# taz.de -- Gespräche im Ukrainekonflikt: Kreml prüft Antwort der Nato | |
> Die Nato und die USA haben jeweils schriftlich auf Forderungen Moskaus | |
> geantwortet. Nächstes Treffen im Normandie-Format soll in Berlin | |
> stattfinden. | |
Bild: Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge auf der Krim | |
WASHINGTON/BRÜSSEL/MOSKAU dpa | Nach der Übermittlung von Vorschlägen der | |
Nato-Staaten für eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland wird mit | |
Spannung auf die Reaktion des Kremls gewartet. Der russische | |
Vize-Außenminister Alexander Gruschko hielt sich am Mittwochabend bedeckt | |
und erklärte lediglich: „Wir lesen. Studieren.“ Die Nato-Staaten hätten d… | |
Vorschläge Moskaus schließlich „fast anderthalb Monate lang“ geprüft. | |
In Paris waren am Mittwoch Vertreter Russlands, der Ukraine, Frankreichs | |
und Deutschlands zu mehr als achtstündigen Gesprächen zusammen. Konkrete | |
Ergebnisse im Ukraine-Konflikt brachte das Treffen nicht. Die USA warnten | |
Russland erneut vor „massiven Konsequenzen“ im Fall eines Einmarschs in die | |
benachbarte Ukraine. | |
Die Nato und die USA hatten am Mittwoch jeweils schriftlich auf Forderungen | |
Moskaus nach Garantien für die Sicherheit in Europa geantwortet. Bei der | |
russischen Forderung nach Zusagen für ein Ende der Nato-Osterweiterung | |
zeigten weder die Nato noch die USA Verhandlungsbereitschaft. Man habe | |
Moskau deutlich gemacht, „dass es Kernprinzipien gibt, zu deren Wahrung und | |
Verteidigung wir uns verpflichtet haben“, sagte US-Außenminister Antony | |
Blinken. Dazu gehörten die Souveränität und territoriale Integrität der | |
Ukraine sowie das Recht von Staaten, ihre eigenen Bündnisse zu wählen. | |
Die Nato bot Russland Verhandlungen über eine Verbesserung der Beziehungen | |
an. „Wir sind bereit, uns die Sorgen Russlands anzuhören und eine echte | |
Diskussion darüber zu führen, wie wir die fundamentalen Prinzipien der | |
europäischen Sicherheit (…) bewahren und stärken können“, sagte | |
Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dazu gehöre aber auch das Recht aller | |
Staaten, selbst über ihren Weg zu entscheiden. Blinken sagte, | |
Verhandlungsspielraum mit Moskau gebe es etwa bei Manövern in Europa oder | |
bei der Rüstungskontrolle. | |
## Nato schlägt vor, geschlossene Vertretungen zu öffnen | |
Nach Angaben von Stoltenberg hat die Nato der russischen Regierung konkret | |
vorgeschlagen, die nach einem Spionage-Streit geschlossenen Vertretungen in | |
Moskau und Brüssel wieder zu öffnen. Zudem wolle man die bestehenden | |
militärischen Kommunikationskanäle in vollem Umfang nutzen, um die | |
Transparenz zu fördern und Risiken zu verringern. Konkret schlage man in | |
einem ersten Schritt im Nato-Russland-Rat gegenseitige Unterrichtungen zu | |
Manövern und Atompolitik vor. | |
Russland hatte der Nato und den USA im vergangenen Monat Entwürfe für | |
Vereinbarungen übergeben, in denen der Kreml Sicherheitsgarantien in Europa | |
verlangt. Unter anderem wird darin ein Ende der Nato-Osterweiterung | |
gefordert, durch die sich Russland bedroht sieht. Insbesondere will der | |
Kreml eine Aufnahme der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis | |
verhindern. Die USA und die Nato verdächtigen den russischen Präsidenten | |
Wladimir Putin wiederum, einen Einmarsch in die benachbarte Ukraine zu | |
planen. Der Kreml weist das zurück. Seine Forderungen an den Westen hatte | |
der Kreml mit einem bedrohlichen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine | |
flankiert. | |
Nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste setzte Russland seinen | |
Truppenaufmarsch zuletzt in hohem Tempo fort. Es könne davon ausgegangen | |
werden, dass mittlerweile 112.000 bis 120 000 Soldaten in dem Gebiet seien, | |
sagte ein ranghoher Nachrichtendienstvertreter der Deutschen | |
Presse-Agentur. Nicht mit eingerechnet seien dabei die bewaffneten Kräfte | |
der von Russland kontrollierten Separatisten im Donbass. Sie werden auf | |
rund 35 000 beziffert. Zu der Frage, wie viele weitere russische Soldaten | |
sich derzeit noch im Anmarsch befinden, wollte sich der Geheimdienstler | |
nicht konkret äußern. Er betonte allerdings, dass sich die Stärke der | |
russischen Truppe im Grenzgebiet zur Ukraine in den kommenden Wochen noch | |
einmal deutlich erhöhen könnte. | |
Weder die Nato noch die US-Regierung veröffentlichten ihre an Moskau | |
übermittelten Schriftstücke. Blinken betonte, die Antworten der | |
US-Regierung auf die Sorgen Moskaus seien vollständig mit der Ukraine und | |
den europäischen Verbündeten abgestimmt. „Wir haben ihren Input eingeholt | |
und in die endgültige Fassung, die Moskau übermittelt wurde, | |
eingearbeitet.“ Er erwarte, in den kommenden Tagen mit dem russischen | |
Außenminister Sergej Lawrow darüber zu sprechen. | |
## Nächstes Treffen in Berlin | |
Der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki betonte, die Schreiben aus | |
[1][Brüssel] und Washington müssten erst einmal untersucht werden. „Aber | |
nach den Aussagen des Generalsekretärs der Allianz und des | |
US-Außenministers wurden die Sicherheitsbedenken Russlands nicht | |
berücksichtigt“, kritisierte er. | |
Bei den Beratungen am Mittwoch [2][in Paris] verständigten sich Russland | |
und die Ukraine unter Moderation von Deutschland und Frankreich auf ein | |
Bekenntnis zu der 2020 vereinbarten Waffenruhe. Russland rief die Regierung | |
in Kiew zum Dialog mit den Kräften im Krisengebiet Donbass auf. Der | |
Moskauer Unterhändler Dmitri Kosak sagte am Mittwoch in Paris nach den | |
achteinhalbstündigen Krisengesprächen im sogenannten Normandie-Format, dass | |
Kiew nun zwei Wochen Zeit habe, eine Position zu erarbeiten. Dann solle es | |
ein Nachfolgetreffen in Berlin geben. | |
Blinken zeigte sich im Ukraine-Konflikt von der deutschen Solidarität | |
„absolut überzeugt“. „Ich sehe eine sehr starke Solidarität in Bezug auf | |
die Konsequenzen, die auf Russland zukommen werden, wenn es seine | |
Aggression gegen die Ukraine erneuert, und zwar auf der ganzen Linie. Und | |
das schließt Deutschland ein“, sagte er. Blinken reagierte damit auf die | |
Frage nach Kritik an Deutschlands Plan, 5000 Militärhelme in die Ukraine zu | |
liefern. | |
In der Ukraine – die Waffenlieferungen im großen Stil für die Verteidigung | |
gegen einen möglichen russischen Angriff gefordert hatte – wurde Kritik am | |
deutschen Beitrag laut. „5000 Helme sind ein absoluter Witz“, sagte etwa | |
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko der „Bild“-Zeitung. „Was will | |
Deutschland als Nächstes zur Unterstützung schicken? Kopfkissen?“ Unter | |
anderem die USA und Großbritannien beliefern die ukrainische Armee mit | |
Waffen. | |
Auch in Moskau werden angesichts der zunehmenden Eskalation im | |
Ukraine-Konflikt Waffenlieferungen diskutiert – an die prorussischen | |
Separatisten in der Ostukraine. Die Kremlpartei Geeintes Russland schlug | |
vor, die abtrünnigen Gebiete in Luhansk und Donezk offiziell mit | |
Militärgütern zu versorgen. | |
27 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Treffen-zum-Ukrainekonflikt/!5827560 | |
[2] /Beziehungen-zwischen-Kreml-und-Elysee/!5827589 | |
## TAGS | |
Russland | |
Ukraine | |
Ukraine-Krise | |
Wladimir Putin | |
Nato | |
Normandie | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Militärmanöver | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Wladimir Putin | |
Gas | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ukraine-Konflikt und Deutschland: Dialog und Härte | |
Brauchen wir angesichts der militärischen Bedrohung der Ukraine einen | |
Dialog mit Russland? Ja, natürlich – aber aus einer Position der Stärke. | |
Russlands Marine übt vor Irlands Küste: „Fischgründe oder Schießstand?“ | |
Russlands Marine hält Anfang Februar eine Militärübung vor Irlands Küste | |
ab. Das stößt der irischen Regierung auf – aber auch den Fischern. | |
Ukrainischer Politiker Jewgeni Murajew: Ist er Moskaus Mann für Kiew? | |
Russland habe bereits eine Marionetten-Regierung für die Ukraine | |
zusammengestellt – mit Murajew an der Spitze, das behauptet die britische | |
Regierung. | |
Treffen zum Ukrainekonflikt: Mehr als Beschwörungen, bitte | |
Die EU ist derzeit kein ernstzunehmender Gesprächspartner. Es braucht mehr | |
als gute Absichten und die Lieferung von Militärhelmen. | |
Gasversorgung in Europa: Vorbereitungen für den Worst Case | |
In Washington und Brüssel macht man sich mehr Sorgen um die Gasversorgung | |
aus Russland als in Deutschland. Aber was genau soll passieren? | |
Beziehungen zwischen Kreml und Elysée: Macron versucht es immer wieder | |
Frankreichs Staatschef sieht einen historischen Anspruch, von Moskau als | |
vorrangiger Gesprächspartner angehört zu werden. Bisher ohne größere | |
Erfolge. |