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# taz.de -- Stadt Ehingen nach Schlecker-Insolvenz: Das Leben nach der Pleite
> 2012 meldet die größte Drogeriekette Europas Insolvenz an. Was wurde aus
> der Stadt Ehingen, Sitz der Firmenzentrale und Heimat der Familie
> Schlecker?
Bild: Vergangene Zeiten: Der Schriftzug vor der ehemaligen Firmenzentrale wurde…
Ehingen taz | Am 25. April war es so weit. Das letzte [1][strafrechtliche
Urteil] zur Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker wurde gesprochen.
Seitdem sitzen Meike und Lars Schlecker, Tochter und Sohn des
Firmengründers Anton Schlecker, im Gefängnis. Sieben Jahre hat die
Aufarbeitung der Pleite im Jahr 2012 gedauert. Auch in der Heimatstadt der
Schlecker-Familie Ehingen möchte man mit dem einstigen Vorzeigeunternehmen
abschließen.
Ein Besuch im ehemaligen Schleckerland in Ehingen: Das befindet sich auf
demselben Gelände wie die einstige Firmenzentrale, am Rand der Stadt
gelegen. Schlecker ist eigentlich für seine kleinen Drogeriemärkte bekannt,
die früher in jeder deutschen Innenstadt zu finden waren. Doch bevor 1975
der erste Schlecker-Drogeriemarkt öffnet, entsteht 1967 das erste
Schleckerland.
Ein Komplex aus mehreren Flachbauten, in dem sich früher ein großer
Supermarkt, ein Bau- sowie ein Kinder- und Möbelmarkt befunden haben –
alles unter der Marke Schlecker. Im Jahr der Insolvenz 2012 übernimmt ein
Hamburger Investor das Gelände des Schleckerlands und führt es als
Alb-Donau-Center weiter. Heute haben sich in dem Komplex andere Unternehmen
angesiedelt, unter anderem ein großer Supermarkt und ein Baumarkt sowie
kleinere Läden. Das Geschäft läuft. An die Vergangenheit erinnert nur noch
der verlassene Möbelmarkt mit einem Schleckerland-Aufkleber auf der Tür.
Schon Jahre vor der Pleite Millionenverluste
Auch der ehemaligen Firmenzentrale dahinter, einem verspiegelten Klotz,
sieht man nicht an, wer dort früher ansässig war. Nach der Pleite möchte
der Insolvenzverwalter die Firmenzentrale irgendwie verkaufen. Doch es gibt
ein Problem. „Niemand braucht 20.000 Quadratmeter Bürofläche am Stück in
Ehingen“, sagt Alexander Baumann (CDU), der bereits seit 2010 der
Oberbürgermeister Ehingens ist. Die Stadt entscheidet sich stattdessen, die
Immobilie zu erwerben, es wird Stillschweigen über den Preis vereinbart.
Die Büroflächen werden an verschiedene Unternehmen vermietet, heute sind
über 90 Prozent der Flächen belegt. Etwas mehr als 600 Menschen würden dort
arbeiten, sagt Baumann.
Die Insolvenz Schleckers trifft Ehingen nicht völlig überraschend.
Zumindest auf die Stadtfinanzen hat sie keine große Auswirkung. Tatsächlich
fährt das Unternehmen bereits seit 2005 Millionenverluste ein, die sich von
Jahr zu Jahr steigern. Für die Stadt heißt das, dass sie bereits sieben
Jahre vor der Insolvenz keine Gewerbesteuer von dem Drogerieriesen bekommt.
Am härtesten trifft es die Mitarbeitenden. „Für die Region war Schlecker
ein guter Arbeitgeber“, resümiert Alexander Baumann. Vor allem beschäftigt
das Unternehmen viele Menschen dort. Baumann schätzt, dass damals rund
1.000 Beschäftigte in der Firmenzentrale, im Schleckerland und im
Zentrallager arbeiten.
Doch auch die Entlassungen kann die Stadt abfedern. Eine Erhebung der
Agentur für Arbeit ergibt, dass von den 437 ehemaligen
Schlecker-Mitarbeitenden, die sich in der Region 2012 arbeitslos gemeldet
haben, im August 2013 344 nicht mehr erwerbslos waren – also 79 Prozent.
Die Region ist wirtschaftlich erfolgreich, viele Mittelständler sind dort
ansässig. Allein in Ehingen unterhalten der südafrikanische
Papierhersteller Sappi und der deutsche Baukranproduzent Liebherr große
Werke.
Spenden an Vereine bleiben aus
Doch abseits wirtschaftlicher Kennzahlen berührt die Insolvenz noch andere,
eigentlich selbständige Strukturen. „Das Turnier war stark abhängig von
Schlecker“, sagt Tobias Krohn. Er ist Vorsitzender des Ehinger Vereins zur
Förderung des Handballsports. Der Verein veranstaltet seit 1987 ein
deutschlandweit bekanntes Handballvorbereitungsturnier. Heute heißt es
[2][Sparkassen-Cup], doch bis zum Jahr 2011 ist es als der Schlecker-Cup
bekannt.
Tobias Krohn sagt, dass die Spenden Schleckers rund zwei Drittel des
Budgets ausgemacht hätten. Beflügelt durch die großzügigen Spenden des
Unternehmens hatten die Veranstalter ein schillerndes Event aus dem Turnier
gemacht. So hat es einen großen VIP-Bereich mit Buffet gegeben, Prominente
wurden für Auftritte engagiert.
Nach der Pleite Schleckers wird das alles gestrichen. Es werden zwar neue
Sponsoren für das Turnier gefunden, an die alten schillernden Zeiten kann
man damit aber nicht mehr anschließen. „Mit Schlecker als Hauptsponsor war
es ein Spektakel, jetzt ist es ein reines Handballturnier“, sagt Krohn.
Auch andere Organisationen in der Region bekommen die Insolvenz Schleckers
zu spüren – weil Spenden ausbleiben. „Da muss ich das Unternehmen Schlecker
mal in Schutz nehmen“, sagt Margit Hudelmaier. Sie war bis 2014 fast 20
Jahre lang Vorsitzende des [3][Bundesverbands Contergangeschädigter]. Jetzt
ist sie noch die Ortsverbandsvorsitzende des Sozialverbands VdK im
benachbarten Allmendingen. Die Sachspenden, die beide Organisationen von
dem Unternehmen erhielten, hätten sehr geholfen. Nun finanziert sich der
Ortsverband durch mehrere kleinere Spender*innen.
Die Stadt Ehingen scheint mit der Ära Schlecker abgeschlossen zu haben.
Vereine haben neue Spender gefunden, Arbeitnehmer neue Unternehmen. Das
kann als Beispiel dienen. Denn wie stark eine Stadt von einem Unternehmen
beeinflusst wird, hängt am Ende davon ab, wie stark sie sich von ihm
abhängig gemacht hat.
1 Sep 2019
## LINKS
[1] /Sieben-Jahre-nach-Pleite-der-Drogeriekette/!5590733
[2] https://sparkasse-ulm-cup.com/
[3] https://www.contergan.de/
## AUTOREN
Niklas Münch
## TAGS
Insolvenz
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