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# taz.de -- Online-Shitstorm bei Olympia: Ignorant und hysterisch
> In der deutschen Twitter-Sphäre gibt es einen seltsam-dämlichen Shitstorm
> über Chinas „Big Air“-Schanze. Dabei zeigt sie ökologischen Fortschritt.
Bild: Eileen Gu bei einem Sprung auf der „Big Air“-Anlage
Es gibt unzählige Gründe, die Olympischen Winterspiele in Peking zu
kritisieren. Über die meisten von ihnen [1][wird in der taz auch regelmäßig
berichtet].
Doch in der deutschen Twitter-Sphäre hat sich dieser Tage ein
seltsam-dämlicher Shitstorm zusammengebraut, der an Ignoranz kaum zu
überbieten ist. Unzählige Journalisten und selbsternannte Experten posten
derzeit zu Tausenden ein Bild, das der Live-Berichterstattung des
österreichischen Rundfunks ORF entnommen ist. Es ist eine Luftaufnahme der
„Big Air“-Schanze im Westen der chinesischen Hauptstadt, die inmitten einer
düsteren Industrieanlage neben drei riesigen Kühltürmen steht.
Sämtliche Postings sind mit hämischen Kommentaren versehen. „Ehrlich, was
machen wir eigentlich hier?“ lautet der am meisten geteilte Kommentar.
Andere Nutzer vermuten gar – hoffentlich im Scherz –, dass hier neben der
olympischen Stätte ein [2][politisches Umerziehungslager für Uiguren]
angesiedelt sein könnte.
Mich persönlich regt diese hysterische Debatte auf. Denn sie legt offen,
wie ignorant und vorschnell urteilend wir oft von Deutschland auf China
blicken. Bei näherer Betrachtung wird deutlich: Die „Big Air“-Anlage, auf
der [3][Chinas Shooting-Star im Freestyle-Skilaufen Eileen Gu] mit einem
spektakulären „Double Cork 1620 Safety“ ihre erste Goldmedaille errungen
hat, ist ein geradezu vorbildliches Beispiel dafür, wie Peking sein
Umweltproblem in den letzten Jahren in den Griff bekommen hat.
## Von Schornsteinen zum Kulturpark
Denn noch vor wenigen Jahren war das Areal die größte Industrieanlage
innerhalb der chinesischen Hauptstadt. Dort hat der Staatskonzern Shougang
ein Stahlwerk betrieben, Hochöfen haben dort seit einem halben Jahrhundert
unermüdlich den Pekinger Himmel verschmutzt. Erst im Zuge der Olympischen
Sommerspiele 2008 hat Pekings Stadtregierung schließlich entschieden,
sämtliche Schwerindustrie aus dem Stadtgebiet zu verbannen – und das Areal
stillgelegt.
Doch statt die historische Anlage abzureißen, wie man es wahrscheinlich in
den 1990er Jahren noch gemacht hätte, entschlossen sich die Stadtplaner,
sie zu revitalisieren. Wer das Gebiet besucht, findet längst einen
Kulturpark mit Museen, hippen Cafés und hochmodernen Tech-Start-ups vor. Wo
früher Schornsteine die Luft verpesteten, fahren mittlerweile
selbstfahrende Taxis umher und Senioren lassen ihre Drachen fliegen.
Welchen besseren Ort gibt es, um eine olympische Anlage zu errichten, als
diesen?
12 Feb 2022
## LINKS
[1] /Olympische-Spiele-in-China/!5832352
[2] /Uiguren-in-Umerziehungslagern/!5827774
[3] /Chinesische-Goldgewinnerin-aus-den-USA/!5831792
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Olympische Winterspiele 2022
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Peking
Nachhaltigkeit
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Olympische Winterspiele 2022
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