# taz.de -- Praxispersonal fordert Coronabonus: Auch sie hat die Pandemie gefor… | |
> Medizinische Fachangestellte waren in der Pandemie gefordert. Von der | |
> Regierung fühlen sich viele übersehen. Nun wollen sie Anerkennung. | |
Bild: Naben dem Aalltäglichen kümmern sich MFAs in der Pandemie um Impftermin… | |
Wenn ein zweiter Strich auf dem Coronaschnelltest erscheint, müssen viele | |
erst mal die aktuellen Coronabestimmungen nachschlagen. „Die ändern sich | |
ständig und häufig über Nacht“, sagt Stefanie Dörner-Hoppe, nur die | |
Wenigsten seien noch auf dem aktuellen Stand. Die Medizinische | |
Fachangestellte arbeitet in Hannover. Seit 17 Jahren ist sie in dem Beruf, | |
früher nannte man sie „Arzthelferin“, heute nur kurz MFA. In der Pandemie | |
wurde ihr Job aber deutlich stressiger. | |
Wenn die Menschen mit dem positiven Test im Internet nicht schlau werden, | |
dann rufen sie bei Hausärzt*innen an und landen bei Dörner-Hoppe oder | |
ihren Kolleg*innen. Sie beantworten die Fragen. „Wir telefonieren unendlich | |
viel – und müssen auch den Unmut der Leute aushalten.“ Manchmal seien das | |
auch Beschimpfungen. Eigentlich wäre es Aufgabe der Gesundheitsämter, | |
Unklarheiten aufzulösen. [1][Aber die seien selbst überarbeitet.] | |
„Trotzdem bekommen wir kaum wertschätzende Worte von der Regierung – oder | |
einen staatlichen Bonus“, kritisiert Dörner-Hoppe. Damit spielt sie auf | |
[2][den Pflegebonus] an, den die Regierungskoalition aktuell ein drittes | |
Mal in Aussicht stellt – allerdings erneut nicht für MFAs. Dabei würden | |
auch sie einen großen Teil dazu beitragen, dass die deutsche Gesellschaft | |
durch die Pandemie kommt. Wer erkranke, fahre nicht zuerst ins Krankenhaus, | |
verdeutlicht Dörner-Hoppe. | |
In vielen Praxen haben die MFAs direkten Kontakt mit | |
Covid-19-Patient*innen. Zudem organisieren sie dort die Impfungen: Ampullen | |
bestellen, Termine absprechen oder verschieben und vor der Impfung dann die | |
Spritzen aufziehen. | |
## Ärzt*innen in der Pflicht | |
Viele bleiben aktuell länger oder kommen am Wochenende, um so viele wie | |
möglich zu impfen. Der Beruf fordert eine dreijährige Ausbildung und | |
bürokratisches Know-how. Auch den bürokratischen Aufwand hat Corona | |
verschärft. Beispielsweise bei der Impfung: die müssen MFAs unterschiedlich | |
abrechnen, je nach Impfstoff, erster, zweiter oder dritter Impfung und | |
Impfkontext (im Pflegeheim, allgemeine oder berufliche Indikation). | |
Weil MFAs in der Pandemie „am Limit“ arbeiten, sollten sie ebenfalls einen | |
Bonus vom Staat bekommen, fordert der Verband Medizinischer Fachberufe | |
(VMF). In dem engagiert sich auch Dörner-Hoppe. Ebenso fordern weitere | |
Verbände wie die Bundesärztekammer, der Berufsverband Deutscher | |
Internistinnen und Internisten oder die Bundeszahnärztekammer einen Bonus | |
für Praxisangestellte. Die Bundesregierung lehnt das aber ab. | |
Auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion antwortete das | |
Bundesministerium für Gesundheit: Über den Pflegebonus hinaus sind keine | |
Prämienzahlungen für andere Berufsgruppen vorgesehen. Die Verantwortung für | |
die MFAs läge bei den Hausärzt*innen, die in der Pandemie steuerfreie Boni | |
von 1.500 Euro auszahlen konnten. | |
Doch das sei nicht dasselbe, findet Dörner-Hoppe. Es gehe um | |
gesellschaftliche Wertschätzung für ihre Arbeit. So sieht es auch der VMF | |
und rief in den vergangenen Monaten zu mehreren kleinen Demonstrationen vor | |
dem Brandenburger Tor auf, um Medien und den Bundestag auf ihre Position | |
aufmerksam zu machen. | |
## Fachkräftemangel bei MFAs | |
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Philippi war Ende Januar bei einer | |
dieser Demos und hält die Forderungen für „nachvollziehbar und legitim“. | |
Philippi ist selbst Arzt und kenne die Situation der Fachangestellten „nur | |
zu gut“. Alle belasteten Berufe in der Pandemie verdienten Anerkennung – | |
aber: „Wir sollten hier nicht nur an finanzielle Boni denken.“ Die gesamte | |
Arbeitssituation müsse angegangen werden. | |
Obwohl Medizinische Fachangestellte 2021 der am häufigsten gewählte | |
Ausbildungsberuf bei Frauen war, gilt der Job als schwierig: eine hohe | |
Arbeitsbelastung bei geringem Einkommen. Das Durchschnittsgehalt liegt laut | |
dem Atlas der Agentur für Arbeit bei 2.500 Euro brutto im Monat – wenn es | |
ein Vollzeitjob ist. Allerdings arbeitet fast die Hälfte der MFAs nicht in | |
Vollzeit. Wie hoch das Gehalt ist, hängt zudem stark davon ab, welche | |
Fortbildungen die MFA mitbringt. | |
Bei Tarifverhandlungen zwischen dem VMF und der zuständigen | |
Arbeitsgemeinschaft in der Bundesärztekammer (AAA) konnten die Gehälter | |
zwar bereits gesteigert werden. Doch in Klinken können MFAs zurzeit besser | |
verdienen. | |
## Es habe an Wertschätzung gefehlt | |
Laut [3][Erik Bodendieck], Vorsitzendem der AAA, könnte der Tarif für | |
Niedergelassene nur dann weiter erhöht werden, wenn die | |
„Personalkostensteigerungen vollständig durch die Krankenkassen | |
refinanziert werden“. Dem Arbeitsmarkt würde das guttun, denn Ärzt*innen | |
fällt es immer schwerer, MFAs zu finden. Tatsächlich wandern aktuell viele | |
MFAs aus den Praxen ab und arbeiten etwa in Krankenhäusern oder | |
Impfzentren. | |
Auch Johanna Schneider kündigte bei einer kleinen Praxis auf dem Dorf und | |
arbeitet mittlerweile als leitende Medizinische Fachangestellte in einem | |
Impfzentrum. Dort verdiene sie deutlich besser. Ihr echter Namen soll aber | |
nicht in der Zeitung stehen, weil sie Sorge hat, dass sie dann Probleme | |
bekommen könnte, einen neuen Job zu finden. Immerhin werde das Impfzentrum | |
nicht ewig offenbleiben. Zurück in die Praxis solle es aber auf keinen Fall | |
gehen. | |
Dort sei es immer stressig gewesen und es habe an Wertschätzung gefehlt. | |
Sie kündigte und nahm eine Stelle in einer Klinik an. „Das war viel | |
besser“, sagt sie. MFAs seien eben vielfältig einsetzbar. „Da muss jeder | |
das Eigene ausprobieren.“ | |
Über Umwege kam sie dann an ihre jetzige Stelle beim Impfzentrum. Doch auch | |
dort bekamen MFAs keinen Bonus. „Dabei haben wir uns die Hacken abgelaufen | |
und nur noch geimpft, geimpft, geimpft“. Auch sie findet, es fehle generell | |
an Wertschätzung für ihre Berufsgruppe. Eine solche könne sich in der | |
Bezahlung zeigen: 20 Euro pro Stunde halte sie für angemessen. | |
## Eine tarifpolitische Frage | |
Davon ist die Realität weit entfernt: Viele MFAs würden von der | |
angekündigten Erhöhung des Mindestlohns profitieren, sagt unter anderem | |
Kathrin Vogler, die für die Linken im Bundestag sitzt. Das zeige die | |
Dramatik der Situation. | |
In erster Linie sei das zwar eine tarifpolitische Frage, aber: „Hier stehen | |
vergleichsweise schwach organisierte Mitarbeitende den machtvollen | |
Chef*innen gegenüber.“ Deshalb solle die Bundesregierung „zumindest | |
prüfen, ob eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge zu einer | |
flächendeckend besseren Entlohnung führen würde“. | |
Dass es langfristig um bessere Löhne gehen müsse, dem stimmt Stefanie | |
Dörner-Hoppe zu. Gerade bei Zahnmedizinischen Fachangestellten, die bisher | |
nicht mal einen bundeseinheitlichen Tarifvertrag haben. Aber aktuell, als | |
Ausgleich und Wertschätzung für die Mehrarbeit in der Pandemie, wäre ein | |
Bonus „trotzdem einfach gerecht“, meint sie. | |
8 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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