# taz.de -- Scholz zu Besuch in Moskau: Der Nächste, bitte | |
> Kaum ist der französische Präsident aus Moskau abgereist, trifft sich | |
> Kanzler Scholz mit Putin. Die Erwartungen sind auf beiden Seiten | |
> überschaubar. | |
Bild: Politisches Stelldichein: Nach Macron (rechts) will Scholz auf Putin einr… | |
MOSKAU taz | Der Nächste kommt. Am Dienstagnachmittag werden sich die Türen | |
zu den glanzvollen Kremlsälen für Bundeskanzler Olaf Scholz öffnen. | |
[1][Kaum ist der französische Präsident Emmanuel Macron aus Moskau | |
abgereist] – ohne in der Lösung der Ukraine-Frage Substanzielles erreicht | |
zu haben –, will nun Scholz dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die | |
Geschlossenheit der Europäischen Union demonstrieren und ihm klarmachen, | |
welche erheblichen wirtschaftlichen Sanktionen das Land treffen würden, | |
sollte es die Ukraine überfallen. | |
Eine bedeutungsschwere Reise für Scholz. Nach Überzeugung westlicher | |
Geheimdienste könnte Russland bereits am Mittwoch seine Invasion im | |
Nachbarland starten. Scholz wäre damit der wohl letzte westliche Politiker, | |
der im Kreml einen erneuten Versuch unternehmen dürfte, Putin von diesem | |
Angriff abzubringen. Davon, dass es zu einem solchen Angriff kommen wird, | |
sind viele Beobachter*innen im Westen überzeugt. Russland bezeichnet | |
diese Überzeugung als „Massenpsychose“. Die Sprecherin des russischen | |
Außenministeriums, Maria Sacharowa, sprach gar davon, dass der Westen | |
„diesen Krieg offenbar braucht“. | |
Scholz’ „Mission“ sehen Russlands Kreml-loyale Kommentatoren, wie bereits | |
bei Macron, als völlig unnötig an – schließlich bedrohe Russland ja | |
niemanden, so die russische Sicht. Doch sie gestehen dem unbekannten | |
Deutschen zu, den Dialog zu suchen. | |
Es gäbe dafür genügend strittige Themen in den beiderseitigen Beziehungen: | |
Nord Stream 2, die Zwangsschließung des Moskauer Büros der Deutschen Welle | |
samt unklarer Drohungen der russischen Behörden an die deutschen | |
Journalist*innen in Moskau, medizinische Untersuchungen für | |
Ausländer*innen mit Arbeitsvisum, die Russland zur Pflicht macht – | |
selbst Kinder ab sechs Jahren müssten sich Tests auf Syphilis, | |
Röntgenaufnahmen und der Erfassung von Fingerabdrücken unterziehen. Das | |
zeigt auch ausländischen Investor*innen, dass sie im Land nicht willkommen | |
sind. | |
## Putin gefällt sich als Weltenlenker | |
Der Fokus von Scholz’ Besuch aber dürfte vor allem auf der Ukraine liegen. | |
Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Angela Merkel, die vor allem wegen ihres | |
Pragmatismus in Russland hoch geschätzt wird, bleibt Scholz für viele | |
Russen eine Art Black Box. Die meisten im Land können mit seinem Namen | |
nichts anfangen. | |
In den Nachrichtensendungen wird Scholz’ Besuch bei Putin lediglich | |
beiläufig erwähnt – in einer Reihe anderer Besucher*innen aus dem | |
Ausland. Das diplomatische Stelldichein wird im Staatsfernsehen geradezu | |
genussvoll kommentiert. Der Herrscher im Kreml gefällt sich dieser Tage in | |
der Rolle des Weltenlenkers, der seine Sicht der Dinge zu erklären weiß. | |
„Hören Sie mir genau zu“, sagt er gern und hebt den Zeigefinger. | |
Die Welt redet über Putin, rätselt über das, was er denkt, was er will, was | |
er tut. Sagen kann das niemand, die Aufmerksamkeit aber, die Russland und | |
Putin zuteil wird, ist von Moskau gewollt. Bereits im November, als | |
Russland seine Truppen an die russisch-ukrainische Grenze verschieben ließ, | |
sagte Putin bei seinem Auftritt im russischen Außenministerium: „Unsere | |
jüngsten Warnungen machen sich bemerkbar und erzeugen einen gewissen | |
Effekt: Es ist tatsächlich eine Anspannung entstanden. Dieser Zustand muss | |
so lange wie möglich erhalten bleiben.“ | |
Diese „Anspannung“ ist zu einer echten Kriegsangst geworden. Zumindest auf | |
der nichtrussischen Seite. Das spielt dem Kremlherrn in die Hände. Mit | |
seinen Forderungen nach Sicherheitsgarantien, die Moskau von den USA und | |
der Nato erwartet, steht er besser da denn je. | |
Moskau weiß, dass diese Garantien nicht erfüllt werden können, und doch | |
kann es die Lage für sich immer weiter ausloten, weil es sich seiner | |
militärischen Kraft und der Angst des Westens vor dieser bewusst ist. Es | |
ist ein Nervenspiel, angetrieben von einem ehemaligen Geheimdienstler an | |
der Spitze eines Landes, das auf Angst setzt, um sich Respekt zu | |
verschaffen. | |
Die deutsch-russische Vertrauensbasis, die die Beziehungen zwischen Berlin | |
und Moskau lange Jahre getragen hat, ist längst zu einer deutsch-russischen | |
Enttäuschung geworden. So hält auch Scholz die Erwartungen an seinen | |
Antrittsbesuch im Kreml niedrig. Reden aber sei immer gut, hieß es aus dem | |
Kanzleramt. Auch Moskau will reden – und nur das hören, was seinen eigenen | |
Interessen entspricht. | |
15 Feb 2022 | |
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Inna Hartwich | |
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