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# taz.de -- Einzigartige Landschaft bedroht: Hintertürchen für die Gipsindust…
> Im Streit um den Gipsabbau im Südharz schienen Umweltschützer einen Sieg
> errungen zu haben. Doch der hat seine Tücken.
Bild: Seltener Lebensraum: Gipskarst mit Buchenwald
Hamburg taz | Im Kampf um die Gipskarstlandschaft im südlichen Harz haben
Umweltschützer einen Erfolg errungen, der allerdings einen gewaltigen Haken
hat. Zwar will die schwarz-rote Regierung in Niedersachsen die
Vorranggebiete für den Gipsabbau nicht mehr wie zunächst vorgesehen
vergrößern. Dafür möchte sie allerdings in Zukunft auch außerhalb solcher
Vorranggebiete Abbauanträge ermöglichen.
Die Regelung steht im zweiten Entwurf des Landesraumordnungsprogramms, für
den am Montag der vergangenen Woche die Frist für Einwendungen ablief. Der
Umweltverband BUND kritisiert, dass damit eine Hintertür für zusätzliche
Abbaugebiete geöffnet werde. Der betroffene Landkreis Göttingen befürchtet,
dass ihm mit der Erweiterung der Antragsmöglichkeiten die [1][Konflikte
zwischen Naturschützern und Gipsindustrie] auf die Schulter geladen werden.
Der Gipskarst, bei dem durch Auswaschung bizarre Klüfte und Höhlen
entstehen, ist eine einzigartige Landschaft, die beim niedersächsischen
Osterode auch noch durch einen Orchideen-Buchenwald veredelt wird. Das
Bundesamt für Naturschutz zählt das Gebiet zu den [2][18 Hotspots der
biologischen Vielfalt in Deutschland]. Als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet
gehört es zum europäischen Schutzgebietsnetz „Natura 2000“. Zu ihrem
Unglück ist diese Landschaft auch für die Gipsindustrie hoch attraktiv: Der
Abbau von Naturgips ist billig und im Harz hat er mancherorts eine
besondere Qualität, wie sie etwa von Zahntechnikern gebraucht wird.
Dass die Landesregierung die Abbaumöglichkeiten erweitern möchte, hängt mit
dem Kohleausstieg zusammen. Von den zehn Millionen Tonnen Gips, die 2018 in
Deutschland verarbeitet wurden, waren 40 Prozent Naturgips; 60 Prozent
stammten aus den Rauchgasentschwefelungsanlagen von Kohlekraftwerken
(REA-Gips). Mit dem in Deutschland beschlossenen Kohleausstieg wird diese
Gipsquelle bis 2038 wegfallen – bis auf den REA-Gips, der dann noch auf
Halde liegen wird.
## Touristische Zukunft als Biosphärengebiet
Der 2019 geschlossene Kohlekompromiss zwischen Bund und Ländern sieht vor,
die Wertschöpfungsketten der Gipsindustrie zu erhalten. Dazu seien
„Maßnahmen zu ergreifen, die den fortschreitenden Wegfall an REA-Gips durch
eine zusätzliche umweltverträgliche Gewinnung von Naturgips ausgleichen“.
Der BUND möchte das verhindern und fordert, bis 2045 müsse der Abbau von
Naturgips beendet werden. Um zu zeigen, dass das möglich ist, hat er ein
Gutachten anfertigen lassen, das Alternativen zeigt: Ersatzmaterial aus
Holz oder Lehm, Recyclinggips und Phosphorgips.
Nach der ersten Auslegungsrunde des Landesraumordnungsprogramms schien die
Landesregierung dem Druck der Umweltverbände nachgegeben zu haben. „Land
nimmt aktuelle Abbaupläne im Südharz zurück“, betitelte der BUND eine
Pressemitteilung im vergangenen September.
„Mit den massiven Protesten des BUND Niedersachsen, seinen Aktiven und
Partnern vor Ort konnte ein wichtiger Teilerfolg für den [3][Schutz der
wertvollen Gipskarstlandschaft im Südharz] erreicht werden“, kommentierte
Axel Ebeler, der stellvertretende Landesvorsitzende. „Nun muss der
endgültige Ausstieg aus dem Gipsabbau folgen.“ Es sei an der Zeit, der
Südharzer Gipskarstlandschaft eine touristische Zukunft als
Biosphärengebiet zu geben, sagte Friedhart Knolle, der Gipskarstexperte des
BUND.
## Über Alternativen spricht auch die Gipsindustrie
Doch die Auslegung des zweiten Entwurfs bot aus Knolles Sicht eine böse
Überraschung. Denn künftig soll ein Abbau außerhalb der vom
Landesraumordnungsprogramm vorgegebenen Vorranggebiete nicht mehr
ausgeschlossen werden. Der BUND lehnt das ab und fordert, dass auch künftig
keine zusätzlichen Abbauflächen zugelassen werden. „Es gab einen Brief des
Ministerpräsidenten, in dem uns zugesichert wurde, dass der Status Quo
erhalten bleibt“, sagt BUND-Experte Knolle. Die Abbaugebiete, denen die
Umweltverbände zugestimmt hätten, seien bereits „opulent“.
Auch der [4][Landkreis Göttingen ist unglücklich mit dem neuen Entwurf]:
Der Kreistag begrüßte im Januar einstimmig, dass die „Bedenken und
Vorbehalte zur Erweiterung der Vorranggebiete für den Rohstoff Gips“ ihren
Niederschlag gefunden hätten und deren Ausweisung zurückgenommen wurde.
Anders sei das mit der Aufhebung der „Ausschlusswirkung“, denn die
bedeutete, dass außerhalb der Vorranggebiete bisher auf keinen Fall Gips
abgebaut werden durfte. Damit werde „die Auseinandersetzung zwischen den
Belangen der Rohstoffindustrie und den Belangen des Umweltschutzes in
Zukunft auf eine andere Planungs- und Entscheidungsebene verlagert“.
Die Aufhebung der Ausschlusswirkung sei im Kompromiss zum Kohleausstieg
vereinbart worden, sagt Roman Mölling, Sprecher des Bundesverbandes
Gipsindustrie. „Das ist für uns eine logische Konsequenz.“ Über
Alternativen zu dem REA-Gips aus Rauchgasfiltern spreche die Gipsindustrie
zwar auch. Aus ihrer Sicht reichten sie aber nicht aus, um diese Lücke zu
füllen.
7 Feb 2022
## LINKS
[1] /BUND-will-Abbau-von-Naturgips-stoppen/!5717483
[2] http://www.biologischevielfalt.de/fileadmin/NBS/documents/Bundesprogramm/2_…
[3] /Gipsmangel-durch-Kohleausstieg/!5758801
[4] https://sessionnet.krz.de/kreis_goettingen/bi/si0057.asp?__ksinr=7274&t…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Harz
Naturschutz
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Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
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Rohstoffe
Naturschutzgebiet
Harz
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