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# taz.de -- Konflikt zwischen Russland und der Nato: Erdoğan will vermitteln
> Die Türkei hat gute Beziehungen zu Kiew, aber auch zu Moskau. Nun ist
> Erdogan in die Ukraine gereist, um zu vermitteln.
Bild: Wolodymyr Selenski und Recep Tayyip Erdoğan während einer Pressekonfere…
Berlin taz | „Wir wollen Frieden in der Region. Ein Krieg wäre schlecht für
die gesamte Region“. Recep Tayyip Erdoğan, in etlichen Konflikten nicht als
Pazifist bekannt, machte sein empathisches Friedensbekenntnis schon zwei
Tage bevor er am Donnerstag in die ukrainische Hauptstadt Kiew reiste an
einer Universität in Istanbul.
Offiziell geht es bei dem Besuch in der Ukraine um ein neues
Freihandelsabkommen zwischen Ankara und Kiew; tatsächlich sieht sich
Erdoğan aber auf einer Mission als möglicher Friedensstifter zwischen
Russland und der Ukraine. Schon mehrfach in den letzten Wochen hatte er
sich als Vermittler im [1][Ukrainekonflikt] angeboten.
Die Türkei sei bereit, jede „erdenkliche Rolle“ zu übernehmen, hieß es in
Ankara, doch bislang schien niemand Interesse an einer türkischen
Vermittlung zu haben. Mit seinem Besuch am Donnerstag kann Erdoğan
zumindest ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski
für sich verbuchen und sich so in den diplomatischen Reigen um die Ukraine
mit einreihen.
Eigentlich hatte Erdoğan gehofft, Selenski und den russischen Präsidenten
Wladimir Putin in der Türkei zu einem gemeinsamen Treffen zusammenführen zu
können, bei dem unter seiner Mithilfe dann ein Kompromiss in der
Ukrainekrise ausgehandelt wird. Doch diese Idee hatte ein Kreml-Sprecher
schon vor einer guten Woche als sinnlos abgelehnt.
Erdoğan ließ dennoch nicht locker. Und so hat Putin jetzt zumindest einen
Besuch in Ankara für die Zeit nach den [2][Olympischen Winterspielen in
Peking] in Aussicht gestellt. Zwar kann Erdoğan die Zusicherungen, die
Putin von der NATO fordert, nicht geben, aber er hofft wohl, mögliche
Kompromissformeln austesten zu können, bevor eine der beiden Seiten sie
öffentlich zur Sprache bringt.
## Türkische Kampfdrohnen für die Ukraine
Erdoğans Vorteil ist, dass er als einer der wenigen Präsidenten eines
Nato-Staats belastbare Beziehungen sowohl zu Selenski als auch zu Putin
hat. Trotz der engen Beziehungen zu Russland hat Erdoğan die russische
Annexion der Krim von Anfang an verurteilt. Noch viel wichtiger ist im
Moment, dass die Türkei der Ukraine zudem türkische Kampfdrohnen verkauft
hat, die diese gegen die Separatisten im Donbass bereits erfolgreich
eingesetzt hat. Weitere Waffenlieferungen sollen folgen.
Andererseits hat Erdoğan einen noch intensiveren Kontakt zu Putin als
selbst der ungarische Regierungschef Viktor Orbán. Gemeinsam mit dem Iran
haben Putin und Erdoğan einen [3][Waffenstillstand in Syrien durchgesetzt,
der das Land seitdem in verschiedene Einflusszonen aufteilt] und dabei die
USA und Europa ausmanövriert. Obwohl Putin und Erdoğan in Syrien auf
entgegengesetzten Seiten stehen, hält diese Vereinbarung im Prinzip jetzt
schon seit mehreren Jahren.
Dasselbe Spiel fand in Libyen und im Krieg zwischen Aserbaidschan und
Armenien um Bergkarabach statt. In beiden Konflikten standen Erdoğan und
Putin auf der jeweils anderen Seite und dennoch gelang es ihnen, ihre
jeweiligen Einflusszonen abzustecken.
Auch wirtschaftlich sind die Türkei und Russland eng verbandelt: Mehr als
50 Prozent des für die Türkei lebenswichtigen Erdgases bezieht das Land
über zwei Piplines, die aus Russland kommend durch das Schwarze Meer
führen. Darüber hinaus baut Russland ein Atomkraftwerk an der türkischen
Mittelmeerküste.
Erdoğan hat sich gegenüber Putin erkenntlich gezeigt und in Russland das
Raketenabwehrsystem S-400 gekauft und damit einen Spaltpilz innerhalb der
Nato gepflanzt, die die russischen Systeme nicht in ihren Reihen dulden
will. Erdoğan ist damit in einer heiklen Situation, wie unter anderem die
Analystin für Türkeistudien der Carleton Universität, Jewgenia Gaber,
[4][beschreibt].
## Im Kriegsfall müsste Erdoğan sich entscheiden
Kommt es zu einem russischen Einmarsch in der Ukraine, wird sich Erdoğan
für die eine oder andere Seite entscheiden müssen. Entweder schließt er
sich den EU-Sanktionen gegen Russland an und öffnet auch die Meerengen für
die ungehinderte Durchfahrt von US-Kriegsschiffen ins Schwarze Meer, oder
er wird in der Nato und in der EU endgültig zum schwarzen Schaf, mit dem
niemand mehr etwas zu tun haben will.
Schon um des wirtschaftlichen Überlebens der Türkei willen muss Erdoğan
aufseiten des Westens bleiben, doch würde dann Putin wohl alle
Vereinbarungen in Syrien platzen lassen, was letztlich zu einer
Wiederaufnahme der Kampfhandlungen dort führen würde und einen neuen großen
Flüchtlingsstrom aus Nordsyrien in die Türkei zur Folge hätte. Dreht Putin
dann noch den Gashahn für die Türkei ab, würde [5][der innenpolitisch
angeschlagene Erdoğan] das politisch wohl nicht überleben.
So ist der türkische Präsident tatsächlich einer der eifrigsten Kämpfer für
eine diplomatische Lösung der Ukrainekrise, die Putin zumindest vorläufig
von einem Einmarsch ins Nachbarland abhält. Zwei Tage vor seinem Treffen
mit Selenski hatte Erdoğans Sicherheitsberater Ibrahim Kalin mit dem
US-Sicherheitsberater von Joe Biden, Jack Sullivan, telefoniert, um
mögliche Kompromissformeln, die die USA mittragen können, auszutesten.
Vielleicht schafft Erdoğan es ja tatsächlich, eine Brücke zu bauen, auf der
sich Putin und die Nato treffen können.
3 Feb 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Olympische-Winterspiele-2022/!t5275448
[3] /Plan-fuer-Pufferzone-in-Syrien/!5533435
[4] https://www.ipg-journal.io/rubriki/vneshnjaja-politika-i-bezopasnost/chelno…
[5] /Inflation-in-der-Tuerkei/!5823937
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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