Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Spielfilm über Mutter-Sohn-Liebe: Sie tun es einfach
> Geschundene, die nicht zueinander dürfen: Regisseurin Isabelle Stever
> erkundet in ihrem Spielfilm „Grand Jeté“ das Thema Inzest auf der
> Berlinale.
Bild: Still aus „Grand Jeté“
Ganz nah am Rücken ist die Kamera, die Schulterblätter spannen sich,
Muskeln werden gelockert, aber entspannt wirkt dieser Körper nicht. Er
gehört Nadja, einer Balletttänzerin, Mitte 30, die ihr Leben ihrem Beruf
gewidmet, ja, geopfert hat. Geschunden wirkt ihr Körper, die Füße
entstellt, und dann ist da noch die psychische Wunde: Um ihren Traum zu
leben, hat Nadja ihren Sohn Mario bei der Großmutter gelassen, hat ihn fast
nie gesehen, ist ihm eine Fremde.
Bei einer Familienfeier begegnen sich Mutter und Sohn nach langer Zeit
wieder, irgendwo in einer Kleinstadt in Brandenburg, schnell will die
Mutter danach zurück nach Berlin, doch der Sohn nimmt sie mit in einen
Club. Eines ergibt das andere und Mutter und Sohn haben Sex zusammen.
Inzest, ist das noch ein Tabu? Schockiert das in der heutigen Zeit noch?
Isabelle Stever beschreibt in „Grand Jeté“, der auf dem Roman
[1][„Fürsorge“ von Anke Stelling] basiert, die Beziehung zwischen Mutter
und Sohn jedenfalls mit betonter Beiläufigkeit. Weder die Mutter (gespielt
von der deutsch-amerikanischen Schauspielerin und Tänzerin Sarah Grether)
noch der Sohn (Emil von Schönfels) scheinen zu hinterfragen, was sie da
tun.
An Psychologisierung ist Stever augenscheinlich nicht interessiert, was
einerseits eine in Maßen mutige Setzung ist, aber auch viele Lücken lässt.
Allzu viel bleibt im Dunkeln, allzu sehr verlässt sich die Regisseurin auf
den Sog ihres filmischen Ansatzes.
## Ein sehr körperlicher Film
Der ist radikal, verzichtet völlig auf klassische
Schuss-Gegenschuss-Kompositionen, zumal ohnehin kaum etwas gesagt wird. Oft
verharrt die Kamera mit einer gewissen Distanz von den Figuren, beobachtet
aus erhöhter Perspektive, die die Enge der Räume noch betont. Und dann
wieder ist die Kamera den Figuren ganz nah, auch den nackten Körpern, beim
Tanzen, beim Sex, im Schwimmbad oder beim Fitnesstraining.
Ein sehr körperlicher Film ist „Grand Jeté“, ohne dabei auch nur im
entferntesten voyeuristisch zu wirken. Doch der Versuch, etwas über das
schwierige Verhältnis einer Balletttänzerin zu ihrem Körper zu erzählen,
einer Mutter zu ihrem Sohn, bleibt unbestimmt.
Wie ein stilistisches, erzählerisches Experiment mutet „Grand Jeté“ dadur…
bisweilen an, wie ein Film, bei dem im Lauf der Drehbuchentwicklung allzu
viel gestrichen, auf möglichst jedes erklärende Moment verzichtet wurde,
bis am Ende nur noch zwei Menschen und ihre Körper übrig geblieben sind.
16 Feb 2022
## LINKS
[1] /Anke-Stellings-neuer-Roman/!5391412
## AUTOREN
Michael Meyns
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Spielfilm
Familie
Tabu
Ballett
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
Preisverleihung bei der Berlinale: Goldener Bär für „Alcarràs“
Der katalanische Film wird mit dem Hauptpreis des Berliner Filmfestes
ausgezeichnet. Die Produktion von Andreas Dresen bekommt eine doppelte
Ehrung.
Filme über Transition auf der Berlinale: Schmetterlinge verbrennen
Wie man wird, wer man ist: Von Transidentität erzählen im Panorama-Programm
der Berlinale die italienischen Filme „Swing Ride“ und „Into My Name“.
Sexismus in der Filmbranche: „Sie infiltrieren das Bewusstsein“
Regisseurin Nina Menkes erforscht systematischen Sexismus in der
Filmindustrie. Ihr Film „Brainwashed: Sex-Camera-Power“ läuft auf der
Berlinale.
Start des Berlinale-Wettbewerbs: Gefangen im Melodram
50 Shades of Braun: Der Berlinale-Wettbewerb startet mit François Ozons
allzu penetranter Fassbinder-Reminiszenz „Peter von Kant“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.