandversuche mit der Gene-Drive-Technologie rufen Protest hervor: | |
300.000 Menschen haben eine Petition an die Umweltministerin unterzeichnet. | |
Tuberkulose muss nicht tödlich sein: Neue Medikamente | |
In Westeuropa ist die Infektionskrankheit Tuberkulose selten geworden, doch | |
in anderen Teilen der Welt wird sie zu einem immer größeren Problem. | |
Nachrichten in der Coronakrise: Lauterbach appelliert an Bundesländer | |
Die Coronazahlen steigen. Gesundheitsminister Lauterbach hält an | |
Lockerungen fest, fordert aber, dass die Bundesländer in Hotspots selbst | |
eingreifen. | |
Durchbruch bei mRNA-Forschung: Corona-Impfstoff bald aus Afrika | |
Die patentunabhängige Entwicklung eines Impfstoffs in Südafrika läuft gut. | |
Erste Tests könnten im Herbst beginnen. | |
Offener Brief von Entwicklungs-NGOs: Kritik an Habecks Patentwende | |
Hilfsorganisationen sind empört: Anders als im Wahlkampf gefordert, will | |
der Wirtschaftsminister die Patente der Corona-Impfstoffe nicht freigeben. | |
Wegbereiterin der RNA-Technologie: Die Grundsteinlegerin | |
Ohne Katalin Karikós Forschung gäbe es die RNA-Impfstoffe nicht. Doch die | |
revolutionären Ergebnisse der Ungarin erkannten viele erst nicht. |