# taz.de -- Gourmet-Hauptstadt in Asien: Göttliche Offenbarung | |
> Die Olympiareporter leben in einer Fast-Food-Bubble. Ein Jammer. | |
> Kulinarisch ist Peking ein Paradies. Für wenig Geld erhält man grandioses | |
> Essen. | |
Bild: „Western Food Meal“ im Medienzentrum der Ski-Alpin-Piste in Yanqing | |
Mein Kollege Andreas und ich leben zwar nur wenige Kilometer voneinander | |
entfernt, doch kulinarisch trennen uns Welten. Er weilt in der olympischen | |
Fast-Food-Bubble, ich [1][in der Feinschmecker-Hauptstadt Asiens.] | |
Ganz gleich, wie stressig die Arbeitsbedingungen und wie hoch die | |
Feinstaubwerte sind, das Essen ist in Peking jeden Tag eine göttliche | |
Offenbarung. Dafür muss man weder gehobene Restaurants besuchen noch tief | |
in die Tasche greifen – ganz im Gegenteil: Morgens gibt es bei mir mit | |
Bambussprossen gefüllte Baozi-Teigtaschen, mittags Weizennudeln in | |
fermentierter Bohnenpaste und abends ein paar Lammspieße beim Muslimen | |
nebenan. Alles zusammen kostet das keine zehn Euro. | |
Innerhalb der hermetisch abgeschlossenen Olympia-Bubble herrschen hingegen | |
andere Verhältnisse. Die dort an Journalisten ausgehändigte Speisekarte | |
liest sich wie eine Anweisung zum Fürchten: frittierte Zwiebelringe, | |
Thunfisch-Sandwich und Steak. Auf sozialen Medien posten die Besucher der | |
olympischen Kantine zudem Fotos einer grün-bräunlichen Brühe, die wahlweise | |
als japanische Misosuppe oder koreanisches Doenjang-Jjiggae angepriesen | |
wird. Der Olympische Kader der Vereinigten Staaten soll sich mit | |
eingeschmuggelten Pasta-Portionen beholfen haben. | |
Doch um die ungleich ernüchternde Liste an alkoholischen Getränken kommen | |
auch sie nicht herum. Wer bereit ist, für eine kleine Dose Tsingtao-Bier | |
zwölf Euro hinzublättern, dem ist nicht mehr zu helfen. Und der angebotene | |
Maotai-Edelschnaps ist für mehr als einen Tausender Kaufpreis auch keine | |
echte Alternative. | |
Mich erinnert all das an meine Nordkorea-Reise 2019. Dort haben die | |
Gastgeber – aus falsch verstandener Höflichkeit – der westlichen Delegation | |
„heimische“ Spezialitäten anbieten wollen. Und so tischten uns die | |
Kellnerinnen stolz labbrige Pommes Frites und graue Burger-Imitate auf, | |
während wir neidisch auf die Speisen der Tischnachbarn schielten. | |
[2][In Peking] könnte man sich sonst mit seinem Smartphone aus der Klemme | |
helfen. Denn wer auf der Meituan-App eine Essensbestellung aufgibt, bekommt | |
diese meist in einer halben Stunde geliefert. Doch leider ist auch das für | |
die Teilnehmer der Olympia-Bubble untersagt – aus Angst vor | |
Virusinfektionen, heißt es offiziell. Doch wahrscheinlich fürchten die | |
Organisatoren mindestens ebenso sehr den Verlust ihrer Monopolstellung. | |
Denn dann würden die Veranstalter am Ende der Spiele auf einer ganzen Menge | |
Tsingtao-Paletten sitzen bleiben. | |
9 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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