# taz.de -- dm-Gründer Götz Werner ist tot: Unternehmer mit sozialer Mission | |
> Der Gründer der führenden Drogeriekette ist 78-jährig gestorben. Bekannt | |
> wurde er durch sein Engangement für ein bedingungsloses Grundeinkommen. | |
Bild: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter“: dm-Gründer Götz Wern… | |
BERLIN taz | „Hartz IV ist offener Strafvollzug“, sagte Götz Werner einmal. | |
Das war Mitte der 2000er Jahre, nachdem die rot-grüne Koalition unter | |
Gerhard Schröder und Joschka Fischer das neue System der sozialen Sicherung | |
eingeführt hatte. „Hartz IV löst nur menschliches Leid aus“, war der | |
Konzernchef überzeugt, „damit werden die Menschen sozial ausgegrenzt. Es | |
gehört abgeschafft.“ | |
Kurz nach seinem 78. Geburtstag ist der Gründer der Drogeriekette dm an | |
diesem Dienstag gestorben. Bekannt wurde er einer breiten Öffentlichkeit, | |
weil er vor fast zwei Jahrzehnten durch die Republik tourte und Säle mit | |
tausend Zuhörer:innen füllte, indem er als einer der ersten prominenten | |
Befürworter des [1][bedingungslosen Grundeinkommens] auftrat. | |
Darin sah Werner die Alternative [2][zu Hartz IV]: Soziale Teilhabe | |
betrachtete er als Menschenrecht, das die Gesellschaft niemandem | |
vorzuenthalten, sondern zu ermöglichen habe. Jeder Bürger, jede Bürgerin, | |
egal ob alt oder jung, solle deshalb 1.000 Euro monatlich vom Staat | |
erhalten, ohne irgendwelche Auflagen. Bis heute ist die Diskussion darüber | |
nicht totzukriegen. | |
## Teils merkwürdige ökonomische Ideen | |
Keinen Abbruch tat Werners Wirkung damals, dass er dieses Anliegen mit | |
teilweise merkwürdigen ökonomischen Ideen mischte. Zur Finanzierung des | |
Grundeinkommens forderte der Milliardär beispielsweise, dass [3][die | |
Mehrwertsteuer auf 50 Prozent angehoben] und alle anderen Steuern | |
abgeschafft werden sollten. | |
In erster Linie war Götz Werner Unternehmer, nicht Gesellschaftsdenker. | |
Aufgewachsen in einer Drogistenfamilie gründete er 1973 seine erste eigene | |
Drogerie in Karlsruhe, die Keimzelle des späteren Konzerns dm. Diesen | |
leitete er bis 2008. Nach der Insolvenz des konkurrierenden Unternehmens | |
[4][Schlecker] 2012 stieg das Unternehmen zur größten deutschen | |
Drogeriekette auf. 2020 hielt die Firma einen Anteil von 47 Prozent am | |
hiesigen Drogeriemarkt – vor Rossmann mit 40 Prozent. Mittlerweile betreibt | |
dm nach eigenen Angaben rund 3.850 Filialen in Deutschland und weiteren | |
europäischen Ländern, beschäftigt etwa 66.000 Leute und erwirtschaftet | |
einen Umsatz von ungefähr 12 Milliarden Euro. | |
Goethe dichtete im Faust: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ | |
Werner machte daraus das Werbemotto: „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich | |
ein.“ Manche schüttelten den Kopf. Doch dem Sinnspruch wohnte auch eine | |
Wahrheit inne. Als Konzernchef verhielt er sich deutlich anders als die | |
Konkurrenz, etwa Schlecker. Bei dm war es kein Problem, Betriebsräte zu | |
gründen. Werner zahlte Tariflohn oder sogar darüber. | |
Er postulierte eine „ästhetische Unternehmungsführung“, erklärte: | |
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter“, und versuchte seine | |
Mitarbeiter:innen als Menschen und nicht als Verkaufsautomaten zu | |
behandeln. Eine Grundlage dieser Haltung bildete die Anthroposophie, die | |
damals noch nicht so umstritten war wie heute, da manche | |
Waldorflehrer:innen und Anhänger:innen von R[5][udolf Steiner | |
Corona für eine Weltverschwörung] der Pharmaindustrie halten. | |
9 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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