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# taz.de -- Repressionen in Usbekistan: Siebeneinhalb Jahre Knast
> Ein regierungskritischer Blogger erhält eine hohe Haftstrafe. In einem
> Facebook-Post hatte er sich zu religiösen Feiertagen geäußert.
Bild: Usbekistans Präsident Shavkat Mirsijojew und Wladimir Putin Ende Dezembe…
Berlin taz | Siebeneinhalb Jahre Haft: So lautet das Urteil gegen den
usbekischen Blogger Fazilhoja Arifhoschajew, das am Mittwoch dieser Woche
in der Hauptstadt Taschkent erging. Die Anklage hatte auf Herstellung,
Lagerung, Verteilung oder Präsentation von Unterlagen, die die öffentliche
Sicherheit und Ordnung bedrohen, gelautet.
Der 41-Jährige war am 26. Juni vergangenen Jahres in einer Moschee mit
einem als regierungstreu geltenden Prediger verbal aneinandergeraten und
hatte diesen als „Heuchler“ bezeichnet. Arifhoschajew ist gläubiger Muslim
und für seine Kritik an der repressiven Religionspolitik der politischen
Führung in dem zentralasiatischen Land bekannt.
Zwei Tage später wurde er unter dem Vorwurf des Vandalismus festgenommen
und zu 15 Tagen Haft verurteilt. Während dieser Tage sei Arifhoschajew laut
Angaben der norwegischen Menschenrechtsorganisation Forum18 misshandelt und
gefoltert worden. So rasierten Milizionäre unter Anwendung von Gewalt den
Bart des Beschuldigten ab und hielten ihn in Einzelhaft. Zudem fixierten
sie ihn 12 Stunden lang mit Handschellen an einem Rohr. Auch ein Anwalt
wurde nicht zu Arifhoschajew vorgelassen, die offizielle Begründung
lautete: Corona.
Nach Ablauf der Haftstrafe setzte die Polizei Arifhoschajews Anwalt darüber
in Kenntnis, dass sein Mandant nicht auf freien Fuß komme, sondern ein
neues Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet worden sei. Gleichzeitig
musste der Rechtsbeistand eine sogenannte Stillschweigevereinbarung
unterzeichnen.
## Panik schüren
Die Vorwürfe waren genau die, die schließlich auch als Begründung für die
Verurteilung zu der drakonischen Haftstrafe herhalten mussten. Bei dem
inkriminierten Material handelte es sich um einen Facebook-Post auf
Arifhoschajews Mobiltelefon.
Darin wurde die Frage diskutiert, ob Muslim*innen Vertreter*innen
anderer Glaubensrichtungen zu deren religiösen Feiertagen gratulieren
dürften. Ein von Staats wegen beauftragter Experte kam zu dem Ergebnis,
dass der Inhalt des Posts „religiöser Extremismus“ sei und „Panik in der
Bevölkerung schüren könnte“. Unter fadenscheinigen Begründungen wurde die
Untersuchungshaft Arifhoschajews immer wieder verlängert.
Arifhoschajews Fall ist nicht der erste dieser Art. In der vergangenen
Woche war der Blogger Miraziz Basarow wegen Verleumdung zu drei Jahren
Hausarrest verurteilt worden. Einer der vier Männer, die Anzeige erstattet
hatten, war besagter Moschee-Prediger.
Am 11. Mai 2021 hatte ein Gericht im Gebiet Surchandarinski [1][den
regierungskritischen Blogger Otabek Sattori wegen Erpressung im großen
Stil, Verleumdung sowie Beleidigung zu sechseinhalb Jahren Straflager
verurteilt]. In seinem Videoblock „Chalk Fikri“ (Die Meinung des Volkes)
auf Telegram und Youtube hatte er die lokalen Behörden beschuldigt,
Strafverfahren gegen Blogger*innen zu fabrizieren. Gleichzeitig hatte er
angekündigt, Korruptionsfällen unter Amtsträger*innen „ungeachtet der
Repressionen“ weiter nachzugehen.
## Kritiker zum Schweigen bringen
Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte während
des Verfahrens gegen Arifhoschajew mehrmals dessen Freilassung gefordert.
„Es ist nicht schwer zu sehen, dass dieser Fall nichts mit einer Bedrohung
der öffentlichen Ordnung zu tun hat. Vielmehr ist klar, dass die
usbekischen Behörden einen Regierungskritiker zum Schweigen bringen wollen,
der noch dazu ein bekennender Muslim ist“, sagte die
HRW-Zentralasienexpertin Mithra Rittmann. Sich in einem Facebook-Post zu
religiösen Feiertagen zu äußern sei kein Verbrechen, Meinungsfreiheit von
internationalen Menschenrechtsnormen geschützt. Usbekistan hat einen Sitz
im UN-Menschenrechtsrat.
In Usbekistan bekennen sich knapp 90 Prozent der 28 Millionen
Einwohner*innen zum Islam. Auch unter [2][Präsident Shavkat
Mirsijojew], der seit 2016 an der Macht ist, fährt der Staat in Sachen
Religionspolitik einen repressiven Kurs. Dieser wird mit dem Kampf gegen
militanten Islamismus begründet. Diese Linie dürfte sich durch die jüngsten
Ereignisse bei Usbekistans nördlichem Nachbarn Kasachstan in der ersten
Januarhälfte weiter verstärken. Dort hatte Präsident Kassim-Schomart
Tokajew für landesweite Proteste mit offiziell 164 Toten und über 2.000
Verletzten ausländische radikale Islamisten verantwortlich gemacht.
30 Jan 2022
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-in-Usbekistan/!5772140
[2] /Wahlen-in-Usbekistan/!5810418
## AUTOREN
Barbara Oertel
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