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# taz.de -- Gutachten zum Klimaschutz: Die neuen Klimaweisen
> Sie sind eine Art Öko-Gegengewicht zu den „Wirtschaftsweisen“: Was die
> neue Plattform Klimaschutz von der Bundesregierung fordert.
Bild: Keine Frage, ob das weg muss, sondern nur, wie: Kohlekraftwerk Jänschwal…
Berlin taz | Wenn AkademikerInnen die Politik beraten, wird es oft ein
wenig, nun ja, akademisch. Wenn also die neue [1][„Wissenschaftsplattform
Klimaschutz“] dazu rät, die Bundesregierung müsse bei ihrer Politik die
Menschen mitnehmen und für Zustimmung etwa zu höheren CO2-Preisen oder
Tempolimit werben, dann schreibt sie, es sei nötig, „die Resonanzfähigkeit
der Klimapolitik zu erhöhen“. Und wenn die ExpertInnen fordern, die
Ampelregierung solle Klimapolitik aus einem Guss machen, dann heißt das:
„Es bedarf einer in sich kohärenten Klimaschutz-Gesamtarchitektur.“
So steht es im ersten Jahresgutachten der „Wissenschaftsplattform“, das am
Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Laut Titel „Auf dem Weg zur
[2][Klimaneutralität]“ geben die ForscherInnen Anstöße, wie die Regierung
ihr Ziel, bis 2045 die Treibhausgase rechnerisch auf null zu bringen, am
besten und effektivsten vorantreiben sollte.
Auf der „Wissenschaftsplattform“ sind VertreterInnen von
Forschungsinstituten aus der Naturwissenschaft, den Sozial-, Rechts-,
Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften vertreten, um der Regierung
Ratschläge für den Weg zur „Grünen Null“ zu geben. Koordiniert wird die
Arbeit vom Klimaministerium, inhaltlich sind die ExpertInnen eigenständig.
Neben dem „Expertenrat“ der Bundesregierung, der laut Klimaschutzgesetz
immer im Frühjahr begutachtet, ob die CO2-Minderungsziele eingehalten
wurden, soll die „Wissenschaftsplattform“ so etwas wie ein Öko-Gegengewicht
zu den „Wirtschaftsweisen“ werden.
## Die Baustellen der Klimawende
Das erste Jahresgutachten ist ein Rundblick über die dringenden Baustellen
der Klimawende, ein „holistischer Gesamtblick“, wie Ottmar Edenhofer es
formuliert. Der Ökonom vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK
und dem Thinktank MCC ist einer der beiden Vorsitzenden.
Die ExpertInnen mahnen dazu, die deutsche Politik eng mit dem EU-Paket „Fit
for 55“ zu verbinden, aber eigene Gesetze auch schon früher zu erlassen.
Die Regierung solle zudem auf einen klimagerechten Umbau der
EU-Agrarpolitik drängen, den Rahmen für ein nachhaltiges Finanzsystem
schaffen, die nötige Infrastruktur für den grünen Wasserstoff aufbauen
helfen und die Digitalisierung für den Klimaschutz vorantreiben.
Auch brauche es „transparente Kriterien“, um verschiedene
Politikinstrumente zu durchleuchten, ob sie effektiv und effizient für den
Klimaschutz arbeiteten: Führen die Maßnahmen zur CO2-Senkung, geht es auch
billiger, sind sie rechtlich und politisch durchsetzbar und mehrheitsfähig?
## „Klimaneutralitäts-Stresstest“
Das Gutachten fordert bei Bau und Abriss von Infrastruktur einen
„Klimaneutralitäts-Stresstest“: Staatliche Projekte müssten darauf
überprüft werden, ob sie dem Ziel Klimaneutralität hilfreich sind – oder es
blockieren: Eine Generalüberprüfung etwa des Bundesverkehrswegeplans würde
so eine Menge Debatten über Straßenbau auslösen.
„Die Ob-Frage zum Klimaschutz ist geklärt“, sagt Edenhofer zur taz. Es
herrsche weitgehend Einigkeit, dass der Ausbau der Erneuerbaren
verdreifacht werden, die Planung dafür schneller gehen müsse, dass grüner
Wasserstoff in großen Mengen nötig sei und die Zukunft der Mobilität in
E-Autos und nicht in synthetischen Verbrennungsmotoren liege. „Aber“, so
Edenhofer, „in den Wie-Fragen gibt es viel zu diskutieren“.
Etwa, wie viel grünen Strom Deutschland importieren solle, wie grün der
Wasserstoff am Anfang sein müsse oder wie genau es mit dem CO2-Preis
weitergehe. Das Papier spricht sich deutlich für einen nationalen
Emissionshandel für Verkehr und Gebäude aus, der auch EU-weit kommen solle.
Auch andere „heiße“ Eisen packt das Gutachten an: So müsse es eine deutsc…
Strategie zum Umgang mit „negativen Emissionen“ geben, mit denen CO2 in
natürlichen oder technischen Senken (Wäldern oder mit CCS verpresst)
gebunden werde.
## Flexible Sektorziele
Der technische Fortschritt solle grundsätzlich durch „Technologieoffenheit“
befeuert werden – aber manchmal sei es eben auch gut mit der Debatte. Zum
Beispiel dann, wenn vorhandene grüne Technik sofort eingesetzt werden müsse
und ein „Abweichen vom Prinzip der Technologieoffenheit in der Realität
notwendig sein kann“. Das kann man so lesen, als machten sich die
ExpertInnen dafür stark, in der Mobilität auf E-Autos zu setzen und nicht
auf den synthetischen Verbrenner.
Schließlich empfehlen die BeraterInnen, die Regierung solle im
Klimaschutzgesetz „die Sektorziele flexibilisieren“ – wenn also etwa
Verkehr und Gebäude die Vorgaben nicht schaffen, sollten andere dafür mehr
machen. Das würde die strikte Vorgabe nach Jahren und Sektoren auflösen und
ist ein Vorschlag, für den die Grünen im Koalitionsvertrag noch viel Kritik
ernteten. Der Vorwurf damals: „Aufgabe der Klimaziele“.
20 Feb 2022
## LINKS
[1] https://www.wissenschaftsplattform-klimaschutz.de/
[2] /Oeko-Bilanz-grosser-Unternehmen/!5830561
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Klimaneutralität
CO2
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CO2-Emissionen
Heizkosten
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