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# taz.de -- Im Kopf von Putin: Einmal feste in den Arm nehmen
> Ist Putin von seiner Mutter nicht ausreichend geliebt worden? Woher sonst
> sollte seine Angst vor dem Treiben böswilliger Mächte rühren.
Bild: Putin-Souvenirs in Moskau: Warum er so destruktiv unterwegs ist, dazu gib…
Die Woche fing schockierend an und ließ noch Schlimmeres erwarten, als
Wladimir Putin zu [1][seiner fast einstündigen Rede] anhob. Er sagte, die
Ukraine sei ein „unabtrennbarer Teil unserer Geschichte, unserer Kultur,
unseres geistigen Raums“, zu viele Sowjetführer hätten zu viele
Konzessionen an den ukrainischen Nationalismus gemacht. Die moderne Ukraine
sei ein Kunstprodukt des Bolschewismus, Lenin ihr Architekt.
Dann drohte Putin: „Wir können euch zeigen, was wahre Dekommunisierung der
Ukraine heißt!“ Das Land, belehrte Putin weiter, verfüge über keine
eigenständige Tradition von Staatlichkeit, verübe Verbrechen an der
russischsprachigen Bevölkerung, stehle russisches Gas und betrüge seine
Bürger durch endemische Korruption.
Dass sein eigener Mann, der ehemalige ukrainische Präsident Wiktor
Janukowitsch, unter anderem wegen der grassierenden Korruption von der
Euromaidan genannten Protestbewegung im Jahr 2014 aus dem Amt geworfen
worden war, verschwieg er. Immerhin gab Putin zu, sogar Russland habe mit
Korruption zu kämpfen.
Aus Putins Rede stach der Hinweis heraus, in der Ukraine gebe es keine
unabhängige Gerichtsbarkeit, alles gehorche ja den „internationalen
Organisationen“, welche die wahren Herren im Land seien. Die Nato habe sich
längst in der Ukraine festgesetzt, was die Sicherheit Russlands gefährde.
Insofern sei es lange überfällig gewesen, die „Volksrepubliken“ in Donezk
und Luhansk anzuerkennen.
## Die Rolle Gerhard Schröders
Der Schlüsselsatz seiner Rede handelt von seiner Enttäuschung über den
Westen: „Ihr einziges Ziel ist es, Russland an seiner Entwicklung zu
hindern. Und das werden sie weiterhin tun, nur weil wir existieren und
niemals unsere Souveränität, nationalen Interessen oder Werte
kompromittieren werden.“ In seiner Angst, sich dem Treiben böswilliger
Mächte erwehren zu müssen, unterscheidet sich Putin möglicherweise nicht
von anderen, kleineren Despoten, die sich von ihrer Mutter [2][nicht
ausreichend geliebt fühlten].
So argumentiert ein Videoclip von Hollywoodschauspielerin AnnaLynne
McCord. Darin sinniert sie darüber, dass heute vielleicht alles anders
wäre, wäre sie Putins Mutter gewesen und [3][hätte ihn fest in den Arm
genommen]. Psychologische Erklärungen können manchmal hilfreich sein, sind
politisch aber irrelevant. Spekulativ ist zwar auch die Interpretation von
Fakten. Doch der russische Energiekonzern Gazprom lieferte schon im Jahr
2021 ganze 31 Prozent weniger Gas an Europa als durchschnittlich in den
fünf Jahren zuvor.
Stand der Plan, die Ukraine als souveränen Staat zu zerstören, schon so
lange fest? Man kann, wie Robert Habeck, auf die Idee kommen, dass die
Drosselung dazu diente, die europäischen Gasspeicher zu leeren, die Kosten
von Sanktionen gegen Russland deutlich zu machen und den Gaspreis in die
Höhe zu treiben. Das ist mehr als plausibel. Neben den
Desinformationskampagnen mag das ein weiterer Mosaikstein in der
Destabilisierung der westlichen Demokratien gewesen sein.
Nun, seit der Invasion der Ukraine, gibt auch der Letzte zu, dass die
Planung von Nord Stream 2 ein Fehler war. Einmal mehr wird jetzt über die
Rolle von Ex-Kanzler Gerhard Schröder diskutiert. Laut Gazprom ist Schröder
vor Kurzem für den Aufsichtsrat des Staatskonzerns nominiert worden. Er ist
Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG und beim staatlichen
russischen Energiekonzern Rosneft.
Schröder gilt als wichtigster Lobbyist des Kremls in Westeuropa, der
ukrainische Außenminister forderte daher schon vor vier Jahren,
internationale Sanktionen gegen ihn zu verhängen. Am Donnerstag schrieb
Schröder, es sei nun die Verantwortung der russischen Regierung, den Krieg
und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine
„schnellstmöglich“ zu beenden. Von seinen Aufsichtsratsposten trat er bis
Freitagnachmittag nicht zurück.
Währenddessen aber mehren sich die Stimmen in der SPD, die Schröder
auffordern, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen umgehend
aufzugeben.
26 Feb 2022
## LINKS
[1] /Die-Rede-des-russischen-Praesidenten/!5837271
[2] https://www.zeit.de/feature/vladimir-putin-mother
[3] https://www.huffingtonpost.co.uk/entry/annalynne-mccord-putin-poem-tweet_uk…
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Wladimir Putin
Gazprom
Gerhard Schröder
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Russland
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