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# taz.de -- Sozialer Aufstieg auf Social Media: Teures Versprechen
> Auf TikTok zeigen Teenager, wie sie ihr Leben optimieren. Sie takten
> ihren Tag durch wie Investmentbanker*innen.
Bild: Influencerin und Designerin Arcieng Agutu
Noch nie in meinem Leben habe ich ein Vision Board erstellt, auf dem ich
meine Ziele zusammengewürfelt aus hübschen Collagen arrangiert habe. Ich
bin auch noch nie um 6 Uhr aufgestanden, um meine Vorsätze für den Tag
aufzuschreiben. Wie so vieles auf Social Media verkaufen Vision Boards die
Idee des [1][sozialen Aufstiegs]. Die Idee, dass es jeder Mensch schaffen
kann, wenn er es nur klar genug sehen kann, auf Pinterest hübsche Fotos
zusammenstellt und den 15-Prozent-Rabattcode verwendet, den es von
Influencer*innen dazugibt.
Ich habe lange überlegt, was ich mir auf mein Vision Board pinnen würde und
mir ist nichts eingefallen. Das Leben besteht für mich aus einer Stufe nach
der anderen. Ohne, dass ich die Treppe sehen kann, oder wohin sie führt. So
ist das mit dem sozialen Aufstieg nämlich wirklich: Wenn es Zuhause an
vielem mangelt, mangelt es oft auch an großen Träumen.
Dafür gibt es ja Social Media. Eine deutsche Influencerin mit einer Million
Instagram-Follower hat in ihrer Story ihr Erfolgsgeheimnis „verraten“:
Nicht etwa, dass ihr pastellfarbener Feed und ihr Leben im perfekten Haus
mit Mann und Kind unser Bedürfnis nach einer heilen Welt stillt und sie
sich erst durch unseren [2][Voyeurismus] diese heile Welt leisten kann,
sondern, dass sie jeden Tag mit positiven Gedanken startet. Passend dazu
hat sie vor Kurzem auch ein Buch zum Manifestieren herausgebracht.
Mit Manifestationen bestellt man seine Wünsche ans Universum. Mit
Manifestationen kann man auch ordentlich Geld machen. Indem man wie sie zum
Beispiel ein Buch darüber schreibt oder wie andere Influencer*innen
teure Kurse dazu anbietet, in denen versprochen wird, durch manifestieren
reich zu werden. Wobei sie nicht „reich“ sagen, sondern „finanzielle
Freiheit erlangen“. „Freiheit“ verkauft sich gut, auch wenn man auf dem W…
dahin alles an Freiheit aufgeben muss.
## Vermarktung durch that girl von nebenan
So zeigen schon Teenager auf TikTok ihre Routine: wie sie um 6 Uhr
aufstehen, Sport machen, Tagebuch schreiben, einen gesunden Smoothie
trinken, meditieren, ihr Gesicht reinigen, schminken und dann erst in den
Tag starten. Sie nennen es [3][„becoming that girl“] und that girl nutzt
jede Sekunde ihres Lebens.
Wieso schaut der Alltag eines Teenagers auf Tiktok so durchgetaktet aus wie
der eines Investmentbankers aus Frankfurt? Ist es nicht das Schöne an der
Adoleszenz, völlig planlos in den Tag zu starten, möglichst lange
auszuschlafen und zu gammeln? Teenager wollen so die beste Version ihrer
selbst werden, dabei können sie noch nicht wissen, wer sie sind, sie
stecken ja mitten in der Findungsphase.
Die Vermarktung von Selbstoptimierung ist nicht neu. Nur sind die, die uns
das verkaufen, schon länger nicht mehr große Firmen, sondern that girl von
nebenan, die in einem Posting erklärt, wie gefährlich sie diesen Druck
findet und im nächsten schon Produkte bewirbt, die uns näher an unsere
Ziele bringen sollen.
20 Feb 2022
## LINKS
[1] /Sozialer-Aufstieg/!5767803
[2] /ZDF-Krimireihe-Schuld/!5622573
[3] https://www.tiktok.com/amp/tag/becomingthatgirl
## AUTOREN
Melisa Erkurt
## TAGS
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Cybersicherheit
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