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# taz.de -- Demonstrationen in Usbekistan: Aufstand in Karakalpakstan
> In Usbekistan muss Präsident Mirzijojew nach Protesten mit mehreren Toten
> einlenken. Die Region Karakalpakstan darf ihren autonomen Status
> behalten.
Bild: Der usbekische Präsident Schawkat Mirzijojew
Berlin taz | Herber Rückschlag für den usbekischen Präsidenten Schawkat
Mirzijojew: Am Montag hat das Parlament des mehrheitlich muslimischen
zentralasiatischen Staates beschlossen, den autonomen Status des Gebietes
Karakalpakstan nicht anzutasten. Der Präsident habe nach Treffen mit
lokalen Abgeordneten und Vertretern des öffentlichen Lebens angekündigt,
alle Einwände zu berücksichtigen, heißt es in einer Erklärung.
Karakalpakstan ist eine autonome Region in [1][Usbekistan] und umfasst rund
ein Drittel des Staatsgebietes. Unter den rund 1,8 Millionen
Einwohner*innen – die Region ist die ärmste des Landes – sind die
Karalkalpak*innen eine Minderheit. 1925 wurde Karakalpakstan als
autonomes Gebiet innerhalb der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik
gegründet, jedoch von 1930 bis 1936 von Moskau verwaltet. Im selben Jahr
wurde die Region der Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik
zugeschlagen.
1993, zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, einigte sich
Karakalpakstan mit der Regierung in Taschkent über einen Verbleib in
Usbekistan bis 2013. Danach sollten die Bewohner*innen über eine
Unabhängigkeit von Usbekistan entscheiden können. Doch das Abkommen geriet
in Vergessenheit.
Bis zum 26. Juni 2022. An diesem Tag wurde der Öffentlichkeit ein
umfängliches Gesetzesprojekt für eine Verfassungsreform vorgelegt, das in
Usbekistan stattfinden soll. Insgesamt geht es um rund 200 Änderungen. Eine
davon betrifft die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf
sieben Jahre. Der derzeitige Staatschef Mirzijojew, der den autokratischen
Langzeitherrscher Islam Karimow beerbt hatte und sich als Reformer gibt,
ist seit 2016 im Amt. 2021 wurde er mit über [2][80 Prozent der Stimmen
wiedergewählt].
## Mit Granaten gegen Demonstrierende
Unter dem Radar der Öffentlichkeit, so glaubte die Staatsmacht zumindest,
sollten bei der Verfassungsänderung auch gleich noch die Vorschriften
einkassiert werden, die ein gewisses Maß an Souveränität für Karakalpakstan
festschreiben – einschließlich des Rechts auf Austritt aus dem usbekischen
Staatsverband, sollte die Bevölkerung per Referendum mehrheitlich dafür
stimmen.
Am vergangenen Freitag wurde in Nukus, der Hauptstadt Karakalpakstans, der
Aktivist und Jurist Dauletmurat Taschimuratow festgenommen, der für den 5.
Juli zu friedlichen Protesten aufgerufen hatte. Sicherheitskräfte gingen
mit Blendgranaten, Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstrierenden
vor.
Einen Tag später waren die Verantwortlichen für die Unruhen schnell
ausgemacht: eine „kriminelle Gruppe von Einzelpersonen“, die den Verstand
der Bürger manipuliert und versucht habe, Verwaltungsgebäude zu besetzen,
um die Gesellschaft zu spalten sowie die politische Situation in Usbekistan
zu destabilisieren, heißt es in einer Erklärung der Behörden, aus der das
russische Nachrichtenportal [3][Meduza ] zitiert.
Am Samstag machte Präsident Mirzijojew in Karakalpakstan seine Aufwartung
und deutete einen Rückzug an. Gleichzeitig wurde der Ausnahmezustand über
die Region verhängt, der bis zum 2. August gelten soll. Am Montag wurden
erste Opferzahlen bekannt: Demnach sollen bei den Protesten mindestens 18
Menschen getötet und 243 verletzt worden sein. 516 Protestierende seien
festgenommen worden, berichtet das russischsprachige Portal Nastojaschee
Vremja.
## Angst vor Krim-Szenario
Derweil rätseln Fachleute über das Motiv, auch Karakalpakstan zum
Gegenstand des Verfassungsreferendums zu machen. Die Staatsmacht glaube,
dass Autonomie gleichbedeutend mit Separatismus sei. Sie fürchtet, der
Kreml könnte den Fall der Krim als Beispiel nehmen, um auch in Richtung
Zentralasien aktiv zu werden, zitiert Nastojaschee Vremja den usbekischen
Politologen Rafael Sattarow.
Ob der Rückzieher die Gemüter beruhigt, ist fraglich. Auf jeden Fall werde
das Referendum, so ein Aktivist zu dem [4][Nachrichtenportal eurasia.net],
als Tag des Begräbnisses der Menschen der Republik Karakalpakstan in
Erinnerung bleiben.
4 Jul 2022
## LINKS
[1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5838812
[2] /Praesidentenwahl-in-Usbekistan/!5810400
[3] /Putins-Krieg-gegen-die-freie-Presse/!5850852
[4] https://eurasianet.org
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Usbekistan
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