# taz.de -- Kongos Präsident unter Druck: Putschgerüchte und Unruhen | |
> Felix Tshisekedi lässt seinen obersten Sicherheitsberater Francois Beya | |
> wegen „Verschwörung“ verhaften. Verdacht geht in Richtung Expräsident | |
> Kabila. | |
Bild: Kongos Präsident Felix Tshisekedi beim AU-Gipfel in Addis Abeba, Samstag | |
Droht in der Demokratischen Republik Kongo ein Militärputsch von Getreuen | |
des früheren Präsidenten Joseph Kabila gegen Staatschef Felix Tshisekedi? | |
Dieser Überzeugung waren am Sonntag jedenfalls jugendliche Aktivisten von | |
Tshisekedis Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), | |
die sich in der Hauptstadt Kinshasa [1][Straßenschlachten mit der Polizei] | |
lieferten. | |
Wie in alten Zeiten wollten sie eine symbolische Territorialherrschaft rund | |
um die UDPS-Parteizentrale und das Anwesen ihres Helden [2][Etienne | |
Tshisekedi] errichten, verstorbener Vater des Präsidenten und | |
jahrzehntelang Anführer der kongolesischen Demokratiebewegung. Die Polizei | |
trieb sie mit Tränengas auseinander, aber nicht bevor sie Autos angezündet | |
hatten. | |
Am Samstag war Präsident Tshisekedi vorzeitig vom Jahresgipfel der | |
Afrikanischen Union (AU) in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba | |
zurückgereist, bei dem er eigentlich den Vorsitz innehatte. Grund: Die | |
Verhaftung seines obersten Sicherheitsberaters Francois Beya durch den | |
Militärgeheimdienst. | |
Beya, einer der letzten noch in hoher Position amtierenden Parteigänger | |
Kabilas in Tshisekedis Umfeld, wird unter dem Vorwurf der „Verschwörung“ | |
festgehalten. Unbestätigten Berichten zufolge sollen auch mehrere Generäle | |
in Gewahrsam sein. | |
Beya, in Kinshasa unter dem Spitznamen „Fantomas“ nach der französischen | |
Filmfigur eines ebenso allmächtigen wie unsichtbaren Verbrechers bekannt, | |
ist ein Veteran des Geheimdienstes und leitete jahrelang Kongos | |
Migrationsbehörde, bevor er im Rahmen der Koalition zwischen Kabila und | |
seinem Nachfolger Tshisekedi im Februar 2019 der höchste Sicherheitsberater | |
des neuen Präsidenten wurde – eine Art Aufpasser aus der alten Garde. | |
## Konflikt schien beruhigt | |
Tshisekedi, der die Wahlen von 2018 gar nicht wirklich gewonnen hatte, war | |
damals zunächst [3][Präsident von Kabilas Gnaden]. Erst 2020 löste sich | |
Tshisekedi von seinem Vorgänger, bildete eine eigene Regierungsmehrheit im | |
Parlament und entließ die meisten Kabila-Amtsträger. Beya soll ihm dabei | |
geholfen haben – wohl um selbst im Amt bleiben zu können. | |
Viele Kabila-Getreue sinnen seitdem auf Revanche und sind abgetaucht; | |
manchen wird nachgesagt, weiterhin über gute Freunde im Sicherheitsapparat | |
zu verfügen. Der Konflikt schien sich 2021 unter dem Eindruck der | |
Covid-19-Pandemie beruhigt zu haben. Doch zuletzt haben zwei Entwicklungen | |
die alte Kabila-Garde erneut aufgebracht. | |
Zum einen hat der Präsident das Nachbarland [4][Uganda eingeladen], | |
militärisch im Ostkongo gegen die ursprünglich ugandische Rebellengruppe | |
ADF (Allied Democratic Forces) vorzugehen, was im Erfolgsfall | |
Geschäftsbeziehungen zwischen Armeeoffizieren und der ADF aufdecken könnte. | |
Zum anderen hat Kongos Regierung Untersuchungen zugesagt, nachdem das | |
internationale Rechercheprojekt [5][„Congo Hold-Up“] das Ausmaß der | |
jahrelangen Ausplünderung von Kongos Wirtschaft durch Kabilas Umfeld mit | |
teils noch bestehenden kriminellen Strukturen offenbarte. | |
## Alte Machtellite | |
Die alte Machtelite fühlt sich in die Enge getrieben. Öffentlich drückte | |
dies Kabilas ehemaliger Chefdiplomat Kikaya Bin Karubi aus, der [6][am 23. | |
Januar auf Twitter] schrieb, Felix Tshisekedi „missbrauche“ die | |
„Vollmachten“, die man ihm „geschenkt“ habe: „Göttliche oder höllis… | |
Prophezeiung, er kann seinen Undank noch korrigieren“. | |
Am Samstag legte Karubi nach und twitterte über ein „neues Afrika“ im | |
Entstehen, wie man an den Putschen in Westafrika sehe: „Mit Unterstützung | |
des Volkes ergreifen junge Offiziere die Macht (…) Kongo wird keine | |
Ausnahme sein.“ Nach Beyas Verhaftung [7][löschte Karubi seine Nachricht], | |
aber der Schaden war angerichtet. | |
Die Verhaftung Beyas dürfte mit seiner andauernden Nähe zu Kabila | |
zusammenhängen. Der Expräsident flog am 25. Januar nach Südafrika. Einem | |
Bericht zufolge wies Tshisekedi den Geheimdienst an, Details über diese | |
Reise herauszufinden, woraufhin sich Fragen in Richtung Beya gestellt | |
hätten. Ein anderer Bericht sagt, ein bei der ugandischen Militäroperation | |
festgenommener ADF-Führer habe über Putschvorbereitungen durch Kabila und | |
Beya ausgesagt. Wieder andere Berichte verweisen auf angebliche obskure | |
Bergbaugeschäfte. | |
In Kinshasa kursierende Berichte kolportieren, Beya sei am Samstag mittag | |
vom neu ernannten Geheimdienstchef Jean-Hervé Mbelu persönlich festgenommen | |
worden. Der sei mit Bewaffneten mittags in Beyas Residenz erschienen, als | |
der Sicherheitsberater, der wegen schlechter Gesundheit länger im Bett | |
geblieben war, sich gerade unter der Dusche befand. Immerhin habe er sich | |
anziehen dürfen, bevor er mitgenommen wurde, hieß es weiter. | |
## Kein offizielles Wort | |
Hoffnung können Tshisekedis Gegner aus dem Umstand schöpfen, dass das | |
Militärbündnis mit Uganda nicht besonders gut funktioniert. Die ADF hat am | |
vergangenen Mittwoch in der Grenzregion Watalinga mit einem tödlichen | |
Angriff Tausende Zivilisten in die Flucht getrieben; wenige Tage später | |
folgte ein Bombenanschlag in der Stadt Beni mit sechs Verletzten | |
Weiter nördlich, in der Provinz Ituri, tötete die Miliz Codeco (Kooperative | |
zur Entwicklung des Kongo) am Dienstag 62 Angehörige der Hema-Volksgruppe, | |
davon 17 Kinder, bei einem brutalen Massaker im Vertriebenenlager Bule. | |
Manche der Opfer wurden mit Macheten regelrecht zerstückelt. Die Empörung | |
darüber schlug beim Massenbegräbnis am Freitag hoch, von „Völkermord“ war | |
die Rede. | |
Am Sonntag befand sich Beya weiterhin in Gewahrsam des Geheimdienstes. | |
Truppenbewegungen wurden aus Kongos zweitgrößter Stadt Lubumbashi im Süden | |
des Landes gemeldet. Von offizieller Seite gab es nach wie vor kein Wort | |
über die Entwicklungen. | |
6 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.politico.cd/encontinu/2022/02/06/kinshasa-tension-au-siege-de-l… | |
[2] /Trauer-um-Etienne-Tshisekedi/!5378126 | |
[3] /Praesidentenwahl-im-Kongo/!5563846 | |
[4] /Ugandas-Militaereinsatz-in-Kongo/!5809679 | |
[5] https://www.publiceye.ch/de/themen/korruption/congo-hold-up | |
[6] https://twitter.com/kikayabinkarubi/status/1485303350165975044 | |
[7] https://twitter.com/Lisamongendu/status/1490186399198363648 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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